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Führer 44 – Nicht mit mir!

4. April 2024

Ich würde die Schwelle zu einer in metaphysischer Moral denkenden Gesellschaft bei folgender Frage ziehen: Können Striche, Punkte, Kreise, einfache Muster in sich selbst böse sein, unabhängig von der Intention ihres Urhebers? Wenn ein Kleinkind auf einem Stück Papier herumkrakelt, kann dabei etwas herauskommen, das der durchschnittliche Erwachsene sofort peinlich berührt und mit einem ängstlichen Blick über die Schulter wegradieren würde, oder würde es eher mit belustigtem Interesse aufgenommen, wenn ein historisch, religiös oder sonst wie vorbelastetes Symbol aus seinem unschuldigen Spiel resultierte?

In islamischen Theokratien könnte das etwa der Fall sein, wenn das Kind etwas zeichnet, das dem Schriftzeichen für „Teufel“ oder etwas anderem Gotteslästerlichen ähnelt. Und in unserer ist es spätestens seit den späten 2010ern der Fall, wenn etwas an Symbolik des zentralen historischen Boogieman, des Negativ-Gründungsmythos des heutigen Regenbogendeutschlands erinnert, dessen kulturelle Elite ihre Herrschaft dadurch legitimiert, als Antithese dieses metaphysischen Übels wahrgenommen werden zu wollen. Metaphysisch beziehungsweise magisch aufgeladen ist es in dem Sinne, dass alles, was damit assoziiert werden kann, wie ein Zauberspruch behandelt wird, mit dem man einen Dämon beschwört: Es ist nicht entscheidend, ob derjenige, der ihn über die Lippen bringt, dabei auch besagten Dämon im Sinn hat oder einfach nur vor sich hin brabbelt, der Dämon ist jetzt da, schönen Dank auch.

In dieser Deutlichkeit habe ich das zum ersten Mal wahrgenommen, als die Deutsche Bahn anno 2020 für einen 33-prozentigen Rabatt warb und dafür ihre angestammten Farben, rot und weiß, sowie schwarz für die Schrift benutzte. Nach einer Welle journalistischer Empörung, die eine Parallele zur Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 und den Farben der Hakenkreuzflagge anprangerte, kroch der Staatskonzern mit den Worten zu Kreuze:

„Ganz klar: Hier ist uns ein Fehler passiert. Dass der Online-Banner so erstellt wurde, hätte nicht passieren dürfen. Die Ausspielung wurde unverzüglich gestoppt. Wir bedauern den Vorfall sehr und bitten um Entschuldigung.“

Jedem Beteiligten war klar, dass die Assoziation nicht von den Verantwortlichen gewollt, sondern im Nachhinein auf semireligiöser Basis hergestellt wurde – aber das war egal. Vermutlich freute sich die PR-Abteilung der Bahn sogar, zu der kleinen gesellschaftlichen Teufelsaustreibung beitragen zu können, und sei es auch in der Rolle des armen Sünders, der mit Weihwasser gewaterboarded wird.

Und um zum aktuellen Fall eines solchen Ritus zu kommen, der mich dazu verleitet hat, das Konzept aufzugreifen, müssen wir erneut über die Trikots der Nationalelf für die kommende EM sprechen. Hier haben wir es nämlich mit einer neuen Stufe der Massenmanipulation zu tun: Nicht nur wird metaphysisch böse Symbolik in etwas hineininterpretiert, bei dem alle Seiten willentlich Gespenster sehen, um sie öffentlichkeitswirksam austreiben zu können, nein, hier geschieht das Ganze auch noch verknüpft mit einem Fall tatsächlich gewollter unterschwelliger Bildbotschaften, deren Wahrnehmung wiederum böswillig zu wahnhaftem Gespenstersehen verklärt wird.

Vor zwei Wochen schrieb ich an dieser Stelle vom Pride-Flaggen-ähnlich aufgemachten pinken Auswärtstrikot des DFB, das mit einer aggressiven politischen Kampagne beworben wurde, die etwa „typisch deutsch sein“ dadurch definierte, „mehr als eine Mannschaft im Turnier“, also einen identitär empfundenen Migrationshintergrund zu haben, und Biodeutsche zeitgleich als verschrobene Unsympathen oder unterwürfige Würstchen darstellte, die sich vom muslimischen Kapitän der Elf als „typik Alman betiteln lassen dürfen. Die Strategie dahinter: Das Hauptaugenmerk auf das implizit politische Signal, das pinke Trikot, lenken und dann alle, die darin politische Untertöne vermuten, wie irre, einzig selbst den Sport politisierende Idioten aussehen lassen.

Eine gute Woche später invertierte man das Spiel dann: Ein FDP-Streamer namens Tobias Huch entdeckte, dass die Zahl 4 auf den neuen Trikots mit ein wenig Fantasie ein bisschen an das Blitz-S der Nazis erinnert, so dass die Rückennummer 44 als Code für „SS“ verwendet werden könnte. Dies hatte er mitnichten in altrechten Kreisen beobachtet, er selbst kam auf die Idee und erstellte im Fanshop des DFB sogleich ein Trikot mit besagter Rückennummer sowie dem Spielernamen „Führer“, um sich auf Twitter über diese eigene Kreation zu skandalisieren und die Sperrung der Zahl zu verlangen.

Diverse Medien griffen es auf, der Tweet geriet rasch vor mehr als eine Million Augen. Und während in den Kommentaren kaum jemand zu finden ist, der sich nicht darüber lustig macht, war der DFB, angefeuert von der breiten Medienfront, sofort bereit, die nächste Teufelsaustreibung zu vollziehen: Die Rückennummer 44 wurde gesperrt.

Die besondere Perfidie dieses inszenierten Empörungsrituals wird noch deutlicher, da im selben Zeitraum gleich noch ein dritter Fall von Schrödingers politischer Botschaft hochkochte, und zwar der Islamistenfinger von Antonio Rüdiger. Rüdiger ist der Nationalspieler, der 2020 nach Macrons Kampfansage an den politischen Islam einen Instagram-Post des MMA-Kämpfers Chabib Nurmagomedow likte, in welchem dieser ein Bild von Macron mit Fußabdruck im Gesicht mit der Botschaft paarte: „Allah möge ihn erniedrigen“. Wie man sich denken kann, wurde aus der naheliegendsten Interpretation seiner Fingergeste als islamistische Botschaft rassistisch motivierter Irrsinn gemacht. Sogar Hamed Abdel-Samad, der bisher tendenziell als etwas mutiger bekannte Islamkritiker, profilierte sich mit seiner Heiligsprechung.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."


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