Von Konservativer Revolutionär
Zu mir: Jahrgang 2002, gebürtiger Berliner, neo-konservativ, seit Juni das Abi in der Tasche. Aufgrund der Tätigkeit meiner Eltern im diplomatischen Dienst verließ ich Deutschland mit drei Jahren. Nach Paris, Prag und schließlich Ankara zog ich 2018 zurück in die Heimat.
”Lol ein Teenie, welcher erst seit einigen Monaten Vodka kaufen kann soll mir jetzt antiweißen Rassismus aufzeigen?” – Ja, so ist es. Frankreich und Tschechien sind unsere Nachbarländer und vertreten ein ähnliches Werte- und Normenbild, sie besitzen eine ähnliche Kultur. Man hätte es sich also denken können: Es wird primär um meine Erfahrungen in der Türkei gehen.
Die ersten Leser sind jetzt vielleicht getriggert, weil es in Antalya doch so schön warm und das Wasser so schön blau ist. Ja, das mag sein. Antalya ist Tourismus und Antalya wäre ohne Tourismus tot und man ist deshalb an Ausländer gewöhnt. Anders sieht das auf zentralanatolischen 1000 Höhenmetern aus. Auch Rassismus braucht ein Fundament. Für westliche Ausländer bestand dieses aus der Haut-, Augen- und Haarfarbe sowie der Sprache und Kleidung. Auch hier sind sicherlich einige über meine Aussagen verwundert. Der Türke ist kein Schwarzafrikaner aber ebenso kein Skandinavier. Der normale Türke ist nun mal braun und nein, ein Spanier sieht nicht genauso aus. Denk erst gar nicht an den „südländischen Typ“. Es gibt auch hellhäutige Türken, sogenannte „Beyaz-Türken“. Diese bilden jedoch die Minderheit und gehören meistens der Oberschicht an. Diese Türken waren auch die, mit denen man sich durchaus gut verstand. Erwähnenswert ist, dass diese immer eine starke Abneigung gegenüber den normalen Türken empfinden und sich schämen, dass diese ebenso Teil ihres Volkes ist sind. Die hellhäutige Oberschicht, die mit uns in der Gated-Community wohnte, hatte mit Westlichen nie ein Problem. Der normale, bürgerliche Türke, der in seiner Wohnung oder Lehmhütte (auch als “Gecekondo” bekannt) haust und schön den sogenannten “Reis” (Führer auf Türkisch) Erdogan wählt, der schon. So wie bei jedem Umzug kam ich ohne große Erwartungen an. Durch die ganzen Urlaubsberichte von Freunden, die in Antalya waren, war ich erstmal beruhigt. Gerade im Landeanflug fing der Zwölfjährige, der ich damals war, an erstmal eifrig Moscheen zu zählen – das war keine gute Idee. Die ersten Wochen wohnten wir im Hotel, da das Umzugsgut noch auf dem Weg war. Eigentlich war ich das Umziehen seit klein auf gewöhnt aber irgendwas war dieses Mal anders. Ein Blick auf die Straße: Es war heiß, trocken, an jeder Ecke Moscheen und ständig klangen Gebetsrufe durch die Lautsprecher auf den Straßen. Alle Männer trugen lange Hosen und die meisten Frauen ein Kopftuch. Das war aber zunächst nicht schlimm. Wann begann also der Rassismus?
Leider ziemlich früh. Wenige stehen gerne im Mittelpunkt. Lampenfieber auf der Bühne oder gar ein Vortrag im Büro, alles irgendwie unangenehm. Nun stellt man sich das auf der Straße vor. Jeden einzelnen Tag, egal ob früh oder spät und egal ob bei einer westlichen Fastfoodkette oder im Park, alle Augen sind auf dich gerichtet. Es wird unheimlich. Bin ich ein ausgebrochener Massenmörder oder was genau stimmt nicht? Kleine Kinder, die zu ihren Eltern “schau mal Mama, ein Ausländer/Christ/Ungläubiger” rufen. Ein Teil dieser Gesellschaft zu werden war schlichtweg unmöglich, also blieb einem nichts anderes übrig als die Flucht in die Ausländergemeinschaft.
