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Umweltkatastrophe in Ohio

16. Februar 2023

Es passieren äußerst merkwürdige Dinge in letzter Zeit. Damit meine ich nicht nur die geistige Vernarrung der Gesellschaft durch Propaganda bezüglich Migration, Corona und Russland, sondern auch Ereignisse, die den Aluhut eines jeden Verschwörungsliebhabers glühen lassen: von mysteriösen Bränden in Industrielagern bis hin zu „geheimnisvollen“ Sprengungen von Gaspipelines in der Ostsee. Ein weiterer Vorfall dieser Art ereignete sich am Abend des 3. Februar im US-Bundesstaat Ohio. In der Nähe der Kleinstadt East Palestine entgleiste ein mit mehreren Chemikalien beladener Zug, darunter umweltschädliches Vinylchlorid, das zur Herstellung des Kunststoffs PVC benötigt wird. Der Zug geriet nach der Entgleisung in Brand, wodurch die Gefahr einer Explosion durch ein Vinylchlorid-Luft-Gemisch entstand. Um dies zu verhindern, ließen US-Beamte das Vinylchlorid aus den Waggons ab und verbrannten es kontrolliert. Die Folgen: einerseits die Kontaminierung umgebender Gewässer mit der Chemikalie, andererseits eine riesige, schwarze Rauchwolke, die meilenweit zu sehen war und den Bewohnern East Palestines und Umgebung den Vorgeschmack einer Apokalypse bescherte.

Die Behörden evakuierten vor der Verbrennung die Anwohner im direkten Umkreis. Eine Woche nach dem Zugunglück durften sie in ihre Häuser zurückkehren. Laut offiziellen Stellen gibt es derzeit nichts Besorgniserregendes, das den Leuten zu schaffen machen könnte, dennoch: Es gibt unzählige Klagen über Kopfschmerzen und Übelkeit, viele fanden ihre Haustiere tot vor, die Fische in den Gewässern in der Nähe sterben in Massen. In der Luft herrscht ein fauliger Chemiegeruch. Wirklich „in Ordnung“ scheint die Lage nicht zu sein. Laut dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ habe die „Umweltbehörde EPA […] in der Luft keine Belastung über den Grenzwerten gefunden“. Sehr merkwürdig das alles, nicht zuletzt, da Vinylchlorid selbst schon giftig ist und die von den Bewohnern beklagten Symptome verursacht; auch der Chlorwasserstoff, der bei der Verbrennung entsteht und sich mit dem Wasser in der Luft schnell mal zu Chlorwasserstoffsäure (also Salzsäure) weiterbilden kann, ist alles andere als gesund für Mensch und Umwelt.

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Die deutsche Presselandschaft verhielt sich bezüglich dieses Themas äußerst zurückhaltend – weshalb ich auch erst diese Woche etwas davon mitbekommen habe. Klar, man hat es zuerst als lokale Angelegenheit behandelt und entsprechend darüber berichtet. Dennoch – die Ereignisse fanden ja schon letzte Woche statt, warum also das Zögern, wieso die Reaktion, nachdem schon unzählige Videos und Bilder in Netz und Netzwerken zu sehen waren? Besonders stechen hierbei die öffentlich-rechtlichen Medien heraus: Die „Tagesschau“ hat keinen Artikel dazu veröffentlicht, das ZDF immerhin ein 30 Sekunden dauerndes Video. In den Staaten ist das Zugunglück derweil zum Propagandathema geworden: Republikaner beschuldigen etwa die regierenden Demokraten des totalen Versagens. Auch sie fragen sich, weshalb die Regierungsbehörden sich so verschlossen geben und so tun, als sei alles in Ordnung. Man spricht mittlerweile von der größten Umweltkatastrophe, die die Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten erlebt hätten.

Und da haben wir die passenden Zutaten für eine schmackhafte Verschwörungstheorie: Ein Zugunglück mit giftigen Chemikalien, eine behördliche Fehlkalkulation des eigenen Handelns – vielleicht war es doch nicht die beste Idee, das giftige Zeug zu verbrennen? –, das Ignorieren der offensichtlichen Probleme durch die Behörden. So gab es auf Twitter zahlreiche bearbeitete Fotos und Videos oder solche, die gar nicht die Lage in Ohio zeigen, sondern irgendeine andere Explosion, die dann von naiven Nutzern geteilt und verbreitet wurden. Äußerst nervig, wenn man versucht, außerhalb der Presseblase danach zu recherchieren. Dennoch, das Ganze riecht danach, mehr zu sein als nur ein Zugunglück. Was ist, wenn die Chemikalien dazu genutzt werden sollen, das fruchtbarste Land in den Staaten, den Mittleren Westen, zu kontaminieren, wodurch die Nachfrage nach von Herrn Schwab empfohlenen „Bugs“ zu steigen beginnt? Klingt zu weit hergeholt? Womöglich. Doch wir leben nun mal in äußerst merkwürdigen Zeiten, die von äußerst skrupel- und gewissenlosen Figuren dominiert werden. Da wäre es zu einfach, ein Zugunglück einfach ein Zugunglück sein zu lassen.

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…


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