In den Jahren meiner Politisierung, zwischen 2014 und 2017, kursierte ab und an die Parole āAntiracist is code for antiwhiteā ā āAntirassistisch ist ein Code für antiweiĆā im Internet. Das ist aus heutiger Sicht so akkurat, wie es sich in fünf Worten zusammenfassen lƤsst. Aber natürlich wird so ein eingƤngiger Slogan selten der KomplexitƤt unserer Welt gerecht. Daher will ich mich mal daran versuchen, ihn in 35 Wƶrtern zu prƤzisieren: āRassismusā ist ein Freibrief für jeden NichtweiĆen, von jedem beliebigen WeiĆen (und der weiteren weiĆen Gesellschaft) jederzeit eine Geste der Demut und Unterwerfung einzufordern, unter der impliziten Androhung sozialer Vernichtung und beruflicher Konsequenzen bei Ungehorsam.
Diese Regel erfüllt sich manchmal überraschend wƶrtlich: Aus dem Sommer 2020, wƤhrend der groĆen BLM-Hysterie und damit einhergehender medial gefeierter und befeuerter Ausschreitungen, die in den USA unzƤhlige Existenzen in Flammen aufgehen lieĆen und mehr als 30 Todesopfer forderten, kursieren Parodievideos im Netz, in denen zufƤllig ausgewƤhlte weiĆe Frauen von jemandem, der sich als BLM-ReprƤsentant ausgab, auf offener StraĆe aufgefordert wurden, sich für die Sünden ihrer Rasse hinzuknien. Viele taten es. Satirisch ist an diesen Videos nur die Aufforderung; die Reaktionen der Frauen sind augenscheinlich authentisch.
Minus den Zusatz āzufƤllig ausgewƤhltā passierte dasselbe auch dutzendfach auf gigantischen Bühnen und ohne satirischen Kontext. Sportler, Stars und Polizisten knieten, so auch die Italiener im Finale der EM, in deren Mannschaft aber wohl nicht alle von dieser Idee begeistert gewesen waren. Der Kommentar in der ZDF-Ćbertragung daher: āHoffentlich mit Ćberzeugung: Die Italiener gehen mit in die Knie.ā
Es war die ritualisierte Zurschaustellung einer rassischen Weltanschauung analog zu Antisemitismus: WeiĆe sehen sich als Herrenrasse, ob bewusst oder unterbewusst, und halten alle anderen daher systematisch unten. Ihre Verachtung alles Nicht-WeiĆen bricht sich zudem immer wieder in der offenen Feindseligkeit Einzelner Bahn, welche dann in groĆen Medienereignissen als exemplarisch für die weiĆe Gesellschaft angeklagt werden kann, so wie Ende letzten Jahres beim Drittligaspiel MSV Duisburg gegen VfL Osnabrück.
Die Osnabrücker Spieler Florian Kleinhansl und Aaron Opoku standen nahe der Eckfahne; Opoku befand sich einige Meter weiter im Spielfeld, Kleinhansl hatte sich den Ball geschnappt und war damit aus dem Toraus Richtung Eckfahne unterwegs, um die Ecke auszuführen. Opoku stand dort, wo man ihn erwarten würde, wenn die Ecke von Kleinhansl mit einem Pass auf ihn kurz ausgeführt werden würde.
Daraufhin passierte etwas, worüber in den folgenden Tagen rauf und runter berichtet werden sollte: Opoku fing an, wild gestikulierend auf den Linienrichter einzureden. Er hatte einen Ruf aus den ZuschauerrƤngen gehƶrt: āDu Affe kannst doch auch keine Ecken schieĆen.ā Diesen bezog er offenbar, obwohl er gut sichtbar nicht im Begriff war, die Ecke auszuführen, nicht nur auf sich, sondern auf seine Hautfarbe. Zudem wollte er, auf den Spruch folgend, Affenlaute aus dem gesamten Fanblock der Duisburger gehƶrt haben. Solche hƶrten dann auch Kleinhansl und der Linienrichter, wie sie spƤter Medien berichteten. Allerdings konnte niemand anders im Stadion gefunden werden, der diese Affenlaute bezeugen konnte, geschweige denn eine Handyaufnahme davon. Zeitungen wie die āFAZā lobten trotzdem den Spielabbruch und sein Zelebrieren mit dem Einspielen eines āantifaschistischen Liedesā durch die Stadionregie sowie āNazis Rausā-Rufen aus demselben Fanblock, der vorher ja offenbar nur das Hƶren des Wortes āAffeā davon entfernt gewesen war, beim Anblick eines Schwarzen in lautes āUh-uh-uhā-Gebrüll auszubrechen.
Was damals schon klar war, wurde nun, nach einmonatiger Untersuchung, von der Polizei bestƤtigt: Der Affenspruch war nicht Opoku, sondern dem weiĆen Kleinhansl gewidmet (was natürlich wiederum vollkommen okay ist) und die Affenlaute Opokus Fantasie entsprungen. Die einzigen anderen beiden, die diese gehƶrt haben wollten, waren wohl entweder so eingeschüchtert vom unvorteilhaften Stand von Angehƶrigen ihrer Rasse in unserer Gesellschaft, dass sie aus Selbstschutz das Theater mitspielten, oder sie waren zu einem Grad vom medialen Rassismusgetƶse mitgenommen, dass ihr Verstand ihnen einen Streich spielte, als Opoku ihnen vor Entrüstung bebend diese Lüge ins Gesicht brüllte.
Konsequenzen für Opoku, der so sein Ansehen und seine Bekanntheit trotz Auffliegen der Lüge ordentlich āboosternā konnte, wird es nicht geben. Sogar der über den für seinen Lieblingsverein entstandenen Imageschaden erboste Duisburger Rechtsanwalt Dr. Donat Ebert, der Anzeige gegen den Linienrichter und gegen Kleinhansl stellte, weil sie die Affenlaute bestƤtigt hatten, lieĆ ihn in seinem juristischen Rundumschlag aus. Kleinhansl aber, so forderte er vom DFB, solle für den Rest der Saison gesperrt werden. Noch mal: Opoku erfand diese Affenlaute. Und hƤtten sie gesagt: āDu siehst Gespenster, Opokuā, was wƤre dann wohl auf sie zugekommen? Ein Preis für Zivilcourage?
Die Antirassismus-Zeremonie, die sich bei solchen āSkandalenā eingebürgert hat und welche auch hier für das Rückspiel, das heute in einer Woche stattfinden soll, rasch von beiden Vereinen als āgemeinsames Zeichen gegen den Hassā angekündigt wurde, soll es trotzdem geben. Duisburgs Trainer freut sich, erleichtert darüber, diese jetzt, da sich der Anlass ja eigentlich erübrigt hat, noch unbeschwerter abhalten zu kƶnnen, nach eigener Aussage gleich noch mal so sehr darauf.