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Burg- und Vorhofstrategie am Beispiel des pinken Fußballtrikots

21. März 2024

Knapp drei Monate vor der Europameisterschaft, die zum Teil im eigenen Land stattfinden wird, haben die deutsche Nationalmannschaft und Adidas nun die Trikots vorgestellt, in denen die Nationalmannschaft dort auflaufen wird. Besonders ins Auge springt dabei das Auswärtstrikot, bei dem man sich für einen pink-lila Farbverlauf entschieden hat. Für stolze 100 Euro, beziehungsweise 150 Euro, wenn man gerne eine Rückennummer und einen Namen auf dem Shirt hätte, kann man es nun im Fanshop des DFB erstehen. Das Trikot fällt völlig aus dem Rahmen des bisher Üblichen, die traditionellen Auswärtsfarben waren entweder Schwarz-Rot, oder, seltener, Grün, und das seit dem Bestehen der Nationalelf. Wie vielen Kommentatoren im Netz zu Recht auffiel, liegt es daher nahe, dass im metrosexuellen Stil des von Grund auf neu erdachten Designs eine politische Botschaft steckt, und zwar grob gesagt eine progressive.

Auf das Fremdeln der Fans mit der neuen Ästhetik der „Mannschaft“ war deren PR-Abteilung allerdings bestens vorbereitet: Sie veröffentlichte mehrere Promo-Clips, in denen sie die Ablehnung des Designs bereits vorwegnimmt und den enttäuschten Anhängern sinngemäß nahelegt, sich ins Knie ficken zu gehen.

Eine Flut aus „Das ist doch kein Deutschlandtrikot“-Kommentaren wird am Ende eines dieser auf TikTok veröffentlichten Videos von mehreren sich dominant in der rosa Kluft vor der Kamera aufbauenden Spielern, darunter Goretzka, mit einem bestimmten „Doch, isses“ beantwortet. Zuvor durfte Rudi Völler uns bereits zurückhaltend und mit leicht verschämtem Blick erklären, dass dieses Trikot entgegen aller Meinungen der Anhänger „für Legenden“ sei, nachdem die Frage, ob es sich hierbei um ein Frauentrikot handle, von einer Nationalspielerin schnippisch dahingehend beantwortet wurde, dass es noch nicht nach acht EM-Titeln aussehe.

Eine kleine „Guckt gefälligst Frauenfußball, ihr Sexisten“-Spitze darf also auch nicht fehlen. Die Frage, inwiefern der Unterhaltungswert des Sports dadurch belegt wird, dass die deutschen Frauen darin gegen, nun ja, andere Frauen eben, erfolgreicher spielen als die Männer gegen andere Männer, hat bei diesem sonderbaren Appell, den wir hier nicht zum ersten Mal gehört haben, ja noch nie gestört. Kurz zusammengefasst bejaht das Werbematerial also die vermutete politische Schlagseite des Designs und zeigt den Unzufriedenen eine lange Nase.

Kilometer weiter aus der Deckung hervor wagt der DFB sich aber mit einem weiteren Werbevideo für die Trikots, das über die Frage philosophiert, was „typisch deutsch“ sei.

https://twitter.com/iMiaSanMia_en/status/1768240453378322657

Das erste Beispiel: „Wenn man zwei Mannschaften im Turnier hat“, also nichtdeutsche Wurzeln zu haben und aus diesen eine bedeutsame Zweitidentität zu beziehen. Der einzige augenscheinlich ethnisch deutsche Fan, der in dem Video etwas typisch Deutsches benennt, eine stereotypische Großstadttussi mit knallrot gefärbten Haaren, steuert „Döner“ bei – natürlich. Gefolgt von einem kleinlauten „aber bitte ohne scharf“ in Richtung des orientalischen Imbissbesitzers, das von einem zum Leben erweckten Gündoğan-Plakat im Hintergrund mit den Worten „tipik Alman“ quittiert wird. Gündoğan, noch mal zur Erinnerung, war einer der Spieler, die sich im Vorfeld der 2018er-WM mit dem türkischen Präsidenten ablichten ließen – gewissermaßen also ein Beispiel für das erstgenannte Merkmal typisch Deutscher: Auch er dürfte zwei Mannschaften im Turnier haben.

Und während die biodeutsche Repräsentantin türkisches Fastfood zur Quintessenz des Deutschtums erklärt und sich standesgemäß unterwürfig gibt, sind alle anderen Deutschen mit Sprechrolle verschrobene Trottel, die Murat im Achter „Fahrradweg!“ entgegenbrüllen oder sich, einen ausgestopften Wolpertinger streichelnd, über den Lärm der Hintergrundmusik beschweren. Der Deutsche ist also entweder ein mürrischer Unsympath, der die lebensfrohe Multikultiparty vergeblich zu stören versucht, oder ein braver typischer Alman, der sich seiner Stellung bewusst ist und dementsprechend kleine Dönerbrötchen backt, aber bitte ohne scharf. Und nach all diesen Kartoffeln im übertragenen Sinn darf auch die wörtliche im abschließenden Schnelldurchlauf nicht fehlen.

Aber kommen wir zum Punkt, denn ich will hier auf mehr hinaus, als dass der DFB eine antideutsch instrumentalisierte Clownstruppe ist, die hoffentlich in der Vorrunde gegen Ungarn vorzeitig dem Aus entgegenblicken wird. Die verschiedenen Ebenen des politischen Messagings, die hier zum Vorschein kamen, veranschaulichen nämlich eine interessante Strategie: Die „Motte and Bailey“-Taktik, zu Deutsch „Burg und Vorhof“. Sie beschreibt den fließenden Wechsel zwischen zwei Positionen, einer offensiven, mit der man den Diskurs aggressiv in die gewünschte Richtung lenken will, und einer defensiven, leichter zu verteidigenden, auf die man sich zurückzieht, wenn diese Agenda kritisiert wird. Man stelle sich einen König vor, der zu Friedenszeiten seinen Vorhof frequentiert und sich bei Angriffen in die sichere Burg zurückzieht.

Die Burg, der Teil ihres Messagings, den sie im Fokus der Angriffe sehen wollen, ist das pinke Trikot. Die breite Masse, die sich daran stört, lässt sich leicht ins Lächerliche ziehen und als diejenigen darstellen, die hier tatsächlich den Sport politisieren. „Ihr seid getriggert von einem pinken Hemd, wie fragil seid ihr denn, guck mal, Tim Wiese hatte 200X auch ein pinkes Trikot.“ Dass es darum geht, wofür das Symbol des Trikots steht, wie der einfache Zuschauer intuitiv begreift und mit Ablehnung reagiert, lässt sich öffentlichkeitswirksam leicht übergehen – er hat zwar in seiner Bauernschläue vollkommen recht, aber nicht die Mittel, dies in eine wirksame Gegenbotschaft zu verpacken.

Der Vorhof, die offensive Position, wird vom gerade beschriebenen PR-Drumherum transportiert: Scheiß auf Deutsche, „deutsch“ ist so ein nebulöses Konzept, dass es alles und nichts bedeutet, und wenn man es an irgendetwas Positivem festmachen kann, dann an seiner Überwindung in einer bunten Vielfalt. Die Farben symbolisieren genau das, den Bruch mit der Tradition, den alten Farben, dem alten Deutschland, sind für sich genommen aber natürlich viel zu vage, als dass man das irgendeinem nicht ohnehin schon hochgradig in die eine oder die andere Richtung politisierten Menschen vermitteln könnte. Auf dieser Ebene bleibt die einzig wirksame Antwort, die