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Der Verfall der Jugend

25. Juni 2021
in 4 min lesen

Vergangene Woche wurde im Feuilleton der FAZ eine Kolumne über die „Zukunft der Jugend“ veröffentlicht, und mir wurde „nahegelegt“, sie doch mal zu lesen. Nun, an viel kann ich mich zugegebenermaßen nicht mehr erinnern.

Das mag einerseits an der Müdigkeit gelegen haben, mit der ich beim Lesen zu kämpfen hatte, andererseits konnte mir dieser Text keinen großartigen Erkenntnisgewinn bieten. Es gibt dennoch zwei Dinge, die mir auffielen und die hier ausgeführt werden sollen.

Erstens: Der Autor, Jürgen Kaube, spricht die ganze Zeit von der Jugend. Als gäbe es nur die eine jugendliche Generation, die dieselben Erfahrungen teilt. Doch ist dem so?

Und zweitens: die Einleitung der Kolumne. „Zwischen Aktivismus und Hedonismus: Was haben junge Leute für Perspektiven in einer Gesellschaft, in der am liebsten alle „forever young“ wären?“, so schreibt der Autor. Und damit ist uns allen auch klar, von welcher Jugend hier die Rede ist.

An dieser Stelle kommt die Doppeldeutigkeit des oben gewählten Titels ins Spiel. Verfall, damit ist eben nicht nur ein moralischer oder sittlicher Verfall der Jugend gemeint – darauf komme ich später nochmal zurück – sondern auch das Zerbröseln einer (scheinbaren) Einheit in mehrere Einzelteile.

Obwohl ich mit 21 Jahren nach wie vor zur „Jugend“ zähle, sind mir wohl keine anderen Leute mehr fremd – im weltanschaulichen Sinne – als andere Zugehörige meiner Generation. Es scheint, als seien frühere Generationen (die Rede ist hier von Generationen, die nach 1945 aufwuchsen und somit eine „Jugend“ im heutigen Sinne erleben konnten) wesentlich einheitlicher hinsichtlich ihrer ideologischen Grundfesten:

Die 68er wollten eine Revolution, die Boomer haben ein sehr starkes Harmoniebedürfnis, und die Millennials sehen sich als so einzigartig wie Schneeflocken – doch was macht die Generation Z aus, die Jahrgänge, die seit ca. 1997 das Licht der Welt erblickten?

Gewiss, auch in den eben genannten Generationen gab es verschiedene politische Ansichten, doch waren sie bei weitem nicht so gravierend wie die der heutigen Jugend. Medial in den Fokus gerückt wird jener Teil, der sich politisch korrekt gibt – wie die Klimajünger von Fridays for Future z. B. – und sich mehr oder weniger bewusst in die Tradition der Alt-68er stellt.

Bei dieser Darstellung wird häufig drüber hinweggetäuscht, wie zerstritten die Linken auch in unserer Jugend sind. Gewiss, dieser Aspekt ist so alt wie die Linken selbst, doch die Vielzahl an linken Strömungen nimmt seit Jahren zu. Und auf der anderen Seite des politischen Spektrums lässt sich eine ähnliche Entwicklung feststellen.

Lang war der Schatten, den der untergegangene Nationalsozialismus über konservative und andere nicht-marxistische Ideen warf. Doch mit forstschreitender zeitlicher und damit einhergehend auch emotionaler Distanz – letzteres ist einer der Gründe, warum diese sogenannte „Schuldkult“-Propaganda in letzter Zeit hochgefahren wurde – entwickeln sich Weltanschauungen, die das altbekannte Links-Rechts-Schema zu sprengen vermögen.

Altbekannt? Viel besser wäre die Bezeichnung „boomeristisch“, wobei dies kein schöner Begriff ist. Die Mainstream-Vorstellung von links und rechts jedenfalls evolvierte in der Nachkriegszeit, heraus kam das Schema „Links – Kommunismus/Sozialismus, Mitte – Demokratie, Rechts – Nationalsozialismus“. Dieses Schema lässt eine relativ geringe Abweichung seitens der Mitte zu – in diesem Feld spiegelte sich das Spektrum zwischen CDU, FDP und SPD in der Bonner Republik wider – und wurde von den Boomern quasi aufgesogen, und lange Zeit dominierte es die politische Landschaft komplett, auch was die Anschauungen der nachfolgenden Jugend betrifft.

