Die koptisch-orthodoxen Christen sind die größte christliche Minderheit im Nahen Osten und eine der größten Gruppen von orientalischen Christen, die hier in Österreich leben. „Der Levantinische Patriot“ traf den Obmann des Vereins „Koptisch-Orthodoxer Jugend Österreich“, Menas Saweha, zu einem Gespräch über seine Gemeinde und die Lage der Kopten in Ägypten.
Der Levantinische Patriot: Herr Saweha, bevor wir beginnen, möchten Sie sich kurz persönlich, sowie Ihre Position und Arbeit in der koptischen Gemeinde, vorstellen?
Menas Saweha: Sehr gerne. Mein Name ist Menas Saweha, ich bin 26 Jahre alt und angehender Jurist. In der koptischen Gemeinde bin ich als Obmann des 2014 gegründeten koptischen Jugendvereins tätig, sowie als Sonntagslehrer.
Desweiteren engagiere ich mich in der „Plattform Christdemokratie“, einem Zusammenschluß von Bürgern, die christliche Anliegen in die Politik bringen möchten. Auch politisch war und bin ich aktiv, bei den beiden Nationalratswahlen 2017 und 2019 kandidierte ich auf der Wiener Landesliste der ÖVP.
Beide Male konnte ich auch ein gutes Vorzugsstimmenergebnis einbringen, was gezeigt hat, daß Christen eine Chance haben, ihre Anliegen in die Politik zu bringen, wenn sie sich gut vernetzen.
LP: Wie viele koptisch-orthodoxe Christen leben denn eigentlich in Wien ?
Saweha: Also in Wien haben wir ca. 5.000 bis 6.000 Mitglieder, österreichweit sind es ungefähr 10.000. In Wien gibt es insgesamt sechs koptisch-orthodoxe Kirchengemeinden, die über die Stadt verstreut sind.
Ein großer Grund zur Freude für uns war es, als uns der Wiener Kardinal Schönborn die Kirche „Maria vom Siege“ im 15. Wiener Gemeindebezirk schenkte. Zur Übergabezeremonie reiste damals sogar der Patriarch der Koptisch-Orthodoxen Kirche aus Ägypten an.
LP: Fangen wir gleich mit dem Thema Ägypten an: Wie beurteilen Sie die Lage der koptischen Christen vor Ort, vor allem nach dem Sturz von Mohammed Mursi ?
Saweha: Das ist natürlich ein spannendes Thema. Man muß sich mal anschauen, wie es den Kopten denn überhaupt in Ägypten ging. Ägypten war ja durch die Missionierung des Apostel Markus ein christliches Land.
Vor 1400 Jahren wurde das Land dann durch den Islam erobert, im Zuge dieser Islamisierung starb auch die koptische Sprache aus, die heute nur noch als Liturgiesprache dient. In dieser Zeit herrschte auch eine starke Christenverfolgung, die sich aber in den folgenden Jahrhunderten legte.
Damals gab es auch Christen in hohen Staatspositionen, etwas was heute undenkbar wäre. Man lebte, manchmal besser, manchmal schlechter, zusammen.
Das änderte sich Ende der 70er und Anfang der 80er, als der politische Islam immer mehr Einfluß in der Region gewann. Ab diesem Zeitpunkt wurde es auch immer brennzliger für die Kopten. Es begann damit, das Präsident Sadat den koptischen Patriarchen in einem Kloster unter Hausarrest stellte. Ein solcher Eingriff in die Autonomie der Kirche war vorher undenkbar.
Auch unter Mubarak veränderte sich dies nicht wesentlich: Zwar griff er weder die koptische Kirche, noch die Christen je öffentlich an, jedoch ließ er Extremisten wie die Muslimbrüder gewähren, im Austausch gegen ihre Nicht-Auflehnung gegen seine Herrschaft. Im Gefängnis wurden sie zB. wesentlich besser behandelt, als andere Gefangene. Dadurch konnten sich Untergrundnetzwerke bilden.
Dann wurde Mursi Präsident, der zur Muslimbruderschaft gehörte. Wie kam es dazu? Zuerst ist zu sagen, das Mursi zur Zeit der Revolution im Gefängnis saß und durch eine Erstürmung durch Demonstranten befreit wurde.
