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Brüssel und der AfD-Rauswurf

28. Mai 2024
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Inzwischen sind die ersten Analysen da. Und die Kommentatoren sind sich einig, dass es ein selbstverschuldetes Fiasko mit Ansage war. Die AfD ist nun nicht mehr nur in Deutschland komplett isoliert, sondern auch in Brüssel. Sie steht alleine in der Ecke, keiner will mehr mit ihr – und sie ist selbst schuld! Nachzulesen etwa bei Tichy‘s Einblick, oder im Cicero; von den sich im Wahlkampf befindlichen Hauptstrommedien wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen.

„Warum die AfD auch für Europas Rechte unbrauchbar ist“, titelt etwa der Cicero und es folgt eine Litanei, über die Verfehlungen einer Partei im Allgemeinen und eines Max Krah im Besonderen. Und nun kann man natürlich mit Recht feststellen, dass es töricht war, sich, zumal kurz vor der Wahl, auf eine Debatte über die Verbrechen der SS einzulassen. Mit dem Versuch einer differenzierten Betrachtung dieser Thematik haben schon viele andere vor ihm Schiffbruch erlitten, man erinnere sich etwa an Martin Hohmann. Doch wahrscheinlich war er einfach in Schwung angesichts seiner vielfach bravourös geführten Interviews der letzten Wochen und einen offenen Charakter hat er auch, dieser Max Krah. Eine Entschuldigung ist das nicht unbedingt, aber vielleicht eine Erklärung.

Bei dieser ganzen Sache fällt allerdings auf, dass es nicht der politische Gegner war, der die Sache eskaliert hat, sondern der politisch Verbündete. Wenn Linke angesichts der Aussage, „nicht jeder, der eine SS-Uniform trug, war automatisch ein Verbrecher“ aufheulen, dann ist das zumindest erwartbar. Dass jedoch die rechten Parteien hier so empfindlich sind, nimmt doch ein wenig Wunder. Denn selbstredend ist diese Aussage nicht falsch. Das hatte sogar schon Konrad Adenauer in seiner Ehrenerklärung klargestellt, die auch für die Angehörigen der Waffen-SS galt, „soweit sie ausschließlich als Soldaten ehrenvoll für Deutschland gekämpft haben“. Ist eine differenzierte Sichtweise also erst mit der Zeit unmöglich geworden? Hat sich die deutsche und europäische Öffentlichkeit mit der Zeit also „radikalisiert“?

Die Fragen können gestellt werden, sie sind nicht einfach zu beantworten. Fakt ist aber, dass wer ein Europa der Vaterländer errichten möchte, auch den Deutschen einen differenzierten Blick auf seine Väter, Großväter und Urgroßväter erlauben muss – genau wie übrigens jede andere Nation einen differenzierten Blick auf ihre Geschichte haben sollte. Wer dies den Deutschen nicht zugesteht, sondern sich stattdessen lieber zu einem Bruch mit der AfD versteigt, will eben keine Begegnung auf Augenhöhe, sondern lieber eine fortgesetzte Politik auf deutsche Kosten. Denn selbstredend besteht die Gefahr, dass ein allzu selbstbewusstes Deutschland irgendwann den deutschen Status des mit Abstand größten Nettozahlers innerhalb der EU in Frage stellen könnte.

Nach der anstehenden EU-Wahl, so heißt es, wird ein großes Rechtsbündnis in Brüssel die Fäden ziehen, womöglich unter Einbeziehung so mancher Partei der sogenannten Mitte. Es ist durchaus zu erwarten, dass dieses Bündnis in mancherlei Hinsicht auf eine Mäßigung der EU hinwirken wird, etwa beim Thema Klimaschutz. Auch ein stärkerer Schutz der EU-Außengrenzen dürfte auf dem Programm stehen und insgesamt wird die Rolle der Nationalstaaten wieder etwas stärker betont werden. Vielleicht wird sogar das „Verbrenner-Aus“ gestoppt, doch eines wird es nicht geben: Das Ende oder auch nur eine Reduzierung der deutschen Nettozahlerschaft. Vielmehr dürfte diese ein integraler Bestandteil der Strategie aller europäischer Parteien – auch der rechten – sein, die in den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten nach der Macht greifen.

Alle Parteien Europas, insbesondere die rechtsgerichteten Parteien, machen in erster Linie Politik für ihr eigenes Land. Und es ist eben bezeichnend, dass sie für diese Politik auf die Einbindung deutscher Interessen, die einzig durch die AfD ernsthaft artikuliert werden, lieber verzichten. Wir sprechen über die Ausrichtung der EU-Politik für die nächsten fünf Jahre, über die Aufstellung der neuen EU-Kommission. Strategische Entscheidungen dieser Größenordnung werden nicht aufgrund einer Kollektivschuldfrage und auch nicht auf Basis eines einzelnen Interviews getroffen, sondern auf Basis von Interessen, auch wenn die deutsche Presse das nicht versteht oder nicht wahrhaben will. Und für die Entfernung der AfD und der wohlverstandenen deutschen Interessen aus Brüssel gibt es ein überragendes Interesse von linker wie von rechter Seite.

Es speist sich, wie gesagt, aus dem Interesse vieler Länder, weiterhin eine Politik zu Lasten Deutschlands zu betreiben, und es speist sich zudem aus dem Bestreben der CDU, ihrer Kommissionspräsidentin eine zweite Amtszeit zu verschaffen, ohne hierfür die Stimmen der AfD zu benutzen. Hierzu braucht man womöglich die Stimmen des übrigen europäischen rechten Lagers und man reicht ihnen die Hand, welche die bis dato ebenfalls isolierten Rechtsparteien gerne ergreifen, – wenn sie nur auf die AfD verzichten – was sie ebenfalls gerne tun. Alle gewinnen, nur nicht Deutschland.

Natürlich lässt es sich sowohl in Deutschland als auch in jedem anderen EU-Land bestens verkaufen, dass man nicht mit den „Nazis“ zusammenarbeitet, aber die AfD ist eben keine Nazi-Partei. Sie dient nur als Projektionsfläche für die alten Reflexe, die immer wieder bedient werden, weil es eben nützlich ist, auch wenn die selbsternannten EU-Euphoriker den friedensstiftenden Charakter der EU damit selbst untergraben, viel mehr als die patriotischen Parteien, denen sie diese Eigenschaft zuschreiben. Dass die AfD nun bei den kosmetischen Korrekturen, die das neue Mitte-Rechts-Bündnis vornehmen wird, außen vor bleibt, ist jedenfalls zu verschmerzen, denn ein echter Kurswechsel, dessen es bedürfte, ist ja ohnehin nicht gewollt.

Was bleibt ist, dass die AfD mit ihrer Forderung nach einem „Dexit“ goldrichtig liegt, für den es allerdings keine Mehrheiten geben wird. Insofern deutet alles darauf hin, dass Deutschland einfach weiter zahlt und irgendwann in einem sozialistischen „Bundesstaat EU“ aufgehen wird – eine Allianz zwischen Meloni, von der Leyen und Le Pen wird das jedenfalls nicht verhindern.

Hendrik Hagedorn

Der gebürtige Badener und Berlin-Immigrant Hendrik Hagedorn ist Diplom-Physiker und promovierter Ökonom. Als Kenner der „Österreichischen Schule“ kann er nicht nur behaupten, sondern auch beweisen, dass Sozialismus nicht funktionieren kann. Dass dies noch eines Beweises bedürfen könnte, wundert ihn jedoch jeden Tag aufs Neue, wenn er einen Fuß vor seine Tür setzt.

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