Dunkel
Hell
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Wenn der Schnee fällt

19. Dezember 2021
in 3 min lesen

Derweil sollte eigentlich der Zauber der Vorweihnachtszeit in der Luft liegen, gemischt mit dem Duft frischer Plätzchen, während draußen der Schnee auf die Welt fällt und ein Gefühl von Frieden verbreitet. Im Hintergrund läuft Weihnachten bei den Hoppenstedts.

Doch genug der Romantik. Wo sind wir denn hier?! Ach ja, richtig – im 21. Jahrhundert, im besten Deutschland aller Zeiten. Dreimal laut gelacht. Ruhe und Harmonie? Wo denk ich kleines Dummerchen nur hin!

Geraubte Jahre

Ich bin mal wieder überrascht und kann ich es kaum glauben, dass sich das Jahr dem Ende neigt. Rückblickend möchte man meinen, dass es nicht allzu spektakulär gewesen sein kann, denn es gab immerhin NUR DAS EINE THEMA, worum sich alles zu drehen schien. Doch weit gefehlt, nicht in meiner Welt! Da kann mich Kollegin XY noch fünfzig Mal fragen, wie es um meinen Impfstatus steht. Meine Antwort bleibt die gleiche, wie vor zwei Tagen „Mumps, Masern, Röteln, Tetanus und Windpocken? Dagegen habe ich damals schon meine Spritze bekommen“.

Wer in diesen Zeiten noch nicht dem Wahnsinn verfallen ist, dem gehört mein Respekt. Es ist immerhin nicht mehr selbstverständlich, dass man als freier Mensch, auch freie Entscheidungen trifft und sich nicht beirren lässt. Ich für meinen Teil habe dieses Jahr eine Menge Dinge erlebt, die aufgrund meiner Zugehörigkeit zu den Aussätzigen und Widersachern, eigentlich überhaupt nicht möglich waren.

So genoss ich die Partys in Breslau, wanderte durch die Wälder der böhmisch-sächsischen Schweiz und die im Harz, fuhr spontan nach Zürich und blieb ein paar Tage lang am Bodensee. Habe den schönsten Milchladen der Welt besichtigt und mich mit Dresdens Altstadt vertraut gemacht. Nicht zu vergessen sind die heißen Sommernächte, während man auf der Luftmatratze über den Teich schippert. Oder die Ausfahrt mit dem Moped in den Spreewald. Im Kino war ich auch, obwohl ich nicht durfte. Doch genug meiner kleinkriminellen Machenschaften.

Mittel und Wege

Man möchte eigentlich meinen, dass diese harmlosen Erlebnisse nicht zu schockierten Gesichtern führen können, doch genau das ist hin und wieder der Fall gewesen. Wer jetzt denkt, ich habe eines dieser gelben Heftchen auf dem Polenmarkt ergattert und „tu einfach so“, als wäre ich eine von ihnen, der hat sich getäuscht. Bis jetzt kam ich auch ohne den Wisch an mein Ziel.

Klar, es ist nicht immer leicht und es gab genügend Situationen, die mich an den Rand der Verzweiflung getrieben haben. Weil es gelegentlich einfach richtig beschissen ist. Wenn ich mir all das ins Gedächtnis rufe, was ich und meinesgleichen versäumt haben, dann könnte ich heulen. Darüber, dass mir zwei Jahre meiner Zwanziger geraubt wurden, ich dieses und jenes nicht sehen konnte und fast alle um einen herum, in einen passiv-aggressiven Zustand verfielen.

Trotzdem habe ich mir nicht vorzuwerfen, denn ich habe alles erdenklich Mögliche getan, um das Maximum aus meiner wertvollen Zeit herauszuholen.

“Was regste dich auf?“

„Du, als privilegiertes, weißes Mädchen, hast kein Recht, dich zu beschweren. Woanders leiden Menschen Hunger und Not.“ Mag sein und mag auch sein, dass das Scheiße ist. Aber frech wie ich bin und aus meinem „Privileg“ heraus nicht in Burkina Faso geboren zu sein, nehme ich meine Situation für voll und erkenne an, welche negativen Folgen, das für mein Leben haben könnte, würde ich nicht auf mich Acht geben.

Aus diesem Grund ging (und gehe) ich gelegentlich den Dingen nach, welche mir wahrhaftig Freude im Leben bereiten und mich zum Strahlen bringen. Hätte ich von meinem „Weg der Erleuchtung“ abgesehen, dann wäre ich vermutlich schon kurz nach Eröffnung dieser Krisensituation ein Häufchen Elend gewesen und würde hier nicht diese Zeilen tippen.

Doch zurück zum eigentlichen Thema. Wie wird dieses Weihnachten also ablaufen? Werde ich dieses Jahr in die Kirche gehen, um mich bekehren und mir sagen zu lassen, dass ich keine Nächstenliebe vermitteln kann, weil ich mich nicht füge? Definitiv nicht.

Scheiß drauf

Feiere ich das Fest mit der Familie und fahre meine Oma besuchen? Ganz klares Ja. Werde ich tagelang kochen, backen und trinken? Na aber sicher! Den Spaß lasse ich mir bestimmt nicht nehmen. Bis dahin ist aber noch einiges zu erledigen. Ein passabler Baum muss ausgesucht werden, die Christbaumkugeln müssen ihren Weg vom Dachboden zurückfinden und ich sollte nochmal überprüfen, ob drei Teelöffel Amaretto für 12 Portionen Tiramisu wirklich ausreichen. Vermutlich nicht.

Doch da ist auch noch die Sache mit den Geschenken. Wie man meinen Erzählungen entnehmen konnte, verhielt ich mich nicht ganz konform und habe damit sämtliche Ansprüche auf diese verspielt. Zumindest, wenn der Weihnachtsmann Teil einer staatlichen Organisation wäre. Denn dann würde er meinen Namen dieses Jahr wohl von der Liste streichen müssen, weil ich nicht grade artig war. Aber das ist mir egal. Denn das, was ich mir wirklich wünsche, kann er sowieso nicht unter den Baum legen.

Schnee lässt sich, so munkelt man, schwierig transportieren. Trotz dessen wünsche ich ihn mir, in Hülle und Fülle. Das Gefühl, in aller Herrgottsfrühe am Weihnachtsmorgen das Haus zu verlassen und durch den Schnee zu stampfen, während das ganze Dorf noch schlummert, die vereisten Dächer im Antlitz der Sonne glitzern und man nur Ruhe und Frieden vernimmt — DAS ist der Himmel auf Erden. Und mehr braucht die Welt nicht.

Klara Fall

Irgendwo im ostdeutschen Hinterland versucht sie zwischen Waldspaziergängen und Mopedschrauberei, den Sinn des Lebens zu finden. Wenn das mal nicht ganz glückt, wird der Kummer in Bier ertränkt und rumphilosophiert, während im Hintergrund die besten Hits der 80er laufen. Natürlich immer mit dem Ziel vor Augen am nächsten Katersonntag einen neuen Artikel zu schreiben.

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