Von Karl-Heinz Stiegler
„Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün – das wäre eine Ampel-light“: Christian Lindner hat recht; ausnahmsweise. Nachdem ihn seine Koalitionspartner für knapp drei Jahre ins Finanzministerium gehievt hatten, machte Lindner Schluss. Jetzt plötzlich wäre eine „Ampel“ etwas Schlechtes. Jetzt plötzlich warnt Lindner davor, dass sein persönliches Machtopfer fruchtlos bleiben könnte. Jetzt plötzlich würde es Deutschland schaden, wenn einer seiner Weggefährten neue Freunde fände, in der CDU. Wohlgemerkt nur dann, wenn die FDP samt Lindner unbeteiligt bliebe.
Dabei konnte sich das ganze Volk in den letzten Jahren zum wievielten Mal erneut davon überzeugen, dass die „Liberalen“ die Stoßrichtung ihrer Koalitionspartner niemals grundsätzlich korrigieren. Zum Preis symbolpolitischer Gefälligkeitsakte strich sich zuletzt eine linksradikale Regierung lediglich bürgerlich-gelb an. Im Gegenzug für dieses zur-Harmlosigkeit-Aufhübschen erhält der Junior im Bunde seine machtpolitische Sitzerhöhung. Ihre liberale Ankerlosigkeit erleichtert es der FDP, im Hauptstrom obenauf zu schwimmen.
Das Geschacher um Pöstchen und Optionen ist wieder eröffnet. Jeder bringt sich in Position. Alle reden über Neuwahlen, dabei ist in dieser Frage noch lange nichts entschieden. Viele ahnen, aber niemand weiß genau, wie es weitergeht. Das wird erst die Zeit entscheiden. Nur bei einem Thema herrscht Einigkeit: Die eventuellen Neuwahlen dürfen der AfD nicht in die Hände spielen. Dass sich die Diskussion über das Stattfinden von Wahlen daran aufhängt, wie bestimmte Parteien mutmaßlich abschneiden könnten, ist eine demokratische Ungeheuerlichkeit. An diese haben wir uns gewöhnt. Noch nicht gewöhnt haben wir uns jedoch an gezielte, orchestrierte Skandal-Attacken. Vom deutschen Durchschnittswähler ganz zu schweigen. Die nächste Offensive liegt in der Luft!
25. November 2023. Vor bald einem Jahr bastelten die „Verschwörer“ des „Deportations-Wannseekonferenz-Geheimtreffens“ an ihrem vermeintlichen „Geheimplan gegen Deutschland“. Dass sich die gesamte Correctiv-Lügengeschichte in Luft aufgelöst hat, ist dem Krautzone-Leser klar. Vermutlich hat die Inszenierung der „Potsdamer Festspiele“ sogar unter dem Strich das öffentliche Vertrauen in die etablierten Medien weiter untergraben. Vielen war zu offensichtlich, welches Stück gegeben wurde; zu deutlich die Regieanweisungen, zu laut der Souffleur; zu peinlich das gerichtlich geforderte Zurückrudern von unhaltbaren Überinterpretationen abgehörter Gesprächsfetzen; zu viele frei erfundene Falschbehauptungen.
Heute zieht das Correctiv-Märchen weder Antifa noch „engagierte Demokraten“ hinter dem Ofen hervor. Aber zu seiner Zeit, als sich der Pulverdampf des massenmedialen Dauerfeuers noch nicht gelichtet hatte, entfaltete die Propagandakampagne massive Wirkung. Allein darauf kommt es an!
„Man kann sich nicht darauf verlassen, dass das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt“, erklärte Merkel einmal interessierten Kameras. Was für Wahlversprechen gilt, gilt auch für Skandalkampagnen: Ob die Geschichte in sich zusammenfällt, nachdem sie ihre Funktion erfüllt hat, ist zweitrangig. Ein wohl platzierter Skandal zur rechten Zeit kann Wahlen entscheiden. Zuletzt belegt das die Solidarisierungswelle mit dem eingeschläferten Eichhörnchen „Peanuts“, welches in den USA wahlkampftaktisch ausgeweidet wurde.
Dabei gilt: Der skandalisierte Gegenstand muss nicht aktuell sein. Die Geheimtreffen-Geschichte wurde erst nach zweimonatiger Bearbeitungs- und Wartezeit an die Öffentlichkeit durchgegeben. Es ist also davon auszugehen, dass diejenigen, die tatsächlich einen „Geheimplan gegen Deutschland“ hegen, noch weitere „Skandalpatronen“ im Magazin haben. Sie warten nur auf den richtigen Zeitpunkt, diese auf das oppositionelle Spektrum abzufeuern. Und der richtige Zeitpunkt steht bevor: Ob es Neuwahlen gibt, ist ungewiss, aber falls ja, wird die Wahlkampfarena durch die Konfettikanonen der Massenmedien vorberietet.
Das bedeutet: Wachsamkeit! Und: sich vorab Gedanken machen, wie der richtige Umgang mit einem Skandal aussehen sollte. Jedenfalls: nichts zugeben; keine voreiligen Distanzierungen; nicht versuchen, den ersten Gerüchten auszuweichen, da das ihnen nur Glaubwürdigkeit verleiht. Abwarten, bis sich der mediale Angreifer auf eine Behauptung festlegt, dann mit einer eigenen, am besten humoristischen Erzählung dagegenhalten. Das Opfer einer Skandalisierung muss seinen Sympathisanten oder Wählern gefallen, nicht dem politischen Gegner, der die Attacke reitet. Jede Anbiederung wird von diesem nur als Signal gewertet, dass er einen wunden Punkt getroffen hat. Das Medienschauspiel hört dadurch nicht auf, im Gegenteil.
Die „Nie wieder!“-Diskurswächter treten eine Lawine der öffentlichen Empörung los. Sie kommt nicht zum Stehen, wenn bloß jeder für sich laut warnend und in der Hoffnung vor ihr wegläuft, sie würde einen zuletzt verschütten. Nur wenn ihr ein durchdachter und zusammenhängender Lawinenverhau den Weg abschneidet, wird sie erlahmen. Alle Teile des Lawinenschutzes der Gegenöffentlichkeit müssen koordiniert zusammenwirken. Stellen sie sich geschickt an, wird es mit Glück manchmal sogar möglich sein, die Schneemassen nicht nur zu bremsen. Wieso sollte man sie nicht umlenken können?
Dann lässt es sich auch angenehmer Skifahren. Der Winter wird spannend.
„Vermutlich hat die Inszenierung der „Potsdamer Festspiele“ sogar unter dem Strich das öffentliche Vertrauen in die etablierten Medien weiter untergraben.“
Ja, aber nur bei denen die zuvor schon medienkritisch eingestellt waren. Der wohlstandssedierte Dösmichel hat diese Räuberpistole hingegen maximal gefressen – die schimpfen über die Grünen, glauben entweder den falschen Verheißungen der BlackRock-Merztablette oder halten Cum-Ex-Scholz für soldie und sozial, und erkennen sogar daß Söder ein Populist ist – aber nicht wegen seiner Wendehalsigkeit sondern weil er mal wieder Positionen der Unaussprechlichen nachgeplappert hat.
Die Macht der vereinigten Lügen- und Lückenjournaille in Kombination mit Gewohnheit und pathologischer Vollkaskomentalität ist nach wie vor alles andere als gebrochen.
Guter Kommentar, allerdings sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Selbst wenn die Correctiv Nummer erwiesenermaßen falsch war, wer abseits des Dissidentenlagers hat das denn mitbekommen? Keines der ÖRR Medien hat es jemals richtig gestellt, im Gegenteil es wurde ja trotz Gerichtsurteil weiter verbreitet.
Ich habe wenig Hoffnung.