Die Muslimbrüder selbst gelangten, teils durch Gewalt aber teilweise auch durch demokratische Legitimation, an die Macht. Viele Menschen wählten die MB, weil sie von ihnen mit Wahlgeschenken in Form von Lebensmitteln versorgt wurden.
Zudem gab es nach der Präsidentschaftswahl 2012 hinweise, daß die Muslimbruderschaft mit massiver Gewalt gedroht hatte, sollte man nicht Mursi zum Präsidenten erklären, sondern seinen Konkurrenten Ahmad Shafik, der nur knapp verlor.
LP: Betreffend der Revolution von 2011: Wie nahmen die Kopten in Ägypten, aber auch hier in Österreich, die Ereignisse von damals war? Unterstützte man die Demonstranten oder stand die Mehrheit dem Ganzen doch skeptisch gegenüber?
Saweha: Am Anfang war natürlich eine gewisse Skepsis dar, sich mit einem Präsidenten, der bereits seit 30 Jahren an der Macht war, und seinem für Folter und Mord gefürchteten Staatsapparat anzulegen.
Auch die Koptische Kirche rief am Anfang zur Zurückhaltung auf, sie hielt sich im Großen und Ganzen aber heraus, denn sie ist schließlich eine geistliche und keine politische Organisation. Trotzdem demonstrierte man dann gemeinsam mit seinen muslimischen Mitbürgern. Während der Jännerrevolution gab es de facto keinen Unterschied zwischen Christen und Muslimen auf den Straßen.
Verschärft hat sich alles erst, als Mursi an die Macht kam. Es kam zu dutzenden Angriffen auf Kirchen in Ägypten, zu Attacken auf hohe Würdenträger.
Während der Julirevolution 2013 dann, als Massendemonstrationen General al-Sisi dazu ermächtigten, Mohammed Mursi abzusetzen, waren die Kopten sehr aktiv, sie waren überzeugt, daß diese Revolution notwendig ist, denn es ging de facto um Leben und Tod. Im Jänner 2011 wollte man einfach nur ein korruptes Regime loswerden, und ein demokratisches Ägypten ausprobieren.
LP: Kam es zu Spannungen zwischen Anhängern und Gegnern von Mubarak in Österreich?
Saweha: Nein, denn auch hier hat man erkannt, daß es eine Chance ist, auch wenn man am Anfang ebenfalls vorsichtig war. Wir haben auch schon vorher Demonstrationen in Wien veranstaltet, als es beispielsweise zu Anschlägen in Ägypten kam, wie 2010 in Alexandria.
Von diesem Anschlag weiß man mittlerweile, daß das ägyptische Innenministerium im Vorfeld Kenntnis besaß. Das bedeutet, daß das Mubarak-Regime einen Terroranschlag auf Christen mit 20 Toten in Kauf genommen hat bzw. ihn zumindest toleriert hat. Dadurch war für uns klar, daß dieses Regime weg muß.
Wir waren hier in Wien immer wieder laut und haben die Menschen aufgefordert, genau hinzuschauen, was den Kopten in Ägypten widerfährt.
LP: Wie ist denn das Verhältnis der Kopten zum aktuellen Präsidenten al-Sisi ? Die Kopten gelten ja als treue Anhänger seiner Präsidentschaft.
Saweha: Meine persönliche Meinung dazu ist, daß es das beste war, was uns passieren konnte, als al-Sisi Präsident wurde. Unter Mursi ist das Land schlichtweg mit Hochgeschwindigkeit auf den Abgrund zugerast.
Die Grenze zu Libyen war offen, die Grenze zu den palästinensischen Gebieten lückenhaft. Terroristen und Waffen konnten so ins Land sickern. Mit den Folgen haben wir noch heute zu kämpfen, der Sinai ist immer noch ein Aktionsgebiet von islamistischen Terroristen. Mursi und die Muslimbrüder haben das toleriert.
Al-Sisi hat sich dazu verpflichtet gefühlt, Ägypten zu schützen und Mursi zu entfernen. Sisi hat anfangs erklärt, daß er Ägypten nicht regieren möcht
e, was ich ihm auch ehrlich glaube. Ich denke, daß er die Bürde der Präsidentschaft am Anfang gar nicht tragen wollte. Damals stand ja der Vorsitzende des OberstenVerfassungsgerichts, Adli Mansur, als zukünftiger Präsident zur Debatte, der aber ablehnte.
Daraufhin gingen Millionen Demonstranten auf die Straße, die Sisi dazu auforderten, Präsident zu werden. Er gewann schließlich die Wahl, auch wenn es keinen seriösen Gegenkandidaten gab.
Für uns Christen hat sich vieles verbessert: Er ließ alle niedergebrannten Kirchen auf Kosten des Staates wiederaufbauen, er hat die größte Kathedrale im Nahen Osten erbauen lassen und, ein völliges Novum, er besuchte den Papst zur Weihnachtsmesse in der Markuskathedrale.
Sowas gab es unter 30 Jahren Mubarak nie. Al-Sisi hat das sogar als Tradition verankert. Und natürlich ist das ein Zeichen der Wertschätzung für die Kopten. Nach dem Mord an 21 Kopten durch den IS in Libyen, befahl al-Sisi sofort einen Angriff auf den IS. Und erst, als das Blut unserer Märtyrer gerächt wurde, ging al-Sisi zum koptischen Patriarchen, um ihm sein Beileid auszusprechen.
Dennoch ist auch Kritik angebracht. Die Amtszeit von al-Sisi muß begrenzt sein, wie es in einem republikanischen Staat üblich ist. Es darf kein zweiter Mubarak erschaffen werden.
LP: Ein grundsätzlicher Punkt zur Demokratie: Kann diese Regierungsform im Nahen Osten überhaupt funktionieren? Viele Staaten sind multireligiöse und multiethnische Gebilde. Würde eine Massendemokratie nach westlichem Vorbild in solchen Ländern eingeführt werden, kann das zusätzliche Unruhe und Feindseligkeit stiften, da die jeweilige ethnisch-religiöse Mehrheit die Minderheiten einfach überstimmt.
Macht, Einfluß und Herrschaft fallen dann denjenigen zu, die die Mehrheit stellen. Im Libanon löste der Zustrom sunnitischer Palästinenser den Bürgerkrieg aus. Brauchen orientalische Länder nicht zwangsläufig eine autokratische Regierung ?
Saweha (denkt kurz nach): Heute ja. Längerfristig wünsche ich mir natürlich, daß das nicht mehr der Fall ist. Es stimmt, daß man die Maßstäbe des Westens, was Meinungsfreiheit, Demokratie, Partizipation an der Politik, etc. betrifft, nicht eins zu eins auf den Nahen Osten übertragen.
Es ist nun mal Fakt, und das Versuche ich auch Diskussionspartnern aus dem Westen zu erklären, daß die Mentalität in dieser Region einfach eine vollkommen andere ist. Würden wir europäische Maßstäbe an Ägypten anlegen, könnte die Regierung nicht mehr zum Wohle des Landes arbeiten.
Beispielsweise könnte dann die Polizei keine Demonstrationen der Muslimbrüder, oder anderer Gruppen, die Chaos stiften wollen, mehr auflösen. Dann würde sofort Amnesty International kommen, und auf die Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit hinweisen.
Demokratie muß aber auch gelernt werden. Auch in Europa ging das nicht von heute auf morgen, es mußte durch die Nazi-Herrschaft, den Zweiten Weltkrieg, etc. um die heutigen Standards zu erreichen. Ägypten war zudem lange ein besetztes Land, Briten, Franzosen und Türken regierten uns lange.
LP: Kommen wir zur Lage der Kopten in Österreich. Wie erlebt die koptische Gemeinde die Diskussionen um muslimische Einwanderer? Wie nehmen sie den wachsenden Einfluß des Islamismus in Österreich war?
Saweha: Einerseits geht es den Kopten wie jedem anderen Österreicher auch: Man möchte eine geregelte Einwanderungspolitik. Niemand soll unregistriert nach Österreich einreisen dürfen.
Andererseits bekommen gerade wir, als altorientalische Christen, den ansteigenden Islamismus ganz konkret mit. Sei es aufgrund von gezielten Drohungen gegen unsere Kirchen oder durch das beschmieren unserer Kirchen mit IS-Aufschriften.
Vor ein paar Jahren mußten wir sogar einen Gottesdienst aufgrund einer Drohung absagen. Weihnachten und Ostern feiern wir unter dem Schutz der WEGA.
Man denkt sich dann schon seinen Teil über diesen traurigen Zustand. Wir haben Gemeindemitglieder, die vor religiöser Verfolgung aus Ägypten nach Österreich geflohen sind, und dann aber hier Weihnachten unter Polizeischutz feiern müssen. Aber es sind nicht nur wir Kopten.
Auch andere orientalische Christen, wie die Syrisch-Orthodoxen, können sich nur darüber wundern, daß in Österreich Hinterhofmoscheen existieren oder extremistische Prediger auftreten dürfen. Ich meine, wir haben ja unsere Heimatländer nicht verlassen, damit uns dieselben Leute hier wieder bedrohen.
Gott sei dank wandelt sich aber etwas, denn die Sensibilität der österreichischen Gesellschaft für die islamistische Bedrohung ist in den letzten Jahren defintiv gestiegen. Nichtsdestotrotz bleibt noch einiges zu tun. Wenn man beispielsweise wegen einem Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen so viel Gegenwind erfährt, dann läuft etwas falsch.
LP: Wie läuft denn das Zusammenleben von Muslimen und Kopten in Österreich ab ? Haben Sie in den letzten Jahren eine zunehmende Spannung mitbekommen ? An Schulen, Universitäten, bei der Arbeit, etc.
Saweha: Meine persönliche Wahrnehmung ist, daß es zwei relativ voneinander getrennte Gesellschaften sind. In der Regel, sind die beiden Gruppen abgekapselt von der jeweils anderen, und bleiben dadurch unter sich. Deswegen berühren sich Kopten und Muslime im Alltag nicht allzu oft.
Im Berufsleben oder an der Universität kommt es natürlich immer wieder zu Berührungspunkten, und gerade als Ägypter unterhält man sich dann durchaus gerne, wenn man sich trifft. Spannungen gibt es größtenteils keine, wiewohl es allerdings dazu kommen kann, sobald es um ägyptische Politik geht. Vor einigen Jahren gab es jeden Freitag Kundgebungen zur Unterstützung von Mohammed Mursi in Wien.
Die Kopten sind naturgemäß Gegner solcher Demonstrationen von ägyptischen Muslimen. Deswegen versucht man politische Themen eher zu vermeiden.
LP: Gibt es auch Berichte über rassistisch motivierte Übergriffe auf Kopten durch Muslime oder durch „Bio-Österreicher“ ?
Saweha: Angriffe von Österreichern auf Kopten sind mir keine bekannt. Was es aber gibt, daß sind Übergriffe von Muslimen auf uns. Das beschränkt sich aber nicht nur auf Kopten, sondern betrifft die altorientalischen Christen, wie Syrisch-Orthodoxe, Eritreer oder Armenier, generell.
In den Schulen kommt es beispielsweise immer wieder vor, daß sie wegen ihrer Kreuzkette abschätzig angesehen, oder gleich als „Kafir“ (=Ungläubiger) beschimpft werden. Es ist nicht so, daß wir solche Fälle nicht den Lehrern und Direktoren melden würden, es passiert aber leider oft nichts.
Teilweise trauen sich die Direktoren keine Maßnahmen zu ergreifen, da man sich vor den Reaktionen der muslimischen Eltern fürchtet. In solchen Fällen merkt man auch das jahrelange Versagen des Wiener Stadtschulrats und der Stadtregierung. Wenn sich ein Direktor eher vor den Reaktionen der Eltern fürchtet, als das Problem der Diskri
minierung von Christen anzugehen, dann liegt bei uns einiges im Argen.
Also ja, Übergriffe kommen vor. Aber speziell wir als Kopten sind an Verfolgung ja gewöhnt und bisher hat jede Beleidigung, jeder Anschlag und jedes Blutvergießen, unseren Glauben nur weiter verfestigt.
LP: In anderen Ländern des Nahen Ostens gab und gibt es unter den Christen Tendenzen, selbst zur Waffe zu greifen, um sich vor Verfolgung zu schützen. In Syrien kämpfen verschiedene christliche Milizen, im libanesischen Bürgerkrieg kontrollierten christliche Kämpfer weite Teile des Landes. Gibt es solche Stimmen auch unter den Kopten in Ägypten ?
Saweha: Eindeutig nein. Solche Tendenzen gab es nie und wird es bei uns nie geben. Es liegt nicht in der Natur der koptischen Christen, zu den Waffen zu greifen. Sie leben das, was sie predigen: Daß man für den Feind beten soll.
Als es am Palmsonntag 2017 zu den Anschlägen in Tanta und Alexandria kam, versammelten sich noch am selben Tag mehrere tausend Kopten, um zu beten. Die Waffen in die Hand zu nehmen und sich zu rächen, kam nicht in Frage. Stattdessen haben sie lieber ein „Herr, erbarme dich unser!“ gebetet.
Das bedeutet aber nicht, daß koptische Christen nicht ihre politischen Rechte einfordern. Der verstorbene Patriarch Shenouda hat die Gläubigen immer wieder dazu aufgerufen, sich für ihre Rechte durch Demonstrationen, das Erheben der Stimmen und Gebete stark zu machen.
LP: Die Kopten in Österreich bilden eine starke Gemeinschaft: Es gibt neben der Kirche eigene Vereine für Sport, Jugendaktivitäten oder Kultur. Desweiteren wird in vielen Familien Wert darauf gelegt, daß untereinander geheiratet wird.
Auf der einen Seite, ist das natürlich genau das, was in den letzten Jahren als „Parallelgeselschaft“ oft diskutiert und kritisiert wurde. Andererseits aber, haben Kopten noch nie gegen die österreichische Gesellschaft und Kultur agitiert (Anders als andere sogenannte Parallelgeselschaften). Zudem ist der Wunsch der koptischen Christen, ihre kulturelle Identität auch in der Diaspora zu erhalten, nur allzu verständlich. Wie denken Sie über dieses Thema?
Saweha: Ich würde jetzt nicht sagen, daß sich die Kopten von der Mehrheitsgesellschaft abkapseln würden. Aber es ist eben wie in jeder anderen Gemeinschaft im Ausland, daß diese Gemeinschaft der Mittelpunkt des Lebens ist. Auch die Kirche ist ein solcher Mittelpunkt, sowie die Sonntagsmesse, die den Höhepunkt der Woche darstellt.
Daß untereinander geheiratet wird, hat auch eine kirchenrechtliche Komponente. Die altorientalischen Kirchen akzeptieren nur Gläubige mit gleicher Konfession bei der Heirat. Zudem erleichtert ein gleicher Glaube das Zusammenleben oder die Erziehung der Kinder. Trotzdem gibt es aber auch Kopten, die außerhalb der Koptischen Kirche heiraten.
Zu den Vereinen möchte ich sagen, daß sie ja dazu existieren, damit die Kopten sich integrieren. Der Fußballverein SC Kopten zB. spielt ja auch gegen andere Mannschaften und dadurch kommen unsere Jugendlichen mit Leuten außerhalb der Gemeinschaft in Kontakt.
Es ist auch nicht so, daß Kopten nur zu koptischen Ärzten gehen und ihre Einkäufe nur bei koptischen Händlern tätigen. Davon hätten wir ja auch nichts. Da hätten wir ja gleich alle in einem koptischen Dorf in Ägypten bleiben können.
LP: Denken Sie, daß die Kopten ihre Identität in Österreich gut erhalten können, damit eine starke koptische Gemeinde existieren kann ?
Saweha: Wir haben das Glück, in einem Land wie Österreich zu leben. Seit 2003, ist die Koptisch-Orthodoxe Kirche offiziell als Religionsgemeinschaft anerkannt, was in Europa, so glaube ich, fast einmalig ist. Kein anderes Land hat bisher diesen Schritt getan.
Darüber hinaus haben wir einen sehr guten Kontakt zur Katholischen Kirche, vor allem zu Kardinal Schönborn. Österreich hat uns alles zur Verfügung gestellt, um die koptische Identität erhalten zu können. Dafür sind wir dem Land dankbar.
Auch der Römisch-Katholischen Kirche gebührt Dank, da sie uns Kirchen geschenkt oder zur Verfügung gestellt hat. Wir hätten gar nicht die Mittel für einen Neubau gehabt. Daß wir koptischen Religionsunterricht in allen Schulstufen anbieten können, verdanken wir Österreich und seinen Möglichkeiten die es uns bietet.
LP: Wie schätzen Sie die Zukunft der Kopten in Österreich, aber auch in Ägypten und dem Nahen Osten ein? Wie werden sich eventuelle Migrationsströme aus der Region auf die Situation der Kopten in Europa auswirken?
Saweha: Um in Europa zu bleiben: Es wird spannend zu beobachten sein, wie die 2. Generation sich hier etablieren wird. Unsere Eltern kamen in den 80ern und hatten meistens ja nur sehr einfache Jobs. Mittlerweile studieren aber sehr viele koptische Jugendliche, sie werden Ärzte, Anwälte, Ingenieure, etc.
Das eröffnet große Chancen für die koptische Community, denn solche Möglichkeiten hätten wir in Ägypten nie gehabt. Und wir können der hiesigen Gesellschaft etwas zurückgeben.
Gleichzeitig wird das Überleben und Gedeihen der Kopten in Europa von der Einwanderungspolitik abhängen. Extremistische Muslime legen ihre Einstellung nicht an der Grenze ab. Wenn sie bereits im Nahen Osten mit einem Haß auf die Christen aufgewachsen sind, werden sie diesen mit nach Europa bringen.
Man kann ihn vielleicht während des Asylverfahrens verstecken, aber er ist weiterhin da. Ich kann nur an die Politik appellieren, dieses Problem ernst zu nehmen. Bei den orientalischen Christen, handelt es sich um eine Bevölkerungsgruppe, die genau vor solchen islamistischen Strömungen geflohen ist. Und jetzt trifft man sie hier wieder? Das ist ein Armutszeugnis für Europa.
LP: Ist angesichts der wachsenden Einwanderung von Muslimen und eines wachsenden Einflußes des Islamismus eine verstärkte Abwanderung von koptischen Wählern in Österreich Richtung FPÖ bemerkbar ?
Saweha: Es gab unter den orientalischen Christen, bis zur Ära von Sebastian Kurz, viele, die mit der FPÖ sympathisiert und sie gewählt haben. Allein aus dem Grund, daß die FPÖ die einzige Partei war, die das Thema Islamismus überhaupt angesprochen hat.
Mittlerweile haben aber auch Gott sei Dank andere Parteien die Wichtigkeit dieses Themas erkannt. Es geht um ja dabei um vieles: Gesellschaftspolitik, Sicherheitspolitik oder Migrationspolitik. Die Einstellung von Sebastian Kurz zu diesen Themen haben vielen orientalischen Christen imponiert.
Beispielsweise war Kurz nur einen Tag nach den Anschlägen am Palmsonntag 2017 bei uns im Gottesdienst zu Gast und hat der Gemeinde sein Beleid ausgesprochen und ein ökumenisches Gebet mit der Katholischen Kirche initiiert.
Natürlich schätzt man solche Gesten, insbesondere dann, wenn sonst kein Politiker es anspricht. Den Weg, den die ÖVP unter Kurz eingeschlagen hat, hat der FPÖ viele Stimmen gekostet, da die Unzufriedenen
jetzt Schwarz wählen.
Bis zur Wende unter Kurz, hat sich ja kein Politiker außerhalb der FPÖ getraut, den Mund aufzumachen. Selbstverständlich gibt es auch Kritik an der Volkspartei, Kurz und der Regierung im allgemeinen, auch von Kopten. Aber für ihre Einstellung zur Migration, genießen sie große Sympathien in der Community.
Die FPÖ hat oft die richtigen Fragen gestellt, aber die falschen Antworten geliefert. Wir, als Bürger mit Migrationshintergrund, merken natürlich auch, daß es bei den Freiheitlichen und ihren Wählern viele gibt, die nicht zwischen einem Menas und einem Mohammed unterscheiden.