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Was die Querdenker besser machen, als das patriotische Lager

30. November 2020
in 4 min lesen

Berlin war im Ausnahmezustand. Zehntausende Menschen haben sich vorletzten Mittwoch zusammengefunden, um friedlich gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes zu demonstrieren. „Die größte Protestbewegung seit ´89“, sagten viele. Innerhalb eines Dreivierteljahres ist es der Bewegung gelungen ein riesiges Netzwerk aufzubauen. Den Demonstrationsaufrufen der Gründer der sogenannten „Querdenker“ folgen Tausende und mit ihren Telegram-Kanälen erreichen Persönlichkeiten wie Samuel Eckert oder Michael Ballweg gar Hunderttausende.

Der Wind in Deutschland hat sich gedreht und ein Hauch von Revolution hängt in der Luft. Während dessen schaut das patriotische Lager argwöhnisch und etwas neidisch auf den plötzlichen Erfolg der neuen Bewegung und versteht nicht recht, wie es diesen gelingen konnte das zu erreichen, woran es selbst seit Jahren scheitert: Die Mobilisierung von Massen und das Tragen der eigenen Positionen in die Mitte der Gesellschaft und auf die politische Tagesordnung. Dies liegt nicht etwa an der unterschiedlichen Relevanz der Themen: Die demografische Bombe, moralischer und kultureller Verfall und ein Machtgewinn globalistischer Unternehmen und Institutionen mögen ebenso, wenn nicht noch wichtiger sein, als die zunehmend technokratische und autoritäre Anti-Coronapolitik der Bundesregierung.

Digitaler Widerstand

Allein der breite Erfolg war bislang nur dem Widerstand gegen Letzteres beschieden. Dieser Erfolg der Querdenker-Bewegung zeigt sich unter anderem im digitalen Raum. Nachdem die YouTube-Kanäle der Gesichter hinter den Coronaprotesten unlängst gesperrt wurden, wichen diese auf Alternativplattformen, wie Telegram und Dlive aus und verhalfen diesen zu einer davor ungeahnten Popularität. Mit ihren Abonnentenzahlen stellen Persönlichkeiten wie Samuel Eckert (120 Tausend), Markus Haintz (91 Tausend) und Ken Jebsen (85 Tausend), selbst den größten patriotischen Aktivisten Martin Sellner (59 Tausend) weit in den Schatten.

Jedoch besteht der Erfolg der Querdenker vor allem in den Menschenmassen, welche sie auf die Straße bringen können. Großveranstaltungen, wie am 29. August in Berlin, am 7. November in Leipzig oder diesem Mittwoch vor dem Brandenburger Tor, bilden dabei nur die Spitze des Eisberges von Aktionen, wie „Montagsspaziergängen“ oder kleineren Demonstrationen. Im Vergleich dazu ist es patriotischen Bewegungen, von Pegida abgesehen, bislang nicht gelungen solch einen Widerstand gegen die herrschende Politik zu initiieren.

Probleme und Lösungen

Ein bis dato großes Problem stellt die gesellschaftliche Randstellung und Stigmatisierung rechts-konservativer Positionen im gesellschaftlichen Diskurs dar, was häufig dazu führt, dass Personen sich aus Angst vor Jobverlust o.ä. nur schwer dazu bewegen lassen, ihre Meinung öffentlich zu vertreten. Begibt man sich dennoch in dieses Minenfeld und verlässt die Pfade des politisch Opportunen, sieht man sich häufig rasch an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, wo man geächtet und „verbrannt“ zurück bleibt. Im Falle der Querdenker haben sich jedoch Strukturen etabliert, um eben dies zu verhindern.

Die Organisation der sogenannten „Klagepaten“ bietet von Spenden finanzierte juristische Hilfe, um gegen Repressalien auf Grund der eigenen politischen Meinung vorzugehen. All dies hilft die Bereitschaft zur offenen Solidarität mit der Bewegung zu steigern und die Zahl der Sympathisanten zu erhöhen. Ein weiteres Problem stellt die (selbstgewählte) Exklusivität des politisch rechten Lagers dar.

Schon von Natur aus diesem Prinzip zugeneigt, verstärkt sich diese durch eine, auf der gesellschaftlichen Position beruhenden, „Wagenburg-Mentalität“. Man sieht sich als Dissident in einem politisch feindlich gesinnten Staat, was der Bildung einer breiten gesellschaftlichen Bewegung nicht gerade zuträglich ist. Derartige Schwierigkeiten sucht man bei den Querdenkern vergebens, was bereits beim Informationsmaterial auffällt: Wissenschaftlich fundierte, aber dennoch leicht verständliche Informationsbroschüren richten sich bewusst an die breite Bevölkerung.

Die Rechten mauern

Sicher mögen ein Oswald Spengler oder Rolf Peter Sieferle, als Musterbeispiele für politische Philosophie, intellektuell anspruchsvoller sein, jedoch eigenen sie sich nicht um den „Durchschnittsmenschen“ zu erreichen. Die gesamten patriotischen Informationsbestrebungen richten sich derzeit an eine kleine elitäre Gruppe, was sich an der Größe der Bewegung zeigt. Doch anstatt diesen quantitativen Nachteil zu nutzen und Zusammenhalt, Vernetzung und zentrale Organisationsstrukturen zu bilden, ergeht man sich in belanglosen Kleinkriegen und scheut weitergehende Kooperation und Solidarität.

Mit ihrer dezentralen Organisation in Form von regionalen Initiativen (Stuttgart-711, München-089, etc.) und Unterverbänden („Lehrer stehen auf“, „Eltern stehen auf“), welche dennoch zentral vernetzt sind, zeigen die Querdenker, wie tatsächliche Strukturarbeit aussieht. Ein weiterer, im patriotischen Lager häufig nicht ausreichend beachteter Fakt ist, dass sich eine loyale Gruppe von Unterstützern nur schwer ohne charismatische und nahbare Anführer formen lassen wird. Auch wenn die Querdenker (noch) nicht den gleichen gesellschaftlichen Druck wie das rechte Lager verspüren und so mit deutlich geringeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, ist es ihnen gelungen diese Art Anführer zu etablieren.

Während im patriotischen Lager (aus guten Gründen) vor allem aus der Anonymität des digitalen Raumes heraus gehandelt wird, tragen ein Markus Haintz oder Ralf Ludwig den Widerstand auf die Straße, sprechen vor Menschen, geben Hoffnung, dienen als reale Vorbilder gegen die „Unterdrückung“ und liefern grandioses Werbematerial. Vor allem die Kombination aus digitaler Information und analoger Aktion ist ein bedeutender Pfeiler des Erfolges der „Coronaleugner“, die das politisch-mediale Establishment der Bundesrepublik sie liebevoll getauft hat.

Was Rechte von Querdenkern lernen können

Was die noch junge Bewegung jedoch vom rechten und sogar linken Lager unterscheidet, ist die Fähigkeit ein klares Ziel anzugeben, welches sich nicht primär aus der Ablehnung bestehender Missstände, sondern aus einer positiven Zukunftsvision konstituiert. „Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit“ dienen seit Jahrhunderten als utopischer Motivator für Aufstände, wobei sie nichts an Strahlkraft verloren haben und heller leuchten, als rechte und linke „Anti-Positionen“, wie „Anti-Multikulti“ oder „Anti-Rassisimus“.

Es zeigt sich also, dass die Querdenker viele Probleme, an denen das patriotische Lager seit Jahren scheitert, bereits nach weniger als einem Jahr gemeistert haben. Während Letzteres zwar in der Theorie führend, jedoch auch in ihr gefangen ist, hat Ersteres das Heft des Handeln in die Hand genommen und bewiesen, dass der Aktionismus doch Zukunft hat. Das patriotische Lager hat den Protest gegen die Corona-Maßnahmen größtenteils ignoriert und es versäumt die Menschen, welche sich von den Medien und der Regierung abgewendet haben, für sich zu gewinnen.

Aber der Erfolg der Querdenker kann ihm dennoch ein Lehrstück sein: Ein massenkompatibles Programm, dezentrale, aber dennoch vernetzte Strukturen, eine optimistische Zukunftsvision, der Gang in die Öffentlichkeit. Für alles wurden in den vergangenen Monaten Paradebeispiele geliefert. Nun liegt es am patriotischen Lager aktiv zu werden und die nötigen Handlungen zu vollziehen.

Gastautor

Hier schreiben unsere Gastautoren, bis sie sich in unserer klebrigen Mischung aus Hass und Hetze verfangen, und schließlich als regelmäßige Autoren ein eigenes Profil bekommen.

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