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Berlin – Volksentscheid des Scheiterns

30. März 2023
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Am Sonntag wurde in Berlin erneut gewählt: Dieses Mal durfte der Berliner Wähler jedoch nicht über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses abstimmen – wobei er im Februar ohnehin genug bewiesen hat, dass er die Schnauze endgültig voll hat und deshalb CDU gewählt hat –, sondern darüber, ob Berlin bis 2030 klimaneutral sein soll. Der Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ sollte die Stadtpolitik zwingen, ihre bis 2045 angesetzten Ziele in puncto Klimaneutralität schon bis 2030 umzusetzen. So sollten die Emissionen der Stadt bis 2030 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt, öffentliche Gebäude entsprechend saniert und umgebaut und Mieter bei anfallenden Kosten aufgrund klimaschutzbedingter Umbauten an ihren Wohnungen entsprechend entschädigt werden.

Solch ein Volksentscheid in einer Stadt wie Berlin, wo die Schickeria dem Zeitgeist und der Propaganda so treu ergeben ist wie sonst kaum in der Bundesrepublik – das sollte doch kein Problem sein, oder? Ja, das dachte ich auch – und wurde eines Besseren belehrt. Damit der Volksentscheid überhaupt hätte angenommen werden können, hätte ein Quorum von mindestens 25 Prozent der Ja-Stimmen erfüllt werden müssen – und zwar der Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten insgesamt, nicht nur der tatsächlichen Wähler. Zwar stimmten 50,9 Prozent der Wähler mit Ja, jedoch gab es eine Wahlbeteiligung von gerade mal knapp 36 Prozent, was bedeutet, dass nur 18,2 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja abstimmten – deutlich unter dem vorgegebenen Quorum. Damit sind die Befürworter des Volksentscheids krachend gescheitert.

Tatsächlich war der Entscheid am Sonntag umstrittener, als ich erwartet hatte: Von den großen Parteien, die auch im Abgeordnetenhaus vertreten sind, waren einzig und allein die Grünen Befürworter – und das auch erst kurz vor der Wahl in diesem Februar, wohl um noch ein paar Stimmen klimabewusster Wähler zu fangen. Nun machen wir uns nichts vor – bis auf die AfD waren die meisten Parteien nicht wegen ideologischer oder ökonomischer Bedenken dagegen, sondern aufgrund mangelnder Umsetzbarkeit. Selbst den (Noch‑) Koalitionspartnern Linke und SPD schien die Umsetzung der im Entscheid enthaltenen Forderungen unmöglich und unrealistisch. Was nicht heißt, dass sie keine Sympathien dafür haben – ihnen würde einfach nur das Wasser, in dem der Frosch sitzt, zu schnell heiß werden.

Beworben wurde das Projekt von allen möglichen Klimaschutzorganisationen – sei es Fridays for Future, Extinction Rebellion, oder auch „jüngere“ Parteien und Jugendorganisationen wie Volt oder die Jusos, sie alle standen dahinter. Am Samstag, einen Tag vor der Wahl, fand sogar ein von den Befürwortern organisiertes Demo-Konzert statt, unter anderem mit Musikern wie Annett Louisan oder Igor Levit, dem Hof-Pianisten der bundesrepublikanischen Elite.

35.000 Teilnehmer erwarteten die Organisatoren – von denen, laut Polizeiberichten, gerade mal 1.500 auch erschienen. Schon am Vortag der Wahl zeichnete sich also ab, dass ein größerer Erfolg für die Klimaschützer ausbleiben könnte. Dabei versprach sich das Vorzeige-Mädel der Klimabewegung, Luisa Neubauer, so viel: „Diese Abstimmung ist einzigartig, und Berlin könnte die Stadt werden, in der richtig losgelegt wird“, sagte sie laut „Stern“. Berlin hätte zum Vorbild und Signal für die ganze Welt werden können, so liest sich das – und zeigt die Verblendung dieser Leute auf. Als ob sich jemand außerhalb der westlichen Welt Berlin zum Vorbild nehmen würde…


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Die Wahlstatistiken zeigen derweil auf, wie schön sich Befürworter und Gegner des Volksentscheids aufteilen: Je mehr man Richtung Zentrum geht, desto mehr stimmten die Leute dafür, oder: desto wohlhabender sind sie, so dass die ökonomischen Unsicherheiten und die Teuerungen, die der Klimaschutz so mit sich bringt, sie weniger betreffen, und desto ideologisch gefestigter sind sie. Das ganze Klientel, welches die Propaganda am meisten aufgesaugt hat – akademisch geprägt und hochgebildet, aus dem oberen Mittelstand oder gar aus der Oberschicht und europäisch –, wohnt in den mittleren Stadtteilen.

Der Bezirk mit der meisten Zustimmung (und übrigens der einzige, der das Quorum erfüllen konnte (!)) war Friedrichshain-Kreuzberg. Dass das Quorum zum Beispiel im Bezirk Mitte nicht erfüllt werden konnte, könnte vielleicht auch am hohen nichteuropäischen Anteil der Bevölkerung liegen, der sich einen Dreck für Sachen wie Klimaschutz interessiert. Der Wahlbezirk mit der prozentual höchsten Ablehnung war währenddessen Marzahn-Hellersdorf im Osten der Stadt – der Heimatbezirk des berühmten AfD-Kochs Gunnar Lindemann. Ob das ein Zufall ist? Wohl kaum!

Das Scheitern des Volksentscheides scheint aufzuzeigen, dass Themen wie Klimaschutz trotz omnipräsenter Propaganda doch nicht so populär sind, wie einem das immer vorkommt. Wenn jedenfalls selbst in einem linken Drecksloch wie der Bundeshauptstadt ein solches Anliegen deutlich abgeschmettert wird – es sei noch mal daran erinnert: Man hätte bei Ablehnung eigentlich nicht zur Wahl gehen brauchen, da eh nur die Ja-Stimmen zählten; trotzdem haben sich 18 Prozent der Wahlberechtigten aufgemacht, um mit Nein abzustimmen –, dann ist das doch immerhin eine kleine „White Pill“, ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont, oder?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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