Seit über einem Jahr dominieren die Corona-Maßnahmen den Alltag eines jeden Bürgers der Bundesrepublik. Die Maskenpflicht gilt hier und dort, Kontaktverbote wurden immer wieder ausgesprochen und nun befinden wir uns seit über einem halben Jahr im Dauerlockdown mit Ladenschließungen und inzwischen auch deutschlandweiten Ausgangssperren.
„Ich bleibe Zuhause, um mich und andere zu schützen“, lautet der Slogan, den Journalisten, Politiker und Prominente seit Beginn der Pandemie öffentlichkeitswirksam rauf und runter beten. Während die Tagespresse dauerhaft mit Meldungen über Inzidenzwerte, unsolidarische Mäßnahmenverweigerer und Mutanten überflutet wird, fällt ein wichtiges Thema komplett unter den Tisch: wie steht es um all jene, für die „Zuhause“ der letzte Ort ist, an dem sie sicher sind?
Letzte Woche veröffentlichte das Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen ein erstes Lagebild zu Fällen von häuslicher Gewalt im Pandemie-Jahr. Allein in NRW wurden im vergangenen Jahr 29.115 solcher Delikte angezeigt. 70 Prozent der Opfer waren weiblich. Im Vergleich zu 2019 stieg die Zahl um 7,7 Prozent an.
In mehr als 10.000 Fällen handelte es sich um Übergriffe in Partnerschaften oder auf Ex-Partner, 4,5 Prozent der Straftaten bezogen sich auf sexuellen Missbrauch von Kindern und Misshandlungen.
100 mal kam es zu versuchtem oder vollendetem Mord. Für 44 Personen endeten die Taten tödlich, darunter 29 Frauen und 15 Männer. Die Aufklärungsquote bei häuslicher Gewalt liegt bei über 99 Prozent. Insgesamt wurden 27.543 Tatverdächtige ermittelt. 76 Prozent von ihnen waren männlich, rund ein Drittel ohne deutschen Pass.
Im vergangenen Jahr erreichten die offiziellen Fallzahlen in NRW einen neuen Rekordwert. Die Dunkelziffer liegt voraussichtlich noch viel höher. Trotzdem wollten sich weder das LKA noch der NRW-Innenminister Reul konkret zu möglichen Zusammenhängen zwischen Corona-Maßnahmen und dem Anstieg von häuslicher Gewalt äußern.
„Vielleicht sind es die räumliche Enge und die fehlende Möglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen – vielleicht auch der gestiegene Alkoholkonsum“, so die Erklärung Herbert Reuls.
Während Maßnahmen gerade im Zuge der Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes weiter verschärft wurden, sind es vor allem die Opfer von häuslicher Gewalt, die nicht bedacht werden und mit nächtlichen Ausgangssperren nur noch weniger Spielraum haben ihren Peiniger zu entkommen.