Disneys reaktionäre Meisterwerke

13. Oktober 2022
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Wir alle kennen und haben doch diese Momente, wo wir, ermüdet vom Blick in den heranrückenden Abgrund, versuchen, uns in Nostalgie zu ertränken, und auf die schönen Momente unserer Kindheit und Jugend zurückblicken. Ein Teil meiner Kindheit sind die Zeichentrickfilme, die der Megakonzern Disney bis 2009 produzierte, ehe er das Zeichentrickhandwerk – das spätestens ab den 90ern ohnehin zunehmend durch Computertechnik unterstützt wurde – durch Animationen ersetzte.

An dieser Stelle möchte ich einmal eine Lanze für die Ästhetik des Zeichentrickfilms brechen: Welch starke und liebevolle Szenen hat man dort in langwieriger Arbeit erzeugen können! Die besten unter ihnen verdienen meines Erachtens den gleichen Rang wie die ikonischsten Filmszenen Hollywoods. Und Disney hat da kein Monopol: Filme von Don Bluth, dessen „In einem Land vor unserer Zeit“ mir besonders ans Herz gewachsen ist, oder aus dem Studio Ghibli sind ebenso, wenn nicht sogar noch viel mehr als Disney in der Lage, die Gipfel der Zeichentrickkunst auszureizen. Seien es die warmen, rot-goldenen Farben bei Bluth, die beim Konkurrenten Disney in dieser Form selten in einer solchen Anmut zu finden sind, oder die verwirrenden Mixturen aus der Fantastik japanischer Mythologie und der Darstellung brutaler Realität bei Hayao Miyazaki – man sollte Zeichentrickfilme keinesfalls als billige Unterhaltung für Kinder abtun.

Aber zurück zu Disney: Heutzutage zeichnet sich der Konzern als typischer Globohomo-Monopolist aus. Er kauft alles auf, was nicht bei drei auf dem Baum ist (zum Beispiel „Star Wars“), und verbreitet dabei die im Westen hegemoniale linksliberale Ideologie, wie wir sie kennen und lieben: LGBT-Propaganda, Multikulturalismus beziehungsweise Antirassismus und Dritte-Welle-Feminismus. Doch das war nicht immer so: Mein liebster Disney-Film war, mit Abstand, „Der König der Löwen“ von 1994. Neulich dachte ich über diesen Film nach, besonders über die Figur des Scar, des Bösewichts im Film und wortwörtlich schwarzen Schafs der Königsfamilie, und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Scar ist ein Linker!

„Blödsinn!“, denken sich die meisten, doch seht: Seine Familie bedeutet ihm nichts, er verachtet den Status quo und die Alte Ordnung, er begeht Königsmord, er nutzt die Niedersten der Gesellschaft für seine eigenen Machtinteressen aus, er führt eine Massenimmigration ins Geweihte Land gegen den Willen der dort ansässigen Bevölkerung herbei, er entmachtet in einer Art Revolution die Löwen (also die Aristokraten), er übernutzt das Land und ruiniert es damit wirtschaftlich, er wird am Ende von seiner eigenen Revolution gefressen (im wahrsten Sinne des Wortes), und, als Kirsche auf dem Sahnehäubchen, er führt das Geweihte Land in eine Hungerkatastrophe, die einige Bewohner desselbigen dazu veranlasst, zu fliehen.

Die guten Figuren des Films hingegen, allen voran die Löwen, repräsentieren auf ihre Weise eine hierarchisch-monarchische Ordnung: Da wäre Mufasa, der seinem Sohn und Thronfolger Simba den ewigen Kreis des Lebens nahebringt, eine Art göttliche Ständeordnung, in der jedes Lebewesen seinen Platz und seine Pflichten hat und in einem „empfindlichen Gleichgewicht“ zwischen den einzelnen Ständen steht, dessen Zerstörung zu Chaos und Unordnung führt – wie im Verlaufe des Films durch Scars Machtergreifung gezeigt wird. Mufasa nimmt seine Pflichten sehr ernst und ist ein guter und gerechter König, unterschätzt aber die umstürzlerischen Umtriebe seines Bruders Scar.

Mufasas Frau und Königin des Geweihten Landes stellt die stolze Aristokratin dar, die sich auch nach der „Revolution“ ihres Standes bewusst ist; von ihrem Schwager lässt sie sich weder einschüchtern noch erniedrigen. Simba, Königssohn und Thronfolger, überlebt den Mordanschlag seines Onkels, muss aber dafür ins Exil gehen. Er ist eine Mischung des verlorenen Sohnes aus dem Lukasevangelium und einer „Aragorn-Figur“, also eines Königs, der seinen rechtmäßigen Thron erst nach einer Prüfung wiedererlangen kann: Er lebt im Dschungel ein glückliches und sorgenfreies Leben und vergisst dadurch seine Bestimmung als „wahrer König“ (und damit seinen göttlichen Auftrag), wird sich dieser aber nach der Begegnung mit seiner Jugendfreundin und einer übernatürlichen Konfrontation mit dem Geist seines toten Vaters wieder bewusst. Er kehrt zurück, besiegt zusammen mit seinen Verbündeten Scar und dessen Anhänger und nimmt seinen Platz als „wahrer König“ über das Geweihte Land ein: Die Alte Ordnung kehrt zurück, das Land ergrünt wieder, Ende gut, alles gut.



Für einen Disney-Film der 90er-Jahre ist „Der König der Löwen“ eine erstaunliche Ausnahme. In dieser Zeit nämlich begann Disney, sich allmählich dem sich längst in den Universitäten und Medien eingenisteten linksliberalen Dogma zuzuwenden. „Aladdin“, „Pocahontas“, „Der Glöckner von Notre Dame“ – all diese Filme vertreten progressive Ideen: Emanzipation der Frau, Antirassismus und Gleichheit aller Menschen sowie Antiklerikalismus und Minderheitenschutz der nervigen Art. Von daher überrascht „Der König der Löwen“ sehr, so sehr, dass ich mich frage: War den Machern des Films bewusst, welche Botschaft sie vermitteln? War die reaktionäre Botschaft Absicht, oder bilde ich sie mir nur ein? Nun, Disney hatte durchaus Filme, die sich als konservativ beschreiben lassen, hervorgebracht, besonders in der Anfangszeit; jedoch vertreten diese jenen 50er-Jahre-„Die Frau kann nur kochen und putzen, ich habe lediglich zwei Kinder und vögle heimlich meine Sekretärin“-Dr.-Oetker-Konservatismus, mit dem ich nicht viel anfangen kann und welcher in „Der König der Löwen“ auch nicht bedient wird.

Damit fällt der Film um Simba und Co. aus der Reihe. Vergleichbar ist er nur mit dem Film „Robin Hood“ von 1973: Hier wird ein schlechter, unrechtmäßiger König, der sein Volk über Steuern auspresst, entmachtet und am Ende durch einen guten König ersetzt. Die Geliebte und spätere Ehefrau des Robin Hood möchte mit diesem übrigens „ein Dutzend“ Kinder und nicht nur sechs, wie er vorschlägt, haben; die Frauen in diesem Film sind sich auch nicht des Kämpfens zu schade, erfüllen also nicht das 50er-Jahre-Klischee. Ach ja, als wäre es nicht genug, sind die Figuren in „Robin Hood“ ebenfalls allesamt Tiere – die Könige werden natürlich von Löwen dargestellt, wer hätt‘s gedacht. Also, Freunde, wenn schon Disney, warum nicht zwei Filme über Löwen als Könige?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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