Jetzt, da geopolitisch ein neuer Wind weht und der „Schutzschild“ der Vereinigten Staaten über Europa unter der Trump-Administration bald zurückgezogen werden könnte, zieht Panik bei den europäischen Eliten auf – und das vor allem in der BRD. Angesichts einer russischen Bedrohung und ohne amerikanische Hilfe stünden die Europäer alleine da, und so muss man sich eben auf die eigene militärische Stärke verlassen. Dumm nur, wenn eben an dieser seit Jahrzehnten bewusst gespart wurde.
Sei es, weil man sich einbildete, die Pax Americana auf ewig genießen zu können, sei es, weil man aus dem Schuldkult heraus jegliche Militanz ablehnte – das Ergebnis ist eine kaputtgesparte, kaum einsatzbereite Armee. Als Reaktion darauf hat schon die vergangene Ampel-Regierung die Bundeswehr mit einer großen Finanzspritze versorgt, und die kommende Koalition unter der CDU und Kanzler Merz wird das noch übertreffen und bringt dabei auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht ins Spiel. Ob das die Armee wieder aufleben lässt?
Der Bundeswehr mag es an vielem fehlen: Geld, Material, Männer. Aber vor allem fehlt es ihr an Geist. Der ganze Mythos, das ganze Selbstbild der Bundeswehr lief und läuft letzten Endes darauf hinaus, eine Hilfstruppe des US-amerikanischen Hegemons zu sein, anstatt die Armee eines außenpolitisch eigenständigen Landes. Das ist nicht wertend gemeint, sondern deskriptiv. Ähnlich wie die NVA im Warschauer Pakt, diente die Bundeswehr während des Kalten Krieges lediglich als Bauer – oder Bauernopfer – auf dem geopolitischen Schachbrett. Sie sollte somit nie als eigenständige Truppe agieren.
Wenn man dann noch die Leugnung und Abschaffung eigener militärischer Traditionen berücksichtigt – die Abschaffung des Feldgrau, Umbenennung von Kasernen und generell die Amerikanisierung des Heeres –, ist es kein Wunder, dass die Bundeswehr so unattraktiv scheint. Die Aberziehung eines nationalen Selbstbewusstseins im Zuge der Reeducation dürfte dieser Entwicklung dann noch den Rest geben. Es gibt ja nichts Höheres mehr, wofür es sich zu dienen, zu leben oder gar zu opfern lohnt. Da hat das Leben in einer Armee eben keinen Sinn mehr, zumindest nicht als Wehrpflichtiger.
Dieses Phänomen ist weder alt noch auf Deutschland beschränkt – auch wenn es bei uns natürlich am weitesten ausgeprägt ist, wenn man bedenkt, wie opferbereit die Deutschen gegenüber einer an sich schon längst verlorenen Sache sein konnten. Eine solche innere Flamme kann kein Geld der Welt erwecken, sondern eben nur eine Idee, für die es sich zu kämpfen lohnt – die angesichts einer entheiligten Welt nicht mehr so einfach zu finden ist. Da helfen auch noch so viele Milliarden nicht weiter.
Und die Wehrpflicht eben auch nicht. Ich spreche mich – zumindest unter den jetzigen Umständen – gegen eine Wehrpflicht aus. Der Grund dafür ist weder ein liberaler – frei nach dem Motto: Ich will nicht, dass ich in der Blüte meiner jungen Jahre in den Wehrdienst gezwungen werde – noch ein pazifistischer Grund, denn ich halte den Pazifismus für ein Hirngespinst des 20. Jahrhunderts, das gerne mit diesem Jahrhundert untergehen möge.
Natürlich möchte ich auch nicht unter unserer jetzigen Elite dienen – schließlich will ich sie ja ersetzen. Wenn der Russe an der Oder steht, sieht die Sache gewiss anders aus, aber für Merz wollte ich nicht nach Moskau marschieren. Doch der entscheidende Grund dafür, dass ich mich gegen eine Wehrpflicht ausspreche, ist dieser: Ich glaube, das Zeitalter der Massenheere, die eine Wehrpflicht notwendig machten, ist vorüber. Ein Krieg wird nicht mehr durch die „Levée en masse“, den Einzug der Massen, gewonnen, sondern durch Qualität und technische Überlegenheit.
Der US-Hegemon hat dies in gleich zwei Kriegen im letzten Jahrhundert bewiesen: einmal in Vietnam, als die Wehrpflicht eingeführt wurde und dies den Unwillen einer ganzen Generation nur noch stärkte, am anderen Ende der Welt den Dschungel zu entlauben, und der Golfkrieg von 1990, als der Irak zwar über eine Million Mann unter Waffen hatte, diese aber angesichts der Luftüberlegenheit der etwa gleichgroßen Invasionsstreitmacht dem Feind kaum etwas entgegenzusetzen vermochten. Und auch die Kriege der jüngeren Vergangenheit sind keine Massenkriege mehr.