Natürlich gab es Bestrebungen der rebellischen Jugend, die Mitte zu verlassen, jedoch nie den Rahmen des Schemas zu sprengen. So war z. B. die junge Generation der Nachwendejahre im Osten, sofern sie politisiert war, zwischen linken Punks und „rechten“ Neonazis gespalten. Unsere Generation aber, die Generation Z, ist es, die es wagt, das Schema an sich in Frage zu stellen und damit die harmoniebedürftigen Boomer komplett zu überrumpeln.

Gewiss, es gibt auch bei uns eine „Mitte“. Aber sie zerbröselt immer mehr. Die „Systemfrage“ wird immer häufiger und lauter gestellt, von Seiten beider Ränder. Und diese Ränder selbst zerfallen auch immer mehr: Auf der linken Seite gibt es alle möglichen Spaltungen, das ist wie gesagt nicht Neues, aber auch auf der rechten Seite gibt es eine ungeheure Vielfalt; die Last des eigentlich nie rechts gewesenen Nationalsozialismus abwerfend, gewinnen in Deutschland Ideologien wie Libertarismus, Solidarischer Patriotismus und allmählich auch reaktionäre Strömungen immer mehr an Einfluss in „der Jugend“.

Parteien werden dabei immer unbedeutender. Entweder verschiebt sich das Interesse weg von alten Parteien hin zu jüngeren, wie den Grünen oder der AfD, oder das ideologische Denken findet, wie bei mir, nicht nur außerhalb des momentanen Parteiensystems statt, sondern außerhalb des Parteiensystems an sich. Ein befreundeter Boomer meinte einmal zu mir, dass es weiter rechts der AfD doch nichts mehr geben könne. Oh, wenn er nur wüsste…

Momentan gibt es so viele politische Strömungen wie seit den Tagen der Weimarer Republik nicht mehr, und es wird immer unübersichtlicher. Wenn das so weiter geht, so wird die kommende Jugend sich in mehreren Lagern unversöhnlich gegenüberstehen. Genau genommen tut sie das ja jetzt schon, es fragt sich nur, wann sich die Spannung zwischen den Lebenswelten der Generation Z entladen wird.

Um wie oben angekündigt noch einmal auf die andere Bedeutung des Verfalls zurückzukommen: Ich könnte mich jetzt natürlich über die zunehmende Degenration der jungen Leute auskotzen, doch ist das Wichtigste dazu schon längst gesagt worden. Wir wissen, wie schlimm es teilweise steht. Aber nur teilweise eben. Mir scheint, als gäbe es bei manchen jungen Leuten eine Art „Widerstand“ gegen diese Verfallserscheinungen.

Das spiegelt sich einerseits in bewussten politischen Erscheinungen und damit in der allmählichen Ausformung des „rechten“ Blocks wider (siehe die IB, JA oder ähnliche Vereine), andererseits scheint es auch viele junge „Normies“ zu geben, die sich instinktiv und unbewusst von der modernen Degeneration abzuwenden versuchen. Ob dies die Mehrheit des „Normie“-Teils unserer Generation ist, lässt sich schwer sagen.

Vermutlich ist dieser Typ mehr auf dem Land als in der Stadt ausgeprägt. Fakt ist, dass dieser Teil der unpolitischen Jugend den Bestrebungen progressiver Kräfte nicht zuletzt aus schlichtem Überlebenswillen heraus ablehnt. Sie wollen eben ein „normales“ Leben mit Familie etc. führen. Ich hoffe sehr, dass ich diese kleine „Whitepill“ nicht zu Unrecht verteile; wenn dem so wäre, wäre dies ein nicht zu unterschätzendes Potential.

Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Art Mensch sowohl den Nationalsozialismus als auch den Realsozialismus überstanden hat, warum auch nicht die auf uns zu kommende Globohomo-Technokratie? Ist nicht dieser Typus Mensch, der unpolitische, aber fest im Leben stehende und relativ traditionelle Mensch, genau der, nach dem wir uns als Rechte, als Reaktionäre so sehr sehnen?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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