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Doch, „Titten gegen Putin“ ist Propaganda

24. November 2022
in 3 min lesen

Ich sollte Twitter eigentlich deinstallieren, wenn ich ehrlich bin. Es ist eine reine Zeitverschwendung, die Bedeutung dieser Plattform und ihrer Nutzer wird in den Medien ohnehin viel zu ernst genommen. Wirklich, wen zur Hölle interessiert es schon, was irgendein Linker über die WM tweetet? Daher ist Twitter nur zu meinem Vergnügen da, und ich muss schon sagen, dass die Rechtstwitter-Blase ein netter Haufen ist. Von den ganzen Memes mal abgesehen, gibt es dennoch ab und zu interessante Diskussionen zu beobachten. So gab es eine kleine Auseinandersetzung mit einer Twitter-Nutzerin (nennen wir sie mal Lisa) über das Thema „Propaganda“, konkret: Wir haben uns gestritten, was Propaganda denn überhaupt sei.

Aufhänger des Ganzen ist eine Reportage, die auf dem Funk-Kanal „reporter“ veröffentlicht wurde. Sie trägt den klangvollen Titel „Nudes gegen Putin: ‚Meine Brüste helfen der ukrainischen Armee‘“. Das Machwerk berichtet über Anastasia, die aus der Ukraine nach Deutschland kam und nun Nacktbilder von sich auf OnlyFans verkauft, um, zumindest laut ihrer Aussage, die Streitkräfte ihres Heimatlandes zu unterstützen. Sowohl für mich als auch für andere Rechtstwitterer war die propagandistische Absicht hinter dieser ostslawischen Tittenschau offensichtlich – nicht aber für Lisa. Bevor ich fortfahre, noch eine kleine ideologische Einordnung: Lisa bezeichnet sich selbst als libertär und explizit nicht-rechts; konservative Sozialnormen wie das Ablehnen von Pornografie interessieren sie daher nicht. Sie ist auf gesellschaftlicher Ebene also genauso liberal wie auf ökonomischer. Daher empfindet sie OnlyFans auch nicht als ein Problem, sondern es ist in Ordnung, „solange es freiwillig“ gemacht wird. Man kennt derlei Aussagen von progressiven Libertären schon zur Genüge. Für Lisa war der Bericht aufgrund dessen keine Propaganda (das hat sie vehement betont), sondern lediglich ein „Bias“, also eine aufgrund der Intentionen der Reporter verzerrter Film. Da stellt sich die Frage: Schließen „Bias“ und Propaganda einander aus? Und wie drückt sich die heutige westliche Propaganda überhaupt aus, welche Methoden nutzt sie, die sie von der Propaganda anderer Ideologien unterscheidet?

Fangen wir kurz beim Ei an: Der Begriff „Propaganda“ bezeichnete ursprünglich die Verbreitung des katholischen Glaubens im Zuge der Gegenreformation, wurde aber mit der Französischen Revolution von der Religion gelöst. Seitdem beschreibt er den gezielten Versuch, unter Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung bestimmte politische Ideen oder Ideologien zu verbreiten. Daher die Frage: Inwiefern ist der Bericht über die nackte Anastasia denn keine Propaganda? Er soll bewusst moralische wie politische Vorstellungen unters Volk bringen – in dem Fall sogar zwei: Promiskuität/sexuelle Emanzipation und eine pro-ukrainische Haltung im Krieg –, und er manipuliert die Zuschauer, indem das Treiben Anastasias als durchweg positiv dargestellt wird. Es gibt emotionale Manipulation – man telefoniert dort etwa mit einem Frontsoldaten, um das Publikum zu erweichen –, kritische Nachfragen gibt es kaum. Ein klarer Fall, nicht?



Und doch wird westliche Propaganda von den meisten nicht erkannt. Woran könnte das liegen? Ein Punkt ist, dass westliche Propaganda häufig nicht staatlich ist, etwa im Gegensatz zu chinesischer Propaganda – das könnte die libertäre Lisa beeinflusst haben. Funk-Kanäle sind zwar als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks de facto staatlich, dennoch ist dieser Umstand den meisten Menschen nicht bewusst. Und für Lisa als Libertäre, so kann ich mir vorstellen, ist Propaganda hauptsächlich staatlich. Dabei muss man nur auf die diesjährige Fußballweltmeisterschaft schauen, um zu sehen, dass Propaganda nicht staatlich sein muss: Was ist mit Rewe, das im Zuge der Farce um die „OneLove“-Binde den Regenbogen propagiert? Oder mit Netflix, dem wohl größten privaten Globohomo-Propagandisten auf dem Planeten?

Das ist es eben: Im Westen gibt es in dem Sinne kein offizielles staatliches Propagandaministerium mehr wie etwa im Nationalsozialismus, vielmehr arbeiten private und staatliche Akteure Hand in Hand, häufig unabhängig voneinander. Ein weiteres Merkmal ist die unterschwellige Verbreitung der Propaganda: Es geschieht häufig nicht mehr mit großem Tamtam, sondern mit Kleinigkeiten, etwa einer homosexuellen Figur in einem Film, deren einzige Aufgabe es ist, homosexuell zu sein (und die damit nicht viel zur Handlung des Films beiträgt). Oft wird dann auch die Wirklichkeit verzerrt; ein krasses Beispiel wäre etwa die Netflix-Serie „Bridgerton“: Auf die englische Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts wird das Ideal der multikulturellen Gesellschaft übertragen, es werden gemischte Paare als selbstverständlich dargestellt (natürlich mit weißer Frau und schwarzem Mann), und die Monarchie dort ist mehr das Abbild dessen, was sich ein kalifornischer Millennial unter Monarchie vorstellt, als das einer echten monarchischen Ordnung.

Zu guter Letzt wäre da noch das, was den linksliberalen „Gutmenschen“ im Allgemeinen auszeichnet, nämlich die gestellte Freundlichkeit und, ich nenne es mal „Harmonie“. Alles in der Propaganda der heutigen Zeit ist freundlich und nett, wie kann man nur was dagegen haben? In Filmen sind die Figuren, deren Lebensweisen man propagieren möchte, nahezu makellos. Es gibt quasi keine Fehler. Der Nachteil ist, dass solche Figuren den Film meistens langweilig machen, was wiederum die Propaganda weniger wirkmächtig macht. Das ist durchaus gut für uns, denn: Je besser die Machwerke sind, desto besser ist auch ihre propagandistische Wirkung. Denn wer will schon Propaganda sehen, die einen langweilt?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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