Die katholische Kathedrale St. Hedwig ist für eine katholische Kirche doch recht ungewöhnlich: Mitten im Herzen des einst evangelischen Berlins hat sie ein König errichten lassen, der eher für seinen aufklärerischen Spott gegenüber der christlichen Religion bekannt ist und über ein Königreich regierte, dessen Gründungsmythos sich zu einem Großteil auf die Emanzipation vom katholischen Kaiser wie von der katholischen Kirche gründete – Friedrich II. von Preußen, den ich als Preuße natürlich den „Großen“ nenne.
Von Friedrichs Chefarchitekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff entworfen, wurde sie ab 1747 als Teil des Forum Fridericianum errichtet, zu dem auch das Opernhaus Unter den Linden sowie die Alte Bibliothek gehören. Der Kuppelbau im Rokoko-Stil diente nicht nur dem Ausdruck von Friedrichs religiöser Toleranz im Sinne seines Aufgeklärten Absolutismus, sondern auch als Geschenk an seine zu seiner Zeit neu erworbenen schlesischen Untertanen: Der konfessionell stark gemischte Landstreifen gehörte seit den ab 1740 geführten Schlesischen Kriegen zum Königreich Preußen, und um dem dortigen katholischen Adel zu schmeicheln, errichtete Friedrich nicht nur eine katholische Kirche inmitten seiner Hauptstadt, sondern ließ sie auch gleichzeitig der in Schlesien besonders verehrten heiligen Hedwig widmen. Die gebürtige Bayerin lebte im Hochmittelalter und ehelichte einen schlesischen Herzog aus der Dynastie der Piasten, sorgte für eine Förderung des Christentums in Schlesien und wurde für ihre Nächstenliebe gerühmt; im Jahre 1267, bereits 23 Jahre nach ihrem Tod, wurde sie heiliggesprochen und gilt seitdem als Schutzpatronin Schlesiens.
Die nach ihr benannte Kirche brannte im Zuge der alliierten Bombardierung Berlins im Zweiten Weltkrieg vollständig aus, wurde aber recht früh wieder aufgebaut – unter Aufsicht der DDR-Regierung. Angesichts der restriktiven Kirchenpolitik eines Walter Ulbricht mag das überraschen – schließlich wurden unter seiner Regie in den 50er- und 60er-Jahren zahlreiche Kirchenruinen in der DDR gesprengt –, doch rechnete man der Gemeinde und den Kirchenmännern der St. Hedwigs-Kathedrale es wohl hoch an, dass sie sich gegen viele Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes gestellt hatten. Bernhard Lichtenberg etwa, seinerzeit Dompropst an St. Hedwig, predigte offen und vehement gegen die Euthanasie-Politik der Nationalsozialisten und betete seit den Pogromen vom November 1938 jeden Sonntag für die Verfolgten des Regimes; dafür sollte er 1943 im KZ Dachau inhaftiert werden, starb jedoch auf dem Weg dorthin.
Diese Kirche wurde nun in den letzten sechs Jahren restauriert und ihr Innenraum neu gestaltet. Ist man von katholischen Kirchen, wenn nicht viel Prunk, so doch häufig mehr Zierde als von den meisten evangelischen oder gar reformierten Kirchen gewohnt, so muss man hier aber glatt enttäuscht werden: Ein komplett weißer Raum eröffnet sich einem, der neue Altar ist eine cremefarbene, mit schwarzen Flecken übersäte Halbkugel, die mich auf den ersten Blick auf unangenehme Weise an einen ostdeutschen Fliesentisch erinnert hat.
Ich muss fairerweise gestehen, dass die neue Kirche kein Totalausfall ist: Schlimmer geht immer – aber das darf ja schließlich nicht der Maßstab sein. Aber die Art und Weise, wie der Umbau von den Modernisten gefeiert wird, lässt sich mir die Nackenhaare aufstellen: Es „regiert die Raffinesse der Schlichtheit“, schreibt die „Berliner Zeitung“ („BZ“), auf der Netzseite „Visit Berlin“ ist von „spannende[r] neue[r] Innenarchitektur mit feiner Symbolik und zurückhaltender Architektursprache“ die Rede. Wenn man dann bedenkt, dass der ganze Spaß, der übrigens gegen den Willen der ostdeutschen Katholiken durchgeführt wurde – diese hatten den Bau aus DDR-Zeiten durchaus liebgewonnen –, laut RBB wohl 44 Millionen Euro gekostet hat, kann man nur den Kopf schütteln. Tja, lieber Leser, so viel Geld für einen weißen Raum.
Dieser Bau ist nicht nur Symbol für die geistige, wortwörtliche Leere der modernen Architektur, sondern auch für die geistige Entstuckung der katholischen Mainstream-Kirche. Die „BZ“ schreibt:
„Kein duster-mahnender Gott soll hier wirken, stattdessen der Geist des Willkommens herrschen. So ist das gewollt, wie Dr. Heiner Koch, Erzbischof des Erzbistum Berlin, gleich nach der symbolischen Öffnung des Portals zu Beginn des Pontifikalamts wünschte: Möge es ein Ort der Herzlichkeit und Offenheit für Glaubende, auch anderer Religionen, sowie Nichtglaubende werden. Auch für all jene, die einfach nur ausruhen wollten.“
Gähn – es ist die gleiche dünne Suppe, die den Kirchenbesuchern jeden Sonntag ohnehin schon zum Fraß vorgeworfen wird und dafür sorgt, dass ebenjene immer weniger werden. Alles nur hohle Worte, Anbiederung an den Zeitgeist, der die katholische Kirche nur noch so lange braucht, wie sie ihm nützlich ist – um sie dann wegzuwerfen. Die Renovierung der St. Hedwigs-Kathedrale ist somit, ähnlich wie das „Humboldt Forum“ (also das Berliner Schloss), eine vertane Chance auf kulturelle Renaissance.
Die Franzosen machen es uns interessanterweise vor: Sie haben die 2019 ausgebrannte Notre-Dame-Kathedrale in Paris traditionell wiederaufgebaut – dort scheinen die Modernisten den Kampf verloren zu haben. Auch in St. Hedwig hätte das Original als Vorbild dienen können: Prunkvoll mag es gewesen sein, aber keinesfalls überladen. Aber vielleicht ergibt sich ja noch eine Chance…
Was derzeit von den konziliaren Geistlichen zu vernehmen ist, hat mit dem traditionellen katholischen Glauben nichts mehr zu tun. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wirkt hierbei wie eine Oase der Seligkeit.
Zum Nachdenken: Ein Korankraftwerk wäre schmuckvoller dekoriert, und eine Regenbogenbemalung wäre farbenprächtiger.