Der Krieg des 21. Jahrhunderts wird, insofern er symmetrisch ist, wieder auf eine verhältnismäßig kleine, professionelle Armee setzen. Dafür ist eine Wehrpflicht nur hinderlich, es bedarf einer gut ausgebildeten, loyalen Berufsarmee mit Geist und Technologie. Das Zeitalter der Masse wird – zumindest im Militär – vorüber sein.
@Köln: Ihren Widerspruch zur Kenntnis genommen. Aber das eine widerspricht dem anderen nicht.
Das ist eine massive Fehlannahme. Gerade der Ukrainekrieg hat gezeigt, daß die besten Soldaten und die neuste Technik zu den ersten Opfern im Kriegseinsatz gehören. Heute wird der Krieg auf den Reserven der Bevölkerung und alter Ausrüstung geschultert.
Ich möchte etwas einwerfen, was ich in unserem Lager recht selten höre:
Die Wehrpflicht diente für eine sehr lange Zeit zwei Zwecken;
1. der Erdung junger Menschen, besonders bevor sie an die Uni gingen, wo sie dann zumindest nicht ganz so leicht indoktriniert werden konnten (auch Verweigerer haben oft genug eben doch so etwas tun müssen wie im Krankenhaus aushelfen) &
2. dem Erhalt des deutschen Pflegesystems, das durch die erzwungenen Hilfskräfte, welche nicht dienen wollten, billige Arbeitskräfte erhielt (welche durch den Querschnitt der Gesellschaft eben nicht nur aus Niedriglöhnern, sondern auch potentiellen Studenten bestanden).
Es könnte also weit weniger um Krieg gegen den Russen gehen, das sollte selbst einem Merz klar sein, dass dies nicht zu gewinnen ist, sondern dem Erhalt älterer Wählergruppen, die sich, frei nach Schlomo, darum sorgen, dass ihr Arsch abgeputzt werden wird.
Ob es gut und sinnvoll ist, ein Pflegesystem auf diese Art indirekt zu subventionieren und welche Auswirkungen eine solche Entwicklung hat, da das System wie der Abhängige so zum Pegeltrinker wird, darüber lässt sich streiten.
Aber es bleibt das Problem: nicht immer ist das direkt ersichtliche auch das eigentliche Ziel einer Maßnahme!
Zuletzt sei angemerkt, dass es Spekulation ist, da man Verantwortlichen nicht hinter die Stirn schauen kann!
Die neueste Augenwischerei: Man bräuchte nur die Wehrpflicht und viele viele Milliarden, dann hätte man den Russen schon im Griff. Es gibt weder Konzepte, Organisation oder auch nur die erforderliche Mentalität dafür. Es gibt ausschließlich eine kafkaeske Bürokratie und Polit-Generäle, die unablässig in die Mikrophone geifern und davon träumen, mit der Atombombe unterm Arm an der Spitze gewaltiger Heere zu reiten…
Die Milliardensummen werden schon dankbare Abnehmer finden. Für die eher unangenehmen Aufgaben muss dann die Jugend ran. Im Gegensatz zu den Älteren („Hab ooch jedient, hat mir nüscht jeschadet.“) hält sich deren Begeisterung laut Umfragen in Grenzen. Kein Wunder, trotz Bildungskatastrophe dämmert langsam auch den Letzten, dass es da möglicherweise ein Missverhältnis geben könnte: sinkender Lebensstandard und steigende Abgabenlast zu Hause gegen die Ehre, die Werte von Blackrock & Co. verteidigen zu dürfen.
@Köln: Und dennoch bleibt es dabei das Gelände durch „Boots-on-the-ground“ erobert und gehalten wird.
Drohnen sind unterstützende Aufklärungs- und Artilleriemittel. Die Hauptlast von Kämpfen tragen sie nicht.
@ABCSch(ü)tze: Nein, da muss ich widersprechen. In der Ukraine dienen die Rekruten an der Front auf beiden Seiten nur als reichlich uneffektives Material für den Fleischwolf. Überlebensdauer eher Stunden als Tage. Entschieden wird dieser Krieg durch Spezialisten in Control Rooms, die die Frontsoldaten mit Drohnen zu blutigen Klumpen „verarbeiten“. Und diese Spezialisten sind Berufssoldaten und niemand, der vom Bürgersteig aus verschleppt wurde, um Sterben zu gehen.
„Und auch die Kriege der jüngeren Vergangenheit sind keine Massenkriege mehr.
Der Krieg des 21. Jahrhunderts wird, insofern er symmetrisch ist, wieder auf eine verhältnismäßig kleine, professionelle Armee setzen.“
Naja grade der Ukraine-Krieg widerspricht dem ja :-/