Dunkel
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Die Brasilianisierung Europas

3. Mai 2021
in 3 min lesen

Von Ferdinand Vogel

In Berlin werden nur wenige Sozialwohnungen gebaut. Wenn überhaupt noch gebaut wird, sind es große Investoren, die den roten Volkszorn der „Enteignen-Fraktion!“ auf sich ziehen, weil sie Berlin mit immer exklusiveren Eigentumswohnungen voll stellen, die sich der Normalverdiener in der Hauptstadt gar nicht leisten könnte.

Und selbst die Gutverdiener der Stadt, die auf den gut bezahlten Posten in der linken Verwaltung sitzen oder sonst irgendwie vom Zeitgeist profitieren, also mehr als ihre 1500 Netto jeden Monat nach Hause bringen, werden bis an ihr Lebensende die 75m² Wohnung im Stadtzentrum abzuzahlen haben. Aber wer kann, der kauft. Oder er mietet sich zu horrenden Preisen in angesagte Immobilien ein. Dabei ist ein Trend kaum zu übersehen: Sicherheit und Exklusion.

Gated Communities sind längst im Trend

Überall in Berlin, egal ob in den Kernbezirken oder am Rand, entstehen Wohnblöcke, die das Gefühl vermitteln, dass es sich um eigene Lebensräume, ja interurbane Habitate einer anderen Klasse innerhalb der eigentlich eher armen Hauptstädter handelt. Am Gleisdreieck stehen alabasterfarbene Fassaden auf steinerne Sockeln, umringt von Ziegelsteinmauern und zwei Meter hohen Stahlzäunen, hinter denen die mit Kameras überwachten Glasfassaden Einblick in das Innenleben hochmoderner Wohnräume bieten, die, gemessen am Publikum des nahen urbanen Spielplatzes, offensichtlich zu 99% europäische Weiße sind.

Durchaus ein internationales Grüppchen, aber allein dem Kleidungsstil und den parkenden Autos zu urteilen eines, das sich einen Range Rover und einen Tesla eben leisten kann. Keine 200 Meter weiter liegen an einem anderen Eck der Nachbarschaft zugedröhnte Obdachlose zwischen dem Müll der Stadt und unterhalb der grollenden Bahngleise, die ja oberhalb der Köpfe verlegt wurden.

Auch am Rand, beispielsweise nun auch im Osten von Berlin, kann man eine ähnliche Entwicklung sehr genau beobachten. Neubauten, darunter auch schöne Einfamilien- und Reihenhäuser, kommen gleich mit dunklen, blickdichten und hohen Stahlzäunen. Schildchen weisen auf die Anwesenheit eines in der Nachbarschaft verkehrenden, eigenen Sicherheitsdienstes hin. Die Einfahrten sind verriegelt, dunkle Kugelkameras hängen in den Ecken.

Das gleiche am Hauptbahnhof in der Seydlitzstraße. Keine 500 Meter von der Turmstraße, der Justizvollzugsanstalt, dem Drogenpark von Moabit und den berüchtigten Clangebieten und islamistischen Moscheen entfernt, in denen ja auch Amri zu Gast war, wohnen gut betuchte Bürger in weißen Reihenhäuschen mitten am Ghetto. Kameras und hohe Stahlzäune schirmen auch hier die heile Welt der in den klein geschnittenen Gärten spielenden Kinder vom Rest der Nachbarschaft ab.

Die Segregation verläuft nicht nur entlang der Einkommenshöhe…

Auf dem nahen Spielplatz vor der JVA dominieren Kopftuchfrauen das Bild. Ihre Familie gehören wahrscheinlich zu dem Teil der Bevölkerung, die nicht in den weißen Reihenhäuschen mit Kleingarten und Dachterrasse wohnen. Weiter die Lehrter Straße herunter kann man auf der rechten Seite in Richtung Perleberger das gleiche Bild sehen. Hohe Mauern schützen eine ganze Reihe riesiger Neubauwohnblöcke, die wie in einem eigenen Kiez vom Rest der Straße abgesondert stehen.

Es würde reichen ein stählernes Tor zwischen die Mauern zu setzen, um das Wohngebiet hier vom Rest der Außenwelt zu isolieren. Setzt man noch einen Wächter in ein Wärterhäuschen und lässt die Amazon-Pakete dann via Schleuse eintrudeln, wäre die „Gated Community“ beinahe perfekt.

Diese Tendenzen hin zur Exklusion, zur Selbstisolation der besser verdienenden Bürger, ist ja nichts neues. In Deutschland hat man diese Entwicklungen schon vor zehn Jahren langsam in einigen westdeutschen Ecken wie Essen, Hanau und andernorts sehen können.

Im SWR berichtete man bereits 2018 über diesen Trend hin zur Gated Community. Immer mehr Firmen würden auf den Bedarf und diese Nachfrage nach Sicherheit und Isolation der Gutverdiener reagieren. Modellprojekte stehen bereits in vielen Städten und scheinen sich, wenngleich kaum vergleichbar mit Südamerika, durchzusetzen.

Atomisierung der Gesellschaft

Aber wo heute ein Trend ist, mag Morgen schon die neue Normalität sein. Ähnlich wie in Südafrika, den USA oder Südamerika bewegt sich auch Westeuropa mehr und und mehr in Richtung einer atomisierten Gesellschaft, in der soziale, ethnische und religiöse Gruppen ihre eigenen Enklaven aufbauen und sich zunehmend vom Rest der Bevölkerung isolieren wollen.

Reiche mit Reichen, Linke mit Linken, Rechte mit Rechten, Muslime mit Muslime, Christen mit Christen. Oder linke Reiche mit linken Christen, die auch wohlhabend sind. Kombinationen sind möglich und werden auch zur Norm gehören.

Wahrscheinlich werden wir in zwanzig Jahren, wenn derzeitige Trends bezüglich Zuwanderung und soziale Verschiebungen (sterbende Mittelschicht) anhalten, einen westlichen Teil Europas haben, in dem der Unterschied zu Brasilien oder Venezuela nur im Wetter und der Verbreitung von scharfen Soßen besteht. Reiche, die die Negativentwicklungen des Landes ausblenden wollen, an denen sie wahrscheinlich selbst einen großen Anteil haben, werden in eigenen Kommunen ein Leben in relativer Zufriedenheit leben, während weite Teile der Hauptstädte und Großstädte zu einer Art großen Favela werden.

Und auch dort wird es dann Enklaven der Gutverdiener geben, die sich mit hohen Mauern und Panzerglas innerhalb der hippen Gebiete ihrer Städte vom Rest des Volkes isolieren können. In Frankreich sind solche Areale längst gelebte Realität und Normalität.

Sie nennen es “Vielfalt”

Angesichts dieser Verwerfungen ist es fast schon Hohn von Gemeinschaft oder „Volk“ zu sprechen. Diese für jede Demokratie und halbwegs partizipatorisch-freiheitliche Gesellschaft schädlichen Entwicklungstendenzen stehen scheinbar in keinem ideologischen Widerspruch zur „schönen neuen Welt“, die vor allem von Links immer wieder verkündet wird.

Völlig egal scheint dabei, wenn sich das Staatsvolk in „Staatsvölker“ dividiert und jegliche Kommunikation bzw. Verständigung untereinander schon aufgrund der großen sozialen Unterschiede nahezu unmöglich gemacht wird. Kommen noch sprachliche, kulturelle und religiöse Unterschiede hinzu, wäre die totale Atomisierung der Gesellschaft vollendet.

Bis zu seinem logischen Ende gedacht, wäre dies das Ende der Demokratie und der Beginn einer neuen Oligarchie.

Gastautor

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