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Gegen Katar haben wir nur die Moral – beim Sport wie bei der Energie

25. November 2022
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Katar, Qatar oder eben QAT-ar, wie der aufgewokte Bürger dem Wüstenstaat neuerdings sprachlich nachschmeichelt – in diesen Tagen gibt es kaum ein anderes Thema. Zugegeben, es ist müßig, sich an dem Kapitänsbinden-Theater abzuarbeiten, das die deutsche Nationalelf im Vorfeld des Auftaktspiels der Weltmeisterschaft veranstaltet hat. Verkasperte Heldenposen ist man ebenso von der Mannschaft wie in Deutschland ohnehin gewohnt; sie sind höchstens des gelegentlichen Spottes würdig. Wenn Deutschland also weiterhin altruistisch auf der Weltbühne für andere Platz macht, bleibt uns der Blick auf diejenigen, die diesen Platz einnehmen. Katar und China einigten sich diese Woche auf einen gigantischen Flüssigerdgas-Vertrag. Fast 30 Jahre lang wird Katar China mit 108 Milliarden Tonnen beliefern. Bereits 2021 hatten Qatar Energy und der chinesische Konzern Sinopec ein erstes Lieferabkommen mit zehnjähriger Laufzeit unterzeichnet.

Eine solche Laufzeit ist verglichen mit den Exportverträgen von Qatar Energy mit anderen, vornehmlich asiatischen Abnehmern noch recht niedrig. Laufzeiten mit mehr als 20 Jahren waren schon vor diesem Deal keine Seltenheit. Im fernen, klimafühligen Deutschland dagegen wäre ein Gasliefervertrag mit 20 Jahren Laufzeit eine Todsünde. Flüssigerdgas, auf dessen Geschmack man notgedrungen im Zuge des Russland-Krieges kam, soll hierzulande nur als Übergang ins klimaneutrale Nirwana dienen. Das verflüssigte Erdgas wird über den Schiffsweg zu den Terminals transportiert und von dort ins Gasnetz eingespeist, benötigt also nur für Teile des Weges eine Pipeline. Die dazugehörige Infrastruktur will man zukünftig für Wasserstoff nutzen.

Bereits im März hatte sich die Bundesregierung über die Förderbank KfW als Mandatar zu 50 Prozent an einem LNG („Liquefied Natural Gas“)-Terminal in Schleswig-Holstein beteiligt, über dessen Errichtung man sich mit RWE und einem niederländischen Staatskonzern geeinigt hatte, die sich zu den übrigen 50 Prozent beteiligen und das Terminal betreiben. Daneben werden momentan fünf weitere Terminals on- und offshore gebaut – vier davon ebenfalls staatlich –, von denen eines in Wilhelmshaven bereits fertiggestellt ist und zum Jahreswechsel in Betrieb genommen wird. Anfang Juni wurde das „LNG-Beschleunigungsgesetz“ verabschiedet, mit dem die Konstruktion und der Bau der dafür nötigen Gasleitungen schneller vorangehen sollten. Allerdings nicht schnell genug, so dass die Bundesregierung schwimmende Ersatzterminals aus dem Ausland chartern muss, um die Zeit bis zur Fertigstellung des Onshore-Terminals in Wilhelmshaven zu überbrücken. Normalerweise dauert der Genehmigungsprozess für ein solches Vorhaben deutlich länger, aber ganze Heerscharen von Juristen schufen Abhilfe.

Klingt erst mal alles schön und gut. Nur überbrachte das Wirtschaftsministerium letzte Woche die uns alle überraschende Nachricht, dass das Terminal Wilhelmshaven mehr als doppelt so teuer wird wie geplant. Aus drei Milliarden für Anschaffung und Betrieb mach sechseinhalb. Zudem hatte es schon seit Längerem Pläne für LNG-Import auf deutschem Boden gegeben. Allerdings hatten sich bisher auf marktwirtschaftlicher Basis keine Investoren gefunden, da sich diese LNG-Terminals nicht rechnen. Somit darf nun der Steuerzahler den kostspieligen Infrastrukturaufbau finanzieren. Ein Import von Flüssigerdgas aus den USA wäre unter den gegebenen politischen Verhältnissen für die Regierung opportun, aber sehr teuer. Man darf sich also darauf einstellen, dass der teure Energiebedarf der deutschen Wirtschaft mittelfristig zu einer LNG-Subventionierung in Permanenz führt, wenn die Regierung nicht das größere Übel der weiter steigenden Gaspreise für Privathaushalte in Kauf nehmen will. Auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen würde leiden, wenn die Subvention unter diesen Umständen ausbleibt.



Wir sehen: Den Luxus, russisches Gas zu boykottieren und in bis dato unrentable LNG-Infrastruktur zu investieren, muss man sich leisten können. Denn der wahre Luxus besteht darin, dass sich so Subventionen als noch alternativloser verkaufen lassen. Der globale Süden hingegen, der zwar wächst, aber den Deutschen gegenüber im politischen Zeichensetzen – ob in Kaltland selbst oder auf dem Rasen in Katar – noch Aufholbedarf hat, dürfte sich diesen so schnell nicht aufschwatzen lassen. Wer keine eigenen LNG-Terminals mit Förderbank-Finanzierung bauen kann, hat auch kein Interesse daran, sich den USA zuzuwenden. Welches Interesse sollte Ägypten an einem Boykott des Weizenimports aus Russland haben? Warum sollte Pakistan russische Investitionen im Energiesektor ablehnen? Warum sollten potenzielle Abnehmerländer in Krisenzeiten vor langen Laufzeiten für Flüssigerdgasimporte zurückschrecken? Wenn für Deutschland nichts mehr übrig bleibt, haben wir ja immer noch unsere LNG-Terminals. Und wenn auch die nicht wie geplant laufen, erinnern wir uns an die Worte eines großen Deutschen:

„Wir haben unser Zeichen gesetzt.“

– Leon Goretzka, deutscher Fußballnationalspieler, nach dem 1:2 gegen Japan

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