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Danger Dan, die Kunst und Oswald Spengler

21. April 2021
in 4 min lesen

Am 26. März 2021 veröffentlichte der Rapper Danger Dan auf dem YouTube-Kanal seiner Hip-Hop-Band Antilopen-Gang einen Song (oder nennt man es doch eher Track?) mit dem klangvollen Titel „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“.

Ohne großartig auf den Inhalt dieses neuesten Meisterwerkes gutmenschlicher Poesie eingehen zu wollen – ich habe nicht so viel Zeit, als dass ich dem „Husten der Würmer“ (© Schattenmacher) viel Beachtung schenken könnte – möchte ich dennoch kurz erwähnen, dass sich unser tapferer, antifaschistischer Recke insofern vor seiner geifernden Zuhörerschaft aufspielt, als er einige Figuren der rechten und neurechten Opposition mit scheinbar kontroversen Vorwürfen, Beleidigungen oder Pfeile schießenden Sportgeräten attackieren möchte, um mit seinen Äußerungen den rechtlichen Rahmen der sogenannten Kunstfreiheit neu auszuloten.

Ist das alles?

Natürlich wird sein Musikvideo nicht justiziabel sein und das sollte es auch nicht (zumindest nicht in der Bundesrepublik…), Danger Dan wird für seinen aufgebrachten Mut ohnehin gefeiert werden (auch wenn ich mich frage, was für ein „Mut“ das sein soll…), und ich erwarte von „unserem“ Lager, sich nicht blinder Empörungswut hinzugeben, denn damit legitimierte man die großtuerische Tapferkeit dieses Mannes auch noch. Die Frage, die mir nach dem Anschauen des Videos am meisten unter den Nägeln brannte, war: „Ist das alles?“

Seit längerem schon beobachte ich, dass ein Großteil zeitgenössischer Kunst nichts anderes mehr kann, als den Zuhörer mit irgendwelchen zweitklassigen Moralpredigten zu belästigen. Dass zeitgenössische Kunst überhaupt noch etwas kann, grenzt ja schon an ein Wunder, aber warum um alles in der Welt müssen sich ihre Erschaffer samt deren Publikum dabei vor allem an der Zurschaustellung ihrer mickrigen Sklavenmoral ergötzen? Sind sie denn nicht zu mehr im Stande?

Ein paar Tage lang beschäftigte mich diese Frage, und da las ich zwei Sätze, die der deutsche Philosoph Oswald Spengler in seinem Opus Magnum „Der Untergang des Abendlandes“ darnieder schrieb:

„Nur in der Geistigkeit der großen Städte wird der Ausdrucksbetrieb vom Mitteilungsbetrieb überwältigt. […] Daraus entsteht jene Tendenzkunst, die belehren, bekehren oder beweisen will, seien es politisch-soziale oder moralische Ansichten, und gegen die sich in der Formel „l’art pour l’art“ dann wieder weniger eine Übung als eine Meinung auflehnt, die sich der ursprünglichen Bedeutung des künstlerischen Ausdrucks wenigstens erinnert.“

Tendenzkunst

Der ganze moderne Kunstbetrieb besteht zumeist aus nichts anderem als das, was Spengler hier „Tendenzkunst“ nennt. Es der Ausdruck einer niedergehenden „Seele“, um bei Spenglers Termini zu bleiben, des Winters einer Hochkultur, das Sinnbild einer großstädtischen Zivilisation. Und: Diese „Tendenzkunst“ kann nichts anderes. Sie ist entweder nicht mehr in der Lage oder nicht mehr willens, höhere Werke zu schaffen, Größe zu suchen oder die Maske der Moral abzulegen.

In den Zeiten der „Tendenzkunst“ wird eher derjenige zum Künstler, der sich durch moralische Reinheit zu profilieren weiß als durch sein handwerkliches Geschick oder dem Ausdruck seines tiefsten Innern, seiner Seele (das ist das Kokettieren mit der herrschenden Moral zumeist nicht, und wenn nur das wäre, so wäre das ziemlich erbärmlich…).

Weiterhein suggeriert die Frage „Ist das alles?“ noch ein anderes Merkmal der „Tendenzkunst“: Sie ist langweilig! Furchtbar langweilig! Ich verstehe nicht, wie ein angeblich großer Geist seine Freude daran haben kann. Es soll mir beim besten Willen niemand weismachen, dass jemand beim Hören von Danger Dans Track oder ähnlich sklavenmoralschwangerer Musik dieselbe tiefe, innere Freude empfindet, wie ich sie beim Hören einer Bachfuge empfinde!

Bloß ein weiterer NPC

Und gerade heute wird einem auch nichts Neues mehr geboten, es ist immer dasselbe: „Kapitalismus schlecht“, „rechts böse“, „wir schuldig“, „braune Loide arm“ usw., und wäre das nicht schlimm genug, werden vor lauter pseudosittlicher Trunkenheit die Grenzen der Weltbilder der unliebsamen, politischen Gegner verwischt; so bezeichnet Danger Dan in seinem Song Alexander Gauland als Nationalsozialisten (von der Unsinnigkeit dieser Aussage hinsichtlich ideologischer Aspekte mal abgesehen, wer wird wohl dadurch mehr beleidigt: Der NS-Ästhetik und -Ideologie verabscheuende Gauland, oder die Nationalsozialisten, denen auf einmal dieser anglophile, neokonservative Gentleman in die Reihen gestellt wird?).

Zurück zu Spengler: Er schreibt in dem oben zitierten Satz von Künstlern, die sich auf die „Formel „l’art pour l’art““ (für die Frankophoben unter euch: das heißt „Kunst um der Kunst Willen“) berufen, um gegen die „Tendenzkunst“ zu rebellieren. In dieser Gruppe fühle auch ich mich heimisch. Aber Spengler erkennt, wenn man das oben geschriebene genau liest, auch bei diesen Leuten ein Problem: Diese sind nämlich nicht mehr in der Lage, den ursprünglich Geist ihrer Kultur, ihrer Seele widerzugeben.

Sie stehen wie die ersten Tendenzkünstler am Übergang vom Herbst zum Winter einer Kultur, sie spüren den Verfall, sehen ihn vor sich, und versuchen mit aller Kraft, dem entgegenzuwirken. Aber schaffen sie es?

Eine letzte These zum Abschluss: Sobald die Kunst zur „Tendenzkunst“ wird und sie damit die flache, weltliche Moral in den Vordergrund stellt, anstatt, wie in der Hochphase unserer Kultur, ein gut ausgewogenes Verhältnis zwischen hoher, transzendenter/göttlicher Moral, handwerklichem Schaffen sowie Demut vor der Sache an sich, zu etablieren, verliert sie ihre Größe. Ihr Dasein wird nur noch auf einfache Belange der menschlichen Existenz reduziert: Anstatt den Menschen zu erheben und wachsen zu lassen, sich mit ihm auf höchster Ebene zu verschmelzen, dient die Kunst nur noch zur Ergötzung, zur Befriedigung niederer Triebe, sie soll nur noch über die Leere des abendländischen Seelenwinters hinwegtäuschen.

Aber keine Sorge, das Beste, was wir tun können, ist, dem hohen Ideal nachzueifern; und wer weiß, vielleicht wird sich eine neuerwachte Kultur in ihrem Frühling oder Sommer von unseren Werken und Taten inspirieren lassen, auch wenn sie nie in der Lage sein wird, sie vollständig nachzuvollziehen, sodass unser Tun in den Zeiten des Niedergangs nicht umsonst gewesen sein wird!

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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