In der neuesten KRAUTZONE wurde im Beitrag „von Polen bis Pearl Harbor“ (Teil 6) auf Seite 42 der Sowjetisch-Finnische Krieg 1939-1940 erwähnt. Von diesem Krieg wird allgemein wenig berichtet und ist den wenigsten etwas bekannt. Was mich veranlaßt, hier auf ein Buch hinzuweisen, das mitten in die Zeit und das Geschehen von damals hineinführt – und das auf spannendste Art.
Der Name des Autors soll erst am Ende dieses kurzen Beitrags genannt werden, die meisten dürften ihn vermutlich gar nicht kennen. Seine Erzählung macht den Leser zum Begleiter eines Stoßtrupps finnischer Soldaten, der hinter die Frontlinien des sowjetischen Feindes vorgedrungen ist. Die Rote Armee hat ein Dorf geräumt, die finnische Bevölkerung ist verschwunden. Nur aus einem Haus dringt ein Wimmern. Die Soldaten finden dort ein Kind in einem Bett, in Decken gewickelt und durchfroren.
Fast hätten sie es aus dem Bett herausgehoben, als sie gerade noch rechtzeitig bemerken, daß das Kind gefesselt und mit einer Mine verbunden ist. Es gelingt ihnen, die Sprengvorrichtung zu entschärfen. Doch wohin nun mit dem Kind? Kurz entschlossen nehmen sie es mit auf ihrem gefährlichen Weg zurück durch die Front zu den eigenen Truppen. Dabei möchte der Leser oft selbst den Atem anhalten. So nah schleichen die Finnen mit dem Kind an sowjetischen Soldaten vorbei. Ein einziger Laut und sie wären verraten. Zudem müssen sie das Kind auch noch warm halten und ernähren.
Als sie glücklich die eigene Seite erreicht haben und das Kind an ein Heim übergeben werden konnte, darf der Soldat, der es während des Marsches getragen hat, einen Heimaturlaub antreten. Doch was ihn erwartet, ist das Grauen. Sowjetische Bomber haben seinen Heimatort zerstört. Seine Familie findet er auf dem Friedhof vor. Jetzt hat er niemanden mehr in der Welt – bis auf das Kind, das er gerettet hat und zu dem er nun zurückkehrt.
Die Erzählung trägt den Titel „Das Christkind aus den großen Wäldern“, denn es weihnachtet auch noch in dieser Zeit, was nicht unbedingt nötig gewesen wäre, der Handlungsrahmen ist grandios genug. Der Autor, Edzard Schaper, hat im finnisch-sowjetischen Krieg für die finnische Spionage gearbeitet, weshalb er von den Sowjets zum Tode verurteilt wurde. Seinerzeit lebte der 1908 in der Provinz Posen Geborene in Lettland. Nach der sowjetischen Okkupation des baltischen Staates entging er der Verhaftung durch Flucht nach Finnland. Ein weiteres Todesurteil ereilte ihn dort vom deutschen Volksgerichtshof, weil man ihn für einen sowjetischen Spion hielt.
Der somit zweimal zum Tode Verurteilte war ab 1944 finnischer Staatsbürger und erhielt nach dem Krieg das Schweizer Bürgerrecht. Er schlug sich unter anderem als Gärtnereigehilfe, Matrose, Übersetzer und Regieassistent durch, um Schriftsteller sein zu können. Als solcher verfaßte er zahlreiche Romane, Erzählungen und Essays, vielfach mit christlichem Bezug. 1951 konvertierte er zur römisch-katholischen Kirche und starb 1984 in Bern.
Das genannte Buch ist gut und günstig in Internet-Antiquariaten erhältlich, wie auch die im selben historischen Umfeld spielenden Erzählungen des Autors „Hinter den Linien“, „Stern über der Grenze“ oder „Der gekreuzigte Diakon“.