Als rabenschwarzer Schicksalsmonat wird der Februar 2025 in die Annalen der Europäischen Union eingehen: Am 14. des Monats meldeten sämtliche Medien, US-Präsident Donald Trump habe mit Kreml-Chef Wladimir Putin ein 90-minütiges Telefonat geführt; beide hätten die baldige Beendigung des Ukraine-Kriegs in Aussicht gestellt und ein persönliches Treffen in Riad vereinbart – ohne Beteiligung der Europäer und über die Köpfe der Ukrainer hinweg. Ein Sturm der Entrüstung war die Folge. Dieser steigerte sich zum Orkan, als kurz darauf Vizepräsident Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz Europas Eliten, besonders jenen aus Deutschland, vorwarf, durch Zensurmaßnahmen nichtgenehme Ansichten zu unterdrücken und dadurch den Wählerwillen zu mißachten. Für Brandmauern, so Vance, sei kein Platz in einer Demokratie. Derartige Methoden seien die wahre Gefahr, durch die die Demokratien des Westens bedroht würden – nicht durch externe Akteure wie Rußland oder China.
In den deutschen Medien gab es jetzt kein Halten mehr. Die „Süddeutsche Zeitung“ giftete: „Was Herrscher wie Musk, Vance und Trump wissen, aber nicht kümmert: dass Demokratien sich nicht nur auf geschriebene, sondern auch auf ungeschriebene Regeln stützen, auf Mäßigung, auf die Respektierung von Gegnern, auf Toleranz.“ Schon der Ausschluß der AfD und des BSW von der Münchner Konferenz hätte das sich liberal nennende Blatt eines Besseren belehren können. Von Respekt und Toleranz gegenüber ideologischen Gegnern kann seit Jahren keine Rede sein – im Gegenteil: Unliebsame Meinungen werden unterdrückt, rechte Parteien als „faschistisch“ an den Pranger gestellt.
Die bis heute alles überwölbende Frage jedoch ist bislang unbeantwortet: Was hat Trump bewogen, auf Kosten Europas und der Ukraine ein Übereinkommen mit Moskau zu treffen? Hierzu kursieren zahlreiche Thesen. Die abenteuerlichste hat Matthias Koch, Chefredakteur des RND, des Redaktionsnetzwerks Deutschland, in die Welt gesetzt:
„Ist Putin, der gelernte KGB-Offizier, aus irgendeinem Grund in der Lage, Trump zu steuern?“ Schon seit Jahrzehnten, so Koch, „wiegen viele bedächtig die Köpfe bei der Frage, ob Putin belastendes Material über Trump in der Hand habe.“
Ob sich der einstige Immobilienmogul damals in Moskau angenehm hatte machen wollen, als er dort über ein Hotelprojekt verhandelte? In einer Fülle von Aufsätzen und Büchern werde behauptet, schon seinerzeit habe ein diskretes Zusammenwirken Trumps mit der russischen Mafia zum Zweck der Geldwäsche begonnen. Koch in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom 20. Februar:
„Der KGB wurde angeblich über jedes Detail informiert und riet zu Geduld beim ´Kultivieren dieses wertvollen Aktivpostensˋ.“
Einleuchtender als diese Verschwörungstheorie scheint da das bündige Diktum der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu sein: Trump und Putin seien „zwei starke Kerle, die sich daran ergötzen, die freie Welt unter sich aufzuteilen“. Der Wahrheit nahe kommen folgende zwei Stimmen: Der russische AußenministerLawrow erklärte, in Europa gebe es offenbar Leute, die glaubten, jeder Kontakt zwischen Moskau und Washington verletze ihre Interessen. In Wahrheit hätten sie gespürt, „auf welchen Platz in der Welthierarchie sie gesunken sind. Es wird nicht leicht sein, da wieder herauszukommen“, so die „SZ“. Und Kristina Dunz, Vizeleiterin der Berliner RND-Redaktion, konstatiert in der „Märkischen Allgemeinen“:
„Trump ordnet sich die Welt neu: Bekommt Putin das bereits blutig eroberte Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets, muss er ein Großmachtstreben der USA sportlich sehen. China könnte das als Signal verstehen, sich ungestraft Taiwan einzuverleiben. Und das brave Europa mit seiner gelernten Demokratie ist dann irgendwas dazwischen.“
Im Gegensatz zu allen bisherigen Spekulationen sind es offensichtlich zwei Gründe, die Trump zu seinem die westlichen Verbündeten so schockierenden Handeln geführt haben: nach außen Geopolitik, nach innen Ideologie. Zunächst zur Ideologie: In den USA hat Trump als erstes jene Entwicklung gestoppt, deren Ziel es auch in Europa ist, durch Vielfalt und Inklusion eine weltoffene liberale Gesellschaft zu errichten.
Ausgangspunkt ist der vom amerikanischen Rechtsphilosophen Richard Rorty propagierte Relativismus, der die Existenz absoluter Werte und Maßstäbe negiert. Eine „positive Toleranz“, so Rorty, gestehe jedem seinen eigenen Standpunkt zu, verlange aber, daß alle Positionen als gleichberechtigt akzeptiert werden. In den letzten Jahren wurde dieser Werte-Relativismus durch „cancel culture“ und „critical race theory“ erweitert und verschärft, so daß man nicht nur in Deutschland das Gefühl hat, wegen Gender-Sprache und Wokeness dürfe man nichts mehr sagen. Verpönt sind beispielsweise Wörter wie Neger, Indianer und Zigeuner, seit kurzem ist sogar die Tagesschau-Anrede „Meine Damen und Herren“ der Zensur zum Opfer gefallen. Trump hat daher in seinen ersten Dekreten verfügt, daß es nach wie vor nur zwei biologische Geschlechter gibt; Homosexuellen hat er den Militärdienst untersagt und Elon Musk mit der personellen Verkleinerung und Entpolitisierung des Staatsapparats betraut. Die wie in Deutschland weitgehend unkontrollierte Masseneinwanderung soll an der mexikanischen Grenze gestoppt werden.