Nachdem ich Anfang des Jahres mein Geschichte-Vorabitur geschrieben hatte, unterhielt ich mich noch etwas mit meiner sozialistisch angehauchten Geschichtslehrerin. Von meiner Zeit in Ankara wusste sie bisher noch nicht Bescheid. Wir sprachen gemütlich bis sie fragte, ob ich Türkisch spreche. “Nur wenig.” Es folgte direkt eine weitere Frage: “Aber wie bist du dann klargekommen?” Die Antwort ist einfach. Wir hatten kaum Kontakt zur autochthonen Bevölkerung. Lag es an uns? Sicherlich auch, schließlich wusste man nie, ob ein MIT (türkischer Geheimdienst) vor einem steht oder man doch nur rein zufällig angesprochen wurde. Auch diese Gespräche waren meist unangenehm, da die zweite Frage nach dem Herkunftsland die nach der Religion war.
Sicherheit spielte eine große Rolle. Trotzdem war ich anfangs sehr offen, was den Kontakt zu Türken betraf. Ich freundete mich mit einigen Kindern der Gated-Community an und spielte Fußball. Problematisch wurde es erst, als Kinder von AKP-Abgeordneten anfingen ständig nachzuhaken, wieso ich denn nicht zur Moschee gehe und kein Moslem bin. Ob und wie christlich ich dabei war, spielte nie eine Rolle. Auch als eine eher atheistische Person wurde man immer in die Christ bzw. “Gevur” (Ungläubiger) Ecke gedrängt. Nach Toleranz suchte man da vergeblich, denn alles was zählte, war die Religion.
Meine Siedlung lag am Rand eines wohlhabenden Viertels und grenzte an ein mittelständisches Viertel. Ein kleines Tal trennte dabei die Wohlhabenden von den Bürgerlichen. Zwar wurde ich immer davor gewarnt, die Wohnanlage alleine und besonders in Richtung bürgerliches Viertels zu verlassen, jedoch dachte ich mir, dass die zehn Meter Rasen hinter der Einfahrtsschranke mit Nagelbrett schon in Ordnung sein würden. Ich hatte einen Fußball dabei und kickte gegen eine Mauer bis einige Gleichaltrige erschienen. Zunächst war das “Gespräch” mit Sprachbarriere einigermaßen normal, bis sich einer der Jungs schließlich überlegte, dass ich als Deutscher doch Christ oder Jude sein müsste. Die kleine Gruppe handelte schnell. Es folgten Todesaufrufe in gebrochenem Englisch, das geliebte “Allahu Akbar” und nach einigen Sekunden verzierten die ersten Steine den Himmel. Ich, Siebtklässler, rannte natürlich zurück und war erstmal erstaunt. Aber hey, da habe ich sicherlich ein Mal einfach nur Pech gehabt, oder? Leider blieb es nicht bei einem Mal, solche Erfahrungen machte ich regelmäßig. Die Folgen: Ich stumpfte ab und sah in jeder Person eine potenzielle Gefahr und überprüfte jede Person auf irgendwelche Auffälligkeiten, welche auf eine Gefahr hinwiesen. Selbst auf harmlose Kinder reagierte ich irgendwann ohne Emotionen.Man könnte beim Lesen vermuten, dass das trotzdem nur an einzelnen Personen lag, die einfach Menschen aus dem ,,Westen‘‘ verachten. Das ist leider falsch. Oft hören wir in den letzten Wochen den Begriff des “Institutionellen Rassismus”, ein Rassismus also, der nicht nur innerhalb der Gesellschaft entsteht, sondern auch durch Institutionen und Strukturen ausgelebt wird. In Deutschland ist das entgegen der Meinung vieler Linker nicht der Fall. Jeder Bürger hat dieselben Möglichkeiten. Und ja, auch wenn der böse Vermieter seine Wohnung nicht an “Flüchtlinge” vermieten möchte. Seine Wohnung, seine Entscheidung. Anders sieht es jedoch aus, wenn ich beim Mobilfunkanbieter einen tollen Vertrag mit ausgezeichneten Konditionen entdecke und diesen beanspruchen will, aber gesagt bekomme, dass dieser nur für Türken gilt. Ja, ich durfte den doppelten Preis für Handyverträge mit halb so vielen Minuten, SMS und Internetvolumen zahlen und man beachte: Ich hatte einen türkischen Wohnsitz und einen türkischen (Diplomaten-)Ausweis. In einem Museum den Kinderpreis zahlen? Ne lass mal, dein Ausweis passt uns nicht. Was ist also der Unterschied zwischen meinen Erfahrungen und dem Pseudo-Rassismus, den man neuerdings in Deutschland so oft erfahren will? Nun, es handelt sich um vollkommen unterschiedliche Dimensionen. Hier wirst du als nicht-weißer Bürger in der Regel nicht mit Steinen beworfen, du fährst nicht im Konvoi, du wohnst nicht hinter Stacheldraht und Panzerglas und du hast nicht mal wieder nur einen halben Schultag, weil mal wieder jemand eine verdächtige Kiste vor der vier Meter hohen Schutzmauer deiner Schule gelegt hat und deshalb erstmal das Bombenkommando antanzen darf. Dir wird kein Handytarif verwehrt, weil du falsch aussiehst und du hast auch keine Demonstrationen vor deinem Gebäude, bei denen Eier fliegen und schwarze Todeswunsch-Kränze im Beisein der Polizei niedergelegt werden. Du kannst frei leben. Nicht-Weiße sind längst keine Ausnahme mehr und gehören zum Straßenbild dazu, egal ob man das gut oder schlecht findet. Schauen wir uns doch die etlichen Reportagen über Ra
ssismus an. Wie oft handelt es sich um echten Rassismus, um echte Gefahr und um echten Hass und nicht um Nichtigkeiten, um so banale Fragen wie: “Kannst du als schwarze Person einen Sonnenbrand bekommen?” Klar gibt es Rassismus in Deutschland, jedoch ist das Ausmaß dessen minimal. Man wird genauso gut auch immer Kleinwüchsigen und Behinderten hinterherschauen und unanständigerweise Witze über sie machen. Und was ist erst mit Blondinen und Schüchternen?
Bin ich den Menschen, die mir das Leben in Ankara schwer gemacht haben nun böse? Sicherlich bin ich das, jedoch bin ich auch in der Lage, mich in sie hineinzuversetzen. Wenn du 24/7 damit bestrahlt wirst wie böse doch der Westen, Israel, das Juden- und das Christentum sind, dann wirst du dich auch so verhalten. Wenn deine Religion dann den Hass gegenüber dem Fremden dann noch bestärkt, wird sich deine Einstellung auch nicht so schnell ändern.Rassismus ist für viele Menschen Alltag, jedoch ist es einfach Bullshit zu sagen, dass dieser nur Nicht-Weißen widerfährt. Es gibt antiweißen Rassismus, denn Rassismus beschränkt sich nicht nur auf einige bestimmte Hautfarben. Oder benutzt der Linke jetzt neuerdings Farbskalen und entscheidet darüber, wer schwarz genug oder schon zu weiß ist? Rassismus ist ein schwammiger Begriff. Wenn es bereits rassistisch ist zu fragen, woher jemand wirklich kommt, dann verharmlost dies nur echten Rassismus. Ich schreibe nur über meine eigenen Erfahrungen in der Türkei, wobei diese Geschehnisse im gesamten Nahen Osten Alltag sind. Unser Staat gibt Millionen für Sicherheitspersonal und Infrastruktur aus, um seine Bürger im Ausland vor solchen Übergriffen zu schützen. Jeder kann zum Opfer werden. Antiweißer Rassismus ist in vielen Regionen ein viel größeres Problem, als antischwarzer Rassismus.
Immer noch nicht überzeut? Na dann auf in den Nahen Osten! Denke aber bitte nicht, dass du ein Land in deinem zweiwöchigen Urlaub im Touristengebiet kennenlernst.