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Eier, wir brauchen Eier!

11. Mai 2022
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Neuer Schwung kam in den letzten zwei Wochen ins deutsche Politikgeschäft, und zwar in einer Form, die dem RTL2-Niveau des ganzen Kasperletheaters durchaus angemessen ist. Die Clowns wurden mit Eiern beworfen, namentlich die Annalena und die Franzi. „Sag mal, spinnt ihr?!“, schallte es von der Bühne in einem Erzieherinnen-Ton, der den Übeltätern volle zehn Minuten auf der stillen Treppe verhieß, so wahr wir hier in der Kita Kunterbunt sind.

Da der Cholesterin-Beschuss noch nicht in die Wikipedia-Liste rechtsextremer Terroranschläge aufgenommen wurde, gehe ich jetzt mal vorsichtig davon aus, dass es versprengte Teile des eigenen Klientels waren; Altlinke, die noch nicht so ganz mitbekommen haben, dass der ganze Pazifismus-Krempel der vorangegangenen Jahrzehnte nur Spaß war und nun „aus der Zeit gefallen ist, wie Scholz es bei eben jenem Auftritt formulierte, den Giffey abgeschirmt von Plexiglasschilden des Sicherheitspersonals verbringen musste. Vielleicht waren die Eier ja auch befruchtet und man wollte ein Zeichen gegen den geplanten Widerruf der Grundsatzentscheidung zu Abtreibungen „Roe v Wade“ seitens des Obersten Gerichts der Amerikaner setzen, aber wer weiß.

Entsprechend verhalten auch die Reaktion der Medienhäuser, einen zweiten Lübcke will man da bisher noch nicht draus stricken. Ein Zehchen strecken „Merkur“ und „Spiegel“ trotzdem schon mal in die trübe Suppe der Instrumentalisierung aus; hier spricht man so vage wie möglich von „sogenannten Querdenkern unter den „Demonstrierenden, die beteiligt gewesen sein könnten. „Querdenker“, soso. Wie hat das alles überhaupt noch mal angefangen? Ach ja, diese Corona-Protestbewegung. Die von der Presse so brachial in den Morast gezerrt wurde, dass ihr verbrannter Name von da an einfach für jeden gebraucht wurde, der zu den Verordnungen nicht Ja und Amen sagte. „Querdenker“ scheint nun also einfach Journalistenjargon für alle geworden zu sein, die unabhängig vom Themenfeld nicht auf Linie sind, in diesem Fall eben bei Waffenlieferungen. So kann man das Ganze dann auch wieder unterschwellig zu einem Argument für die nächste Milliarde gegen rechts machen, selbst wenn es Zeckenpeter aus dem Jugendzentrum war, der noch zwei Agenda-Updates hinterherhinkt, weil er einen Monat die „heute-show“ verpasst hat.

Die erbärmlichste Figur aller gab hier aber diesmal die Post-Reichelt-„Bild“ ab: „Baerbock bleibt bei Eier-Attacke einfach cool“, titelte diese basierend auf dem Ausbleiben eines Weinkrampfes auf offener Bühne und schrieb weiter: „Doch die Außenministerin wich gekonnt aus – und setzte ihre Rede dann ungerührt fort. Baerbocks cooler Konter: ‚Ihr könnt so viele Eier werfen, wie ihr wollt.‘“ Wie man sich diese Schleimerei wohl zu erklären hat? Ist es einfach der Transatlantiker-Kurs der „Bild“ und die Anti-Waffenlieferungs-Einstellung der Eierschmeißerin, die einen dazu verleitete, hier eine Art Heldensage draus zu weben? Oder will man sich nun ganz generell wieder auf ganzer Linie anbiedern, ähnlich wie 2015 unterm „Refugees Welcome“-Banner?

Was den Akt des Eierwerfens an sich angeht: Als eine größere Figur des rechten Lagers nach der anderen vor wenigen Jahren Milchshakes in die Fresse geworfen bekam, teilweise mit Zement vermengt, als Burger King in Großbritannien auch noch dafür warb, Nigel Farage mit ihren Milchshakes zwangszubeglücken, oder als Robert Wagner von der staatlich finanzierten Amadeu Antonio Stiftung Belohnungsgeld für denjenigen sammelte, der Martin Sellner mit einem solchen erwischt, da fand die Presse das doch noch so lustig und die Aufregung übertrieben oder hat es ignoriert.

Sam Harris nannte den Trend damals „mock assassinations“, also „Verspottungs-Attentate“, und traf es damit, finde ich, ganz gut: Man offenbart die Verwundbarkeit der angegriffenen Person. Wenn du nahe genug an jemanden herankommst, um ihm einen Milchshake ins Gesicht zu werfen, dann wären wohl auch andere Mittel möglich und durchführbar. Dasselbe gilt für die Eier – jedoch gilt ebenso: Gleiches Recht für alle. Geschah es uns, ernteten wir aus dem Mainstream nichts als schadenfrohes Gelächter und die Täter Schulterklopfer verschiedener Ausformungen. Und wären es nicht zwei Presselieblinge, sondern irgendjemand im Dunstkreis der AfD gewesen, dann würde Edeka gerade einen augenzwinkernden Werbespot für reduzierte Freilandeier senden und der „Spiegel“ Artikel über die „hysterische Reaktion der AfD“ auf diese harmlosen Späßchen verfassen, darauf können wir Dioxin nehmen. So soll es dann eben sein, dann ist das wohl ein probates Mittel im politischen Miteinander.

Tatsächlich bin ich selber kein unbeschriebenes Blatt im Eierweitwurf: 50 Sozialstunden musste ich als Jugendlicher mal ableisten, weil ich den stellvertretenden Leiter meiner Schule mit ebensolchen traf. Das und die Reinigung seines schwulen Anzugs durfte ich ihm selbstredend zahlen. Natürlich tat ich das nicht einfach so, dem ging eine lange Eskalationsspirale voraus, die hier den Rahmen sprengen würde. Die Befriedigung wohlplatzierter Frühstücksproteine kann ich also durchaus nachvollziehen, auch wenn ich für solche Spielchen langsam etwas alt bin. Schön zu sehen aber, dass augenscheinlich der eigene ideologische Nachwuchs der Grünen diese Tradition am Leben hält und sie sich dafür als menschliche Zielscheiben anbieten dürfen. Denn wenn schon alles zur großen Clownsshow verkommt, dann doch bitte auch mit fliegenden Eiern und Törtchen.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."

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