Es entbehrt nicht der Ironie, daß ausgerechnet Putin, der im Westen als Gottseibeiuns geschmähte Staatschef, seine Landsleute bereits 2021 auf die Parallelen zwischen den im Westen zu beobachtenden Verwerfungen und den Gesellschaftsexperimenten der Bolschewiki von 1917 hinwies. Die „Epoch Times“ zitierte damals am 24. Oktober 2021 den russischen Staatschef:
„Sie versuchten, jahrhundertealte Werte zu zerstören, sie stellten die Beziehungen zwischen den Menschen infrage, sie ermutigten dazu, dies auch mit Blick auf die eigenen Partner und Familien zu tun. Dies wurde als der Marsch des Fortschritts gefeiert. Und das war damals in der ganzen Welt sehr populär und wurde von vielen unterstützt, und wie wir sehen, geschieht das gerade jetzt auch.“
„Make America Great Again“ und „America First“ – das sind Trumps oberste Prinzipien. Um sie, jenseits einer durch Zoll-Erhöhungen charakterisierten Handelspolitik, in die Realität umzusetzen, bedarf es keiner großen geopolitischen Kenntnisse. In Abwandlung einer berühmten Sentenz Bill Clintons, eines der Vorgänger Trumps, ist man versucht zu rufen: „It´s China, stupid!“ Und in der Tat: Bereits 2014 hatte der amerikanische Politologe John J. Mearsheimer ein Szenario vorhergesehen, das sich auf die Gegenwart übertragen läßt. Durch die Schuld des Westens, so Mearsheimer, werde die Ukraine eines Tages „zertrümmert“. Wie auch der frühere Außenminister Henry Kissinger empfahl er damals der Washingtoner Regierung, der Ukraine keine Versprechen zu machen, sondern ihr eine völkerrechtlich abgesicherte Neutralität anzuraten. Eine Ukraine als Nato- und EU-Mitglied vor der eigenen Haustür würde Rußland als existentielle Bedrohung empfinden, was eine entsprechende Reaktion provozieren könne.
Jahre später, eine Woche nach Putins Überfall, betonte Mearsheimer im Magazin „NewYorker“, es gebe keinen Grund, zu befürchten, Rußland werde eine regionale Hegemonie in Europa anstreben. Somit stelle Moskau auch für die USA keine ernsthafte Bedrohung dar. Aber:
„Wenn man in einer Welt lebt, in der es drei Großmächte gibt – China, Rußland und die Vereinigten Staaten – und eine dieser Großmächte, China, ein wirklicher Konkurrent ist, dann möchte man als USA Rußland an seiner Seite haben. Statt dessen haben wir mit unserer törichten Politik in Osteuropa die Russen in die Arme der Chinesen getrieben. Das ist ein Verstoß gegen das Einmaleins der Politik des Gleichgewichts der Kräfte.“
Trumps Telefonat mit Putin und die Äußerungen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs erwecken den Eindruck, der „neue Sheriff in der Stadt“ (Vance) habe Mearsheimers Worte gelesen und wolle die strategischen Fehler der Vergangenheit revidieren. China nämlich, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, ist auf nahezu allen Kontinenten in politischer und ökonomischer Hinsicht Amerikas bedeutendster Herausforderer. Anders als die Europäer jedoch haben sich die Chinesen auf die neue Außenpolitik unter Donald Trump vorbereitet. Am 17. Februar beorderte Staats- und Parteichef Xi Jinping die Leiter der größten Tech-Konzerne, darunter Alibaba, Huawei und Deepseek, sowie den Autobauer BYD nach Peking. Der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge demonstrierte dieses Treffen der privaten Firmen mit Xi einen Tag nach der Münchner Sicherheitskonferenz „eine Neuaufstellung an einer entscheidenden Front in der Rivalität mit den USA: dem Wettkampf um die technologische und wirtschaftliche Vorherrschaft“. An eine Kooperation zwischen den beiden Mächten glaube in der Volksrepublik niemand mehr.
„Was Herrscher wie Musk, Vance und Trump wissen, aber nicht kümmert: “
Was ist das denn für ein Deutsch? Daß die „Süddeutsche Zeitung“ alias „Alpen-Prawda“ ein rotgrünes Kampfblatt ist, war mir bekannt, nicht aber, daß ihre Redakteure die deutsche Sprache nicht beherrschen.
Natürlich kann man sagen: „Was Herrscher wie Musk, Vance und Trump wissen, …“. Die Nominalphrase „Herrscher wie Musk, Vance und Trump“ steht dann im Nominativ. Man kann auch sagen: „Was Herrscher wie Musk, Vance und Trump nicht kümmert: …“. Dann steht diese Nominalphrase im Akkusativ. Da sie aber nicht Nominativ und Akkusativ gleichzeitig sein kann, ist der Satz wie in der „SZ“ unmöglich.