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Eigene Überarbeitung CC BY SA 3.0: Hoibo

Vom Frontschwein zum Transgender

18. Februar 2023

Am 17. Februar 2023 jährte sich Ernst Jüngers Todestag zum 25. Mal. Jünger begleitet mich mittlerweile seit fast 10 Jahren und in einer enthusiastischen Jünger-Hochphase wurde ich Mitglied der „Ernst und Friedrich Georg Jünger-Gesellschaft“, die sich der Pflege Jüngers Werk und der wissenschaftlich-kritischen Debatte verschrieben hat. Dazu gehört auch eine jährliche Veranstaltung in Heiligkreuztal, nahe Ernst Jüngers letztem Wohnort Wilflingen.

Die Teilnehmer meines ersten und einzigen Symposiums im Jahr 2018 waren bunt gemischt und mitunter sah man auch den ein oder anderen „Stoßtruppler“, der also eher über Jüngers militaristische Frühwerk den Weg zur Veranstaltung gefunden hatte. Die meisten Besucher entstammten jedoch dem professoralen Bürgertum, wenngleich auch einige Althippies über Jüngers „Drogenwerk“ ihren Weg gefunden hatten.

Dass den angegreisten Teilnehmern also nicht „der Pelz juckt“ und sie mit glühenden Augen und sich von selbst leerenden Gläsern flüsternd eine Revolution planen: geschenkt. Dass niemand auf die Idee kam, die Stühle und Tische als Symbol der Bürgerlichkeit zu zertrümmern und damit den Ofen anzuheizen, damit das Saufgelage weitergehen kann (Die Jünger-Brüder mit Friedrich Hielscher irgendwann in den 1920ern): Geschenkt und auf die gewaltige Walze der Demographie abgestellt.

Ernst Jünger in einer durchgeimpften Welt

Anfang 2022 sollte dann die nächste Veranstaltung stattfinden: Ernst Jünger und die „Neue Rechte“ – ein Thema dass mich durchaus interessiert hätte, wenngleich vermutlich der gleiche klassische Sermon herauskam, dass Jünger sich von niemandem vereinnahmen lässt (was übrigens viel zu kurz gedacht ist) und man ihn nicht auf sein „nationalistisches Frühwerk“ beschränken dürfe (wobei ich zustimme). Wie auch immer: Die Einladung flatterte in mein Postfach und die Veranstaltung sollte unter 2G-Bedingungen stattfinden. Für diejenigen, die es verdrängt haben: Ungeimpfte dürfen nicht teilnehmen.

Wer mit Jüngers Werk vertraut ist, hält kurz den Atem an. Ein Verein über den Autor der „Marmorklippen“, der „Gläsernen Bienen“ und vor allem des „Waldgangs“ schließt Ungeimpfte aus? Das ist in etwa so, wie wenn auf der Jahresversammlung der Jack-Daniels-Freunde nur Nüchterne teilnehmen dürfen. Oder: Beim Treffen der Friedensbewegung dürfen nur Soldaten mitmachen. Beim Club maritimer Nautiker wird beim Einlass auf einem Holzfloß getestet, ob die Teilnehmer auch bloß seekrank werden.

Für diejenigen, die Jünger vielleicht nicht so gut kennen: Man kann einfach eine beliebige Seite im „Waldgang“ (1951) aufschlagen und wird Zeuge einer schallenden Ohrfeige Jüngers an seine Vereins-Epigonen: „Die Furcht gehört zu den Symptomen unserer Zeit“ oder aber „Die Auswahl der so verfolgten Schichten bleibt beliebig: Es wird sich immer um Minderheiten handeln, die sich entweder von Natur aus abzeichnen oder die konstruiert werden.“ Ganz besonders treffend:

„Die Ärzte zu meiden, sich auf die Wahrheit des Körpers zu verlassen, doch freilich ihrer Stimme auch zu lauschen, ist für den Gesunden das beste Rezept. […] Welche Meinung man immer von dieser Welt der Krankenkassen, Versicherungen und pharmazeutischen Fabriken und Spezialisten hegen möge: stärker ist jeder, der auf das alles verzichten kann.“

Ich hatte meine Kündigungsmail vergangenes Jahr schon eingetippt, entschied mich aber dann dagegen. Wer weiß welche Prozesse im Hintergrund abliefen, welche Verträge bereits abgeschlossen waren, welche Flüge gebucht und welche Versprechen gegeben wurden. Wie auch immer: Nach Änderungen der Corona-Gesetzgebung in Baden-Württemberg konnte die Veranstaltung dann unter 3G-Regeln stattfinden. Ungeimpfte wurden als nicht ausgeschlossen, man musste sich nur ein Wattestäbchen in die Nase stecken lassen, um endlich auf den Spuren den großen Anarchen zu wandeln.

Vergangene Woche kündigte ich dann meine Mitgliedschaft, was aber eher zeitliche Gründe hat. Eine potenzielle Veranstaltung und auch die Lektüre Jüngers selbst „leiden“ unter Arbeit und Familie. Mit gemischten Gefühlen schickte ich die Mail ab, wohlwissentlich, dass Vereine heutzutage auf (junge) Mitglieder angewiesen sind.

Genderfluider Antidemokrat?!

Kennen Sie das Gefühl, wenn man mit einer Entscheidung hadert und dann ex post erfährt, alles richtig gemacht zu haben? Ein tolles Gefühl. Die neue Einladung der Jünger-Gesellschaft traf mitsamt des Programmheftes ein: „Ernst Jüngers Geschlecht(er)“ lautet das Thema des nächsten Symposions. Eine Dame wird über „Fluide Geschlechter – Störungen in Ernst Jüngers monolithischer Männlichkeit“ referieren. Anschließend folgt ein Vortrag über „Fragile Männlichkeitstypologien bei Clamor Ebling und Herbert Berger“ (Personen aus Jüngers „Zwille“). Und später dann noch einmal: „Wie feminin ist Ernst Jünger? Männlichkeitsbilder, Nationalismus und der Gender-Diskurs.“

Der „Gender-Fluide Ernst Jünger“ also. Wie geht doch gleich der Spruch: „Wenn man denkt, man hätte schon alles gesehen…“ Wer Ernst Jünger kennt, kann nur den Kopf schütteln. Wer ihn nicht kennt: Jüngers Person und auch sein Werk haben nahezu keinen Bezug zu Feminismus und Weiblichkeit  – geschweige denn zu „fluider Geschlechtlichkeit“. Man könnte Jünger ohne großen Widerspruch auch als einen der männlichsten Autoren überhaupt bezeichnen.

Natürlich kann man mit der Lupe die zigtausenden Seiten des Gesamtwerkes durchgehen und irgendwie „genderrelevante Passagen“ finden. Der Mensch ist ein Wesen in Abstufungen. Idealtypen existieren nicht. Jeder Mann mag seine weiblichen Seiten und jede Frau ihre männlichen haben. Und gewissermaßen kann ich auch den Drang der Gesellschaft nachempfinden, einen „interessanten“ Schwerpunkt festlegen zu wollen. Jüngers vielfältiges und sich wandelndes Werk – er schrieb fast 90 Jahre lang -, das der „Jahrhundertautor“ in einem Gespräch mit den Worten „Ich widerspreche mir nicht“ zusammenfasste, bietet eine reichliche Auswahl an Themen und berührt nahezu alle Lebensbereiche. Aber man kann einen Bogen auch einfach überspannen.

Besonders abgeschmackt wird es gerade beim Gender-Thema, dass nicht nur wegen der beschriebenen inhaltlichen Diskrepanz übel aufstößt, sondern insbesondere wegen der politischen Aktualität und der Brisanz des „Gender“-Komplexes. Seit Jahren wird man mit einer schier unvorstellbaren Penetranz mit diesem Thema zugemüllt und selbst die Sprache wird im Zuge der „Geschlechterneutralität“ zerstört, sodass das Bonmot „Mein Gegner ist die Sprache“ sich auf ganz andere Art bewahrheitet, als Jünger das eigentlich gemeint hatte.


Mann, du Alles auf Erden…

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Anlaufstelle für Männer des 21. Jahrhunderts

Ernst Jüngers übervolles Werk bietet seit Jahrzehnten vor allem jungen und nicht mehr so ganz jungen Männern Halt. Ich wage zu bezweifeln, dass es überhaupt mehr als eine Handvoll Frauen in Deutschland gibt, die abseits einiger unverfänglicher Naturbetrachtungen einen Zugang zum Kompositum Jüngers entwickelt haben. Die meisten Frauen, selbst die Nicht-Linken, sind vom kalten Ästhetizismus, den genuin männlichen Gedankenmustern und der politischen Kompromisslosigkeit des Frühwerks gänzlich abgeschreckt. 

Vom talentierten Frontsoldaten zum glühenden Nationalisten zum antistaatlichen Waldgänger zum libertären Spätanarchen – das sind tiefgreifende Charakterwandlungen, die man nicht en passent vollzieht. Wenn man Jüngers Denke aber überhaupt irgendwie summieren muss, dann ist es das „neben den Systemen stehen“. Dass man sich nicht mit Sachen gemein macht, eine gewisse Distanz zum Geschehen und der numerischen Mehrheit hält und nach seinen eigenen moralischen Vorstellungen entscheidet.

Im Jahr 2023 ein Symposium zum Thema „Gender“ bei Ernst Jünger zu halten, wirkt wie ein ganz großes Andienen an den politischen Mainstream. Warum die Gesellschaft das macht? Da kann man nur mutmaßen. Vielleicht auch aus strategischen Gründen, um Jünger aus der „rechten Ecke“ herauszubekommen und neue Vereinsmitglieder zu gewinnen? Bereits 2014 berichtete die „WELT“ über das jährliche Symposium der Gesellschaft: „In familiärer Umgebung bemühte man sich, den umstrittenen Autor zu rehabilitieren.“ Dieser Plan ist genauso zum Scheitern verurteilt, wie liberalkonservative Parteineugründungen. Wer als Aussätziger denkt, dass man beim Stuhlwechsel das politische Kainsmal verliert, hat nicht verstanden, wie unsere Postdemokratie funktioniert.

Eines der populärsten und auch inhaltlich stärksten Zitate Jüngers lautet wie folgt:

„Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint.“

Ob dann bald Frau, Töchter, Transsexuelle und „Non-Binäre“ die Äxte schwingen werden? Das ist zu bezweifeln. Irgendwann steht schlichtweg niemand mehr in der Tür, wenn Vater Staat klopft.


Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.


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