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Das Wort des Jahres ist einmal mehr das Unwort des Jahres

12. Januar 2023
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Es erscheint mir schon als eine typisch deutsche Sache, dem Bedürfnis freien Lauf zu lassen, Dinge wie das Wort, Unwort, Jugendwort oder Ähnliches des Jahres küren zu wollen. Zumindest ist mir Ähnliches nicht aus anderen Ländern bekannt. Erstmals 1971 wurde in der Bundesrepublik ein „Wort des Jahres“ bekannt gegeben: Das Adjektiv „aufmüpfig“ wurde dafür auserwählt, welches, ursprünglich in den bairischen Dialekten Bayerns und Österreichs beheimatet, im Zuge der 68er-Bewegung den restlichen deutschen Sprachraum eroberte.

20 Jahre später gab es dann das Unwort des Jahres, das als Sprachkritik auf besonders zynische oder „menschenverachtende“ Begriffe aufmerksam machen soll. „Ausländerfrei“ lautete es im Jahre 1991 und bezog sich auf die Ausschreitungen von Hoyerswerda, bei denen Neonazis ein Flüchtlingsheim angriffen. Gut, könnte der wohlwollende Leser sagen, das erste Unwort ist, gerade wenn man den Bezug auf den nationalsozialistischen Begriff „judenfrei“ bedenkt, ja nicht zu Unrecht genommen worden. Doch schauen wir ins Jahr 1993: „Überfremdung“ lautete da das Unwort des Jahres, laut Wikipedia ein „Scheinargument gegen Zuzug von Ausländern“. Tja, sehen wir ja heute, wie wenig „Schein“ in diesem Argument wirklich steckt, nicht? Und es geht so weiter: „freiwillige Ausreise“ (2006), „Herdprämie“ (2007), „betriebsratsverseucht“ (2009) – ab den 2010er Jahren wird’s noch schlimmer: „Sozialtourismus“ (2013), „Lügenpresse“ (2014), „Gutmensch“ (2015), „Volksverräter“ (2016), und schließlich 2022: „Klimaterroristen“.

Fällt Ihnen etwas auf? Alle Wörter bedienen den linken Zeitgeist – keine Sorge, als 2003 „Tätervolk“ gewählt wurde, bezog sich das auf die Affäre um angebliche antisemitische Äußerungen des damaligen CDU-Politikers Martin Hohmann, nicht darauf, dass damit das deutsche Volk an sich verunglimpft wurde. Da stellt sich also die Frage: Wer wählt eigentlich das „Unwort des Jahres“?

Ins Leben gerufen wurde das Unwort des Jahres vom Frankfurter (oh je…) Germanistikprofessor Horst Dieter Schlosser. Ursprünglich wurden sowohl Unwort als auch Wort des Jahres von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) herausgegeben. Für das Wort des Jahres gilt dies noch immer, doch bereits 1994, also drei Jahre nach der Einführung des Unwortes, gingen die Jury zur Ermittlung des Unwortes des Jahres und die GfdS getrennte Wege, seitdem ist Erstere als „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ unterwegs. Neben Schlosser bestand die Jury vor allem aus Sprachwissenschaftlern und, natürlich, Journalisten. Der Germanistikprofessor nahm 2011 den Hut, seitdem gibt es fünf dauerhafte Mitglieder und jeweils einen Gast pro Jahr. 2017 etwa war jener Gast die Streetart-Künstlerin „Barbara“, wohl gebürtig aus Berlin und damit dem linksliberalen Zeitgeist verpflichtet – daher wurden auch die „alternativen Fakten“ zum Unwort gewählt.



Und das Ziel dieser Jury, wie lautet das? Was soll mit der Wahl bezweckt werden? Auf der Netzseite des Unwortes des Jahres findet man Folgendes dazu:

„Die Reflexion und Kritik des Gebrauchs von Unwörtern zielt dabei auf die Sensibilisierung für diskriminierende, stigmatisierende, euphemisierende, irreführende oder menschenunwürdige Sprachgebräuche und auf die Verantwortlichkeit der Sprecher:innen im Hinblick auf sprachliches Handeln.“

Die Doppelpunkte verraten eigentlich genug über die Gesinnung der Jury. Eingesendet werden können die Nominierungen für das Unwort eigentlich von jedem, sofern folgende Kriterien erfüllt sind: Die Wörter müssen „gegen das Prinzip der Menschenwürde“ und „gegen Prinzipien der Demokratie“ verstoßen, „einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren, stigmatisieren und diffamieren“ oder „euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend“ sein.

Damit wäre doch schon alles gesagt, was die Intentionen der Jury betrifft, nicht wahr? Es geht hier um linke Kulturkritik, darum ging es von Anfang an. Dass es in der heutigen Bundesrepublik genug Beispiele für linke Sprachverschleierung gibt, steht außer Frage, wird aber von der Jury nie Beachtung finden. Dazu bedürfte es schon einer Art „Unwort von rechts“, um das zu realisieren: Da könnte man dann all jene Wörter aufzeichnen, mit denen die linksliberale Elite ihre Absichten oder Schwächen zu verschleiern versucht: „bunt“, „Vielfalt“, „offene Gesellschaft“, „Toleranz“, „Flüchtling“, „Mann“ (man bedenke: Wer ist der Täter, wenn in einem Zeitungsbericht über eine Vergewaltigung oder Messerstraftat von „Mann“ die Rede ist?), oder in Bezug auf die C-Krise „plötzlich und unerwartet“. Die Liste ist beliebig erweiterbar.

Tatsächlich hat der Publizist Manfred Kleine-Hartlage eine solche Liste mit insgesamt 145 Wörtern schon einmal in seinem Buch „Die Sprache der BRD“ zusammengestellt (erhältlich beim Verlag Antaios), das Werk ist jedoch mittlerweile fast acht Jahre alt und kann daher mit Unmengen an Unwörtern und Floskeln verlängert werden. Eine Neuauflage der „Lingua Rei Publicae Foederata“ wäre daher durchaus angebracht. Doch bis dahin müssen wir wohl die Selbstbeweihräucherung der Unwort-Jury ertragen – und die weltanschauliche Einstellung derselben sollte nun nicht mehr überraschen.

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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