Was fördert den elenden Konsumismus?

13. Dezember 2024
in 5 min lesen

Von Quotenveganer

Im rechts-oppositionellen Lager kann man seit Längerem eine Debatte über den Ursprung des derzeit vorherrschenden Konsumismus beobachten. Während die solidarpatriotische Fraktion, ähnlich wie das Gros der Linken, wahlweise den „Raubtierkapitalismus“, die Globalisierung im Allgemeinen oder die Amerikanisierung im Speziellen für die Misere verantwortlich macht, sehen Libertäre die Gründe primär in der staatlichen Geldpolitik und der damit verbundenen Beeinflussung der Zeitpräferenz der Bürger. Wer ist nun also schuld an der Tatsache, dass immer mehr Menschen sich lieber zehnmal in ihrem Leben einen neuen Ikea-Schrank zulegen, anstatt einmal im Leben in einen Eichenschrank zu investieren?

Für diejenigen, die davon ausgehen, dass wir in einer vom „kalten Kapitalismus“ regierten Welt leben, scheint die Sache glasklar zu sein: Schuld am ausufernden Konsumismus, an Kallax statt Eichenschrank, ist die moderne (gerne als „liberal-kapitalistisch“ bezeichnete) Gesellschaft, in der Unternehmen, und insbesondere Großkonzerne, zuerst die Auflösung des Gemeinschaftsgefühls und die Atomisierung des Individuums bewirkt haben, um es anschließend mittels medialer Dauerbeschallung zu nie endendem Konsum anzuregen und sich dabei die eigenen Taschen vollzustopfen. Diese Endlosschleife des Kaufrausches kann dabei natürlich das Loch, das die Abwesenheit von Gemeinschaft in die Psyche des Einzelnen, und der Gesellschaft als Ganzes, gerissen hat, niemals ausfüllen, was den nun willenlosen und nach den Wünschen der Aktionäre formbaren Konsumenten zur perfekten „Cashcow“ macht. Soweit die Erzählung der linken Rechten.

Dabei wird vonseiten der Kapitalismus-Gegner nur allzu gerne übersehen, dass die Wirtschaft der späten Bundesrepublik per definitionem weitaus weniger marktwirtschaftlich ausgerichtet ist als noch vor hundert Jahren, etwa zu Zeiten des Kaiserreichs (man vergleiche nur einmal die Staatsquoten dieser beiden Entitäten). Um diesen Fakt anzuerkennen, müssten die Befürworter des solidarpatriotischen Modells jedoch zunächst die einzig sinnvolle Antwort auf die Frage nach der derzeit vorherrschenden Wirtschaftsordnung akzeptieren. Diese lautet: Wir leben offensichtlich im Korporatismus – einer Mischform aus marktwirtschaftlichen (kapitalistischen) Elementen einerseits und planwirtschaftlichen (kommunistischen) Elementen andererseits. 

In den meisten Ländern der Welt, einschließlich Deutschlands, befinden sich die Produktionsmittel weder vollständig in staatlichen noch in privaten Händen. Ebenso wenig herrscht völlige Vertragsfreiheit, noch gibt es eine totalitäre Kommandowirtschaft, in der die Vertragsfreiheit vollständig aufgehoben wäre. Dennoch löst allein die Existenz internationaler Finanzkonzerne, wie beispielsweise BlackRock oder Vanguard, bei so manchem bei der Frage nach dem derzeit vorherrschenden Wirtschaftssystem reflexartig die Antwort „Im Endstadium des Raubtierkapitalismus!“ aus.

Damit möchte ich keinesfalls aussagen, dass diese Megakonzerne zu 100 Prozent oder auch nur größtenteils positiv zu bewerten sind, aber die Existenz gigantischer Vermögensverwalter ist sicherlich kein hinreichendes Indiz dafür, dass wir im Kapitalismus leben. Vielmehr sind die Einflussnahme von Großkonzernen auf die Politik, kombiniert mit der Tatsache, dass sie (nicht zuletzt aufgrund des sogenannten Cantillon-Effekts) zu den Gewinnern des vorherrschenden Systems zählen, ein Beweis für das Vorliegen des weiter oben definierten, korporatistischen Wirtschaftssystems. In diesem System, in dem manche (hinreichend große und bestens mit der Politik vernetzte) Wirtschaftssubjekte als „too big to fail“ deklariert werden, üben Wirtschaftsakteure zweifelsohne Einfluss auf den Bürger aus. Nur ist die Grundlage dafür eben nicht der Kapitalismus, sondern der interventionistisch agierende Staat, der bankrotte Banken mit frisch gedrucktem Geld aus der Zentralbank vor dem Untergang bewahrt – und mit der Gelddruckorgie fleißig die Inflation befeuert, die wiederum das Handeln der Bürger, insbesondere ihre Zeitpräferenz, manipuliert.

Die Zeitpräferenz ist ein volkswirtschaftlicher Begriff, der beschreibt, wie eine Person (oder eine Gruppe) das Erlangen einer Belohnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegenüber dem Erlangen einer größeren Belohnung zu einem späteren Zeitpunkt bewertet. Wer eine sofortige (kleinere) Belohnung einer späteren (größeren) Belohnung vorzieht, hat, vereinfacht gesagt, eine hohe Zeitpräferenz, bewertet also die Gegenwart höher als die Zukunft. Wer hingegen die Belohnung in der Zukunft präferiert, hat eine niedrige Zeitpräferenz, zieht also die Zukunft der Gegenwart vor. Diese Aussage gilt natürlich – wie alle wirtschaftswissenschaftlichen Aussagen – unter der Annahme ansonsten gleicher Bedingungen (ceteris paribus). Konkret heißt das, dass die Zeitpräferenz eines an Krebs erkrankten 40-Jährigen nicht mit der eines gesunden 40-Jährigen verglichen werden sollte oder kann, da die Einschätzung der eigenen Lebensdauer selbstverständlich einen gewichtigen Einfluss auf die Zeitpräferenz eines Menschen ausübt. Denn wer davon ausgeht, dass er in zwei oder drei Jahren ohnehin tot sein wird, wird wohl kaum auf die Idee kommen, Geld in eine Rentenversicherung zu stecken, von der er nie auch nur einen Cent sehen wird, und von dem Geld stattdessen lieber auf Weltreise gehen oder es an seine Kinder vererben.

Neben der Einschätzung der Lebenserwartung beeinflusst auch die Erwartung des zukünftigen Geldwerts die Zeitpräferenz der Menschen. Wer davon ausgeht, dass sein sauer Erspartes durch die Inflation ohnehin Kaufkraft einbüßen wird, hat schlichtweg wenig rationalen Grund, Geld für einen teuren Eichenschrank beiseitezulegen. Im Gegenteil sogar: Wenn ich mir von 100 Euro zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Kallax-Regal leisten kann, aber davon ausgehe, dass mich dasselbe Regal aber in zwei oder drei Jahren 150 Euro kosten wird, dann ist es sogar die rational vernünftigere Wahl, mich für den Konsum im Augenblick zu entscheiden, da ich in der Zukunft schlechter gestellt bin und mir für meine nominell gleich gebliebenen 100 Euro nur noch zwei Drittel von besagtem Kallax leisten kann. Außerdem muss natürlich bedacht werden, dass ein Eichenschrank gut und gerne das Zehnfache eines Billig-Schranks vom schwedischen Möbelriesen kostet; und dieser Betrag muss angespart werden, da er die Ersparnisse der meisten deutschen Haushalte übersteigt. Es muss gewissermaßen ein Belohnungsaufschub stattfinden, der Vielen im Zeitalter von sofortiger Befriedigung – Fastfood, Internetpornographie & Co. lassen grüßen – immer schwerer fällt.

Nun könnte man einwenden, dass in Zeiten von Neobrokern und automatisierbaren ETF-Sparplänen niemand gezwungen ist, den durch staatliche Geldmengenausdehnung verursachten Kaufkraftverlust der eigenen Ersparnisse einfach so hinzunehmen. Und natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass heutzutage das vergleichsweise risikoarme, breit gestreute Investieren an den globalen Kapitalmärkten einfacher ist als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Dennoch geht auch eine diversifizierte Anlagestrategie immer mit einem Restrisiko einher, zudem benötigt man einen langen Atem im Hinblick auf die eigenen Finanzen, denn schnell reich wird man mit dieser Methode definitiv nicht. Außerdem kann auch ein breit gestreuter ETF sich gerne mal für ein zwei oder drei Jahre (real betrachtet) horizontal bewegen oder sogar Verluste einfahren, auch wenn Anleger mit einem langfristigen Anlagehorizont – wir sprechen hier von mindestens ein, zwei oder drei Jahrzehnten – historisch gesehen nur sehr selten auf die Schnauze geflogen sind.

Zusammengefasst treibt eine hohe Zeitpräferenz, gepaart mit der Abwesenheit von Geldwertstabilität, die Menschen bei ihren Konsumentscheidungen geradezu in die Arme von Ikea, Roller & Co. und begünstigt Phänomene wie „Fast Fashion“. Maßgeblich hieran beteiligt ist der Staat, die Gründe hierfür sind selbstevident.

Wer also will, dass in deutschen Zimmern künftig weniger als Schrank verkleidete, weiß angestrichene Pressspanplatten und wieder mehr Vollholz-Eichenschränke stehen, der sollte für eine stabile Kaufkraft und eine Senkung der Zeitpräferenz sorgen. Anders ist der Siegeszug des skandinavischen Möbelherstellers und seinesgleichen wohl kaum rückgängig zu machen. Hierfür ist es jedoch unabdingbar, die Macht des Staates zurückzustutzen; insbesondere das staatliche Gelddrucken muss idealerweise verunmöglicht werden. Außerdem würde die längst überfällige Rückabwicklung der Bauhaus-Logik („form follows function“) das Ihrige zu dieser dringend nötigen Entwicklung beitragen. Um es anders auszudrücken: Das Kallax-Regal wird auch in 50 und in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe nicht beseitigt werden.

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2 Comments Leave a Reply

  1. Sehr gelungener Artikel! Neben den Einflüssen des Bauhaus, die neben den bekannten IKEA-Pressspahnplatten auch in der Beton-Architektur zu finden sind, würde ich die fehlende Spiritualität bzw. den fehlenden Glauben verantwortlich machen. Die katholische Kirche hat über Jahrtausende aufgezeigt, was ewig schön und wertvoll ist. Wer sich als Teil der Schöpfung sieht und somit dessen Handeln in Zukunft unumkehrbare Konsequenzen hat, der handelt anders.

    Daneben könnte man schon fast froh über die Entwicklung sein, dass alte Möbel abgelehnt und nur allzu gerne durch IKEA ersetzt werden. So finden sich mehr Angebote auf Kleinanzeigen und Co und es gibt weniger Nachfrage.

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