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Autoritärer Liberalismus oder libertärer Antiliberalismus

11. Juli 2024
in 2 min lesen

Heute möchte ich eines der Missverständnisse ausräumen, die für die meiste Reibung im dissidenten Lager sorgen: das Feindbild des Liberalismus. Insbesondere Libertäre interpretieren negative Bezüge auf diesen häufig als Bekenntnis gegen den Grundwert der Freiheit und die Ankündigung, wenn sich der Wind gedreht hat, von rechter Seite her Leuten den Mund verbieten sowie ihr Leben durchleuchten und überwachen zu wollen. Die Wahrheit ist: Es geht im Kern um einen pervertierten Freiheitsbegriff, um den liberalen Kampf gegen starke kollektive Identitäten. In dem die Liberalen selbst inzwischen inflationär autoritäre Machtmittel einsetzen.

Damit will ich kein Narrativ in Richtung „die Antiliberalen sind die wahren Freiheitsbeschützer“ spinnen. Ob man autoritär oder freiheitlich eingestellt ist, wird von der Einstellung zum Liberalismus überhaupt nicht berührt, weil die liberale Definition von Freiheit nichts mit Freiheit zu tun hat. Ein Liberaler kann der Auffassung sein, dass Andersdenkende systematisch enttarnt und in einer Reihe an der Wand aufgestellt gehören, und ein Antiliberaler kann denken, dass der freie Diskurs heilig und staatliche Machtmittel (oder sogar gesellschaftlicher Druck) des Teufels sind. Und andersherum. Aber zunächst: Was ist Liberalismus?

Liberalismus ist die Auffassung, dass feste, nicht frei ausgesuchte, sondern aus den natürlichen Gegebenheiten hervorgegangene Identitäten, wie sie etwa aus Abstammung, Familie, Nation und Geschlecht resultieren, böse sind und das Individuum von ihnen befreit werden muss. Das angestrebte entwurzelte Geschöpf, dem egal ist, wer oder was es ist und wo es herkommt oder hingeht, solange es sich die Soße zu seinen Regenbogenpommes ganz individuell und selbstbestimmt aussuchen kann, lebt die Freiheit, die dem Liberalismus seinen Namen gibt. Das Verhältnis eines Liberalen zu dem, was ein normaler Mensch „Freiheit“ nennen würde, hängt davon ab, wie weit er bereit ist, zu gehen, um dieses Ideal Fleisch werden zu lassen.

So würden einige Liberale es gutheißen, in Kinderköpfen (über die ihrer Eltern hinweg) an staatlichen Einrichtungen den Gedanken zu kultivieren, dass es ihr Volk gar nicht gibt und ihr Geschlecht nur eine frühkindlich geprägte Rolle in ihrem Kopf ist, die vielleicht gar nicht dem entspricht, wie sie wirklich im Innersten sind.

Dieses „wirklich im Innersten irgendwie sein“ ist das zentrale Paradox des Liberalismus, denn darauf, was wir überhaupt sind, hat er überhaupt keine Antwort. Wir sind nicht unsere Gene, das wäre biologistisch. Wir sind auch nicht unsere Kultur, die kommt von außen, und alles Äußere wird zugelost. Wir sind ein unbeschriebenes Blatt, das zum Papierflieger gefaltet durch die Welt segelt und nach dem Zufallsprinzip Farbkleckse abbekommt. Wichtig ist aber, dass es sich diese Farbkleckse selber aussuchen kann. Dass es das dann sowieso nur aus einem „wahren Selbst“ heraus tun könnte, das von Zufall und noch mehr Zufall geprägt wurde und dessen Vorlieben und Bedürfnisse ebenso nur Ausdruck von Zufall wären, ist nebensächlich. Die Hauptsache ist, dass niemand versucht, diesem Zufall irgendeine Gestalt zu verleihen.

Um das mit liberalem Segen tun zu können, muss man sich als Beschützer der Individualität vor anderer Fremdeinmischung ausgeben. Hallo, liebe LGBTQIA2S+-Community, hallo, lieber Queerbeauftragter. Man muss behaupten, dass etwa Männlichkeit und Weiblichkeit „sozial konstruiert“, will heißen: illegitim und mittels Gehirnwäsche verbreitet sind, dann kann man mit durchaus brachialen Mitteln eine Gegenprogrammierung vornehmen, und die Liberalen halten einem die Tür auf. Stichwort: Crossdressing an Kitas mit Vierjährigen.

Spätestens im letzten Absatz wird klar: Die wirklichen Jünger des Liberalismus sind tatsächlich nicht die Woken, die Weißenhasser, die Buchstabenmafia. Sie besäen den fruchtbaren Acker, der nach der Brandrodung von allem, was westlichen Gesellschaften Struktur und Identität in relativem Einklang mit der Natur ihrer Mitglieder verliehen hat, übrig war. Ob der Liberalismus ein trojanisches Pferd jener war, die die heutige Clownsherrschaft und den quietschbunten Niedergang herbeigesehnt haben, oder graswurzelmäßig seinen Siegeszug antrat, überlasse ich anderen. Fest steht nur: Wie jemand zu der weltanschaulichen Autoimmunkrankheit mit dem Namen Liberalismus steht, berührt nicht einmal am Rande, wie autoritär oder freiheitlich er gesinnt ist.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."

6 Comments

  1. @Niki: Vielen Dank für deine Klarstellung.

    Gruselig was sich in diesem Umfeld an Sozialisten rumtreibt.

    Da kann man gleich den Grünen oder der SED die Macht geben.

    Sozialismus führt immer in den Untergang, egal ob Rot, Grün oder Braun.

  2. @NW: Und die Grünen bezeichnen sich selbst als konservativ, schließlich wollen sie die (Um)welt bewahren.

    Die fortschreitende Entwertung bewährter gängiger Begriffe raubt uns die Feinheit und Ausdruckskraft der Sprache, und das ist eines der wichtigsten und wirksamsten Mittel mit dem sich die Massen unterschwellig unterwandern und unbemerkt unterdrücken lassen.

    Im Gegensatz zu Ihnen (unter Erwachsenen ist in gepflegten Gesellschaften das „Sie“ die übliche Anrede, merk Dir das!) stelle ich mich konsequent gegen jeglichen geistesbeeinflussenden Neusprech, und dazu gehört die Neubesetzung aller möglichen Begriffe im propagandagenehmen Sinne dazu.

    Wer sie hingegen willig nachplappert ist nicht Teil der Lösung sondern Teil des Problems:
    Es liegt an jedem selbst was er davon sein will, und das zeigt sich tagtäglich!

  3. @Niki Es ist egal, ob die Identitätsauflösung, Ziel oder Nebenprodukt ist. Wenn eine Ideologie die Gesellschaft in diesem Ausmaß schädigt, muss sie weg. Wenn du liberale Menschen, die vielleicht noch bekehrbar sind, nicht verstoßen willst, kannst du ja vom autoritären Liberalismus als Problem reden. Kommunist passt auf jeden Fall nicht, denn die haben wirtschaftliche Vorstellungen, die Liberale für gewöhnlich nicht haben.

    @.TS. Jo und wer den Begriff Dachverband verwendet, ist bereits Nazimitläufer. Dinge brauchen einen Namen und die meisten Identitätsauflöser, nennen sich selbst liberal, deshalb ist dieser Begriff naheliegend. Gäbe es innerhalb der Liberalen Bewegung nennenswerten Widerstand gegen diese, hättest du einen Punkt, aber das ist nicht der Fall. Wenn du dich daran störst, solltest du vielleicht zur Tat schreiten und dies ändern!

  4. Muß man einem pervertierten Begriff weitere Verbreitung schenken indem man eben diese pervertierte Deutung verwendet und damit weiter verbreitet?
    Wer die Sprache des Gesinnungsregimes nachplappert hat sich diesem bereits untergeordnet!

  5. Treffend analysiert.

    Wir müssen die Ideologie des modernen Westens überwinden, so wir eine Zukunft haben wollen, in der es sich zu leben lohnt.

    Anders als die herrschende, linksliberale Clique gehen wir nicht vom Individuum als Ausgangsbasis aus, sondern vom Volk, vom Kollektiv.

    Sie wollen keine inneren oder äußeren Zwänge dulden, das Individuum soll keinen Einschränkungen unterliegen. Liberalismus ist damit auch Individualismus und öffnet Ausartungen jeglicher Couleur Tür und Tor.

    Wir hingegen wissen, dass eine Politik ohne Volk sinnlos, eine Politik gegen das Volk ein Verbrechen ist. Das Wohl des Volkes (nicht einer Klasse oder der Einzelmenschen im Volk) ist Grundlage für jede patriotische Politik.

    Für einen Robert Habeck jedoch gibt es kein Volk und damit auch keinen Verrat am Volk.

  6. Lieber Shlomo,

    ich sehe Liberalismus NICHT als Inbegriff der Identitätsauflösung und ich bin dagegen, dass Liberale als bewusst wollende Zerstörer von Identität bezeichnet werden, da es für mich zu ungenau ist. Der Liberalismus sorgt als NEBENPRODUKT für die Identitätsauflösung, aber nur ein Teil der Liberalen sind bewusst für die Abschaffung von Identitätsgefühl, Traditionsbewusstsein, sozialen Ordnungen, Religion etc. Der Philosoph Leo Strauss (ich kopiere hier z.T. Kram von Wikipedia) sieht in Liberalismus das Garantieren von Sicherheit, Wohlstand, Eigentum und freier wirtschaftlicher wie wissenschaftlicher Entfaltung, was nach Strauss für uns NICHT AUSREICHT ist, da Fragen nach dem richtigen oder gutem Leben, moralischen oder religiösen Fragen, und Fragen nach politischer und sozialer Ordnung verdrängt/privatisiert werden. Durch diese Abwesenheit in diesen Themen und den Wunsch nach Frieden/Pluralismus bestraft der Liberalismus die Identitäts-Kollektive, da ihre Wünsche und Ideen bezüglich Ordnung, Herrschaft, Gesetzen klein gehalten werden, um Pluralismus und Individualität zu wahren und irgendwie auf Zwang den Frieden aufrecht zu erhalten. Was es nicht bestraft und damit dann als Nebeneffekt befürwortet/belohnt, ist Hedonismus, Materialismus, Nihilismus.
    Ja, der Liberalismus der Moderne MUSS überwunden werden und der Staat/die Gemeinde muss zu einem gewissen Grad (und das muss gar nicht so viel sein) vorgeben, WIE man zu leben hat, aber jeder, die sich einfach nur Liberaler nennt, ist nicht der böse Feind, den du hier beschreibst. Ich glaube, ein genaueres Wort für die bewussten Identitätsabschaffer (Ich kann hier nur an das Wort „Kommunist“ denken) wäre hier angebracht.

    Alles gute weiterhin.

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