Vance in München

19. Februar 2025
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Die Sicherheitskonferenz in München ist eine jährlich im Februar stattfindende Tagung, auf welcher sich allerlei Politiker, Ökonomen, Vertreter von NGOs und viele weitere Vertreter dessen, was ein Curtis Yarvin die „Kathedrale“ nennt (sehr unpassend, gerade diesen schönen Begriff dafür zu verwenden), über außen- und sicherheitspolitische Belange beraten – ohne dass es dabei ein großes protokollarisches wie diplomatisches Zeremoniell gibt.

Natürlich war das jahrelang eine langweilige Zeremonie des sich totreitenden politischen Konsenses, der ewigen Realitätsverweigerung, des Aufziehens bunter Potemkinscher Dörfer, um die grausame Wirklichkeit nicht sehen zu müssen. Schön ruhig war es daher, ungestört war man dort, doch damit scheint nun Schluss zu sein: US-Vizepräsident JD Vance sprach am Freitag nicht über nur außenpolitische Belange, sondern teilte vor allem gegen die europäischen Verbündeten – oder besser gesagt: Vasallen – aus, die ihm und seinem Präsidenten so feindlich gegenüberstanden.

„Europa“ – und damit ist natürlich die jetzige, vor sich hin triefende Elite gemeint – habe ein Problem mit Meinungsfreiheit, entferne sich von „demokratischen Werten“ und zerstöre sich mit der Massenmigration selbst. Besonders die deutsche Politik stand dabei im Fokus: Die Brandmauer müsse weg, sagte Vance, also jenes Instrument, das eine offizielle politische Einflussnahme der AfD verhindern soll. Und mit anderen Worten bezeichnete er die Massenmigration – ironischer- wie bittererweise hatte ein Afghane einen Tag vor der Vance-Rede auf der Sicherheitskonferenz einen Wagen in eine streikende Menge gesteuert und damit zwei Menschen in den Tod gerissen, was Vance bewusst in seiner Rede auch ansprach – als eine demokratisch nicht legitimierte Politik, die dem Wähler einfach vorgesetzt wird: Kein Wähler, so sagte er, ging je zur Wahlkabine, um die Schleusen für Millionen unkontrollierter Migranten zu öffnen.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die Reaktionen aus dem politisch-medialen Komplex hier in Deutschland mehr als ungehalten waren. Laut „t-online“ äußerte sich Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck wie folgt dazu:

„Das, was Vance gestern gemacht hat, geht ihn nichts an. So klar muss man das sagen […] Kümmere dich um deinen eigenen Kram, da gibt’s Aufgaben genug in den USA.“

Etwas diplomatischer, aber nicht weniger gereizt reagierte Olaf Scholz: Deutschland werde es „nicht akzeptieren, wenn Außenstehende zugunsten dieser Partei in unsere Demokratie, in unsere Wahlen und in die demokratische Meinungsbildung eingreifen. […] Das gehört sich nicht – erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten.“

Ganz schön großspurige Worte, wenn man bedenkt, dass sich deutsche Politiker regelmäßig in den US-Wahlkampf einmischten. Und natürlich dürfte klar sein, dass eine solche Einmischung eines US-Vizepräsidenten unter der Demokratin Kamala Harris wesentlich wohlwollender aufgefasst worden wäre. Die Scholzes und Habecks unserer Politik scheinen sich bedroht zu fühlen, jetzt, da der Hegemon es ist, der sie kritisiert, und kein innenpolitischer Gegner – der Hegemon, der, von Trumps erster Amtszeit abgesehen, den innenpolitischen Kurs deutscher Regierungen im Gegenzug zur außenpolitischen Unterwerfung so gut wie immer mitgetragen hat.

Das alles fällt einem deutschen Establishment-Politiker auf die Füße: Der Hegemon verlangt zwar nach wie vor Folgsamkeit, doch jetzt verfolgt er andere Interessen. Diese Art von Widerspruch war man ja aus Washington nicht gewohnt, es ist wirklich ein Dilemma. Für Merz und die CDU, für die gute transatlantische Beziehungen ein Grundbaustein politischer DNS sind, ist das Dilemma wohl noch größer – welch ein Schlag ins Gesicht für alle, dass sich Vance dann auch noch weder mit Regierungsvertretern noch mit Merz als Spitzenkandidat der formell größten Oppositionspartei traf, sondern mit Alice Weidel. Man merkt: Es kommt Bewegung in die Bude, das morsche Holz gibt langsam nach – wollen wir hoffen, dass es irgendwann wirklich nachgibt.

Doch ehe wir hier zu gut gelaunt schließen, muss noch ein wenig Wasser in den Wein gegossen werden. Schließlich kann kaum davon ausgegangen werden, dass JD Vance Europa wirklich am Herzen läge. Die Amerikaner haben sich nie für die Belange Europas interessiert, es sei denn, es diente ihrem eigenen Interesse – warum sollten sie es auch anders handhaben?

Deswegen sollte man sich schon fragen, was das Kalkül hinter der Rede ist. Die Unruhe in Europa können die Amerikaner ja gezielt nutzen, um sich gegen eine EU in außenpolitischen Belangen durchzusetzen – sie verhandeln ja jetzt schon mit Russland, ohne Rücksicht auf europäische Interessen zu nehmen. Und Vance tut ja so, als sei die Massenmigration allein die Schuld europäischer Regierungen: Die Verwicklungen der Amerikaner in den Nahostkonflikt, die überhaupt einen Teil der Grundlage für die Migration gen Europa aus der Region bilden, bringt Vance natürlich nicht zur Sprache.

Gewiss, die linke Geisteskrankheit hat die demografische Katastrophe erst möglich gemacht, aber eben auch die US-amerikanische Außenpolitik – Vance lässt es unerwähnt, eben um eine potenzielle rechte EU möglichst dicht an die Pax Americana zu binden. Und doch: Lieber eine Trumpsche US-Hegemonie, als weiterhin die alte politische Elite, die uns ruiniert hat, zu dulden, oder? Zumindest, solange sich keine andere Gelegenheit zur Befreiung aus der europäischen Lethargie ergibt, was bleibt uns anderes übrig, als Vance und Trump machen zu lassen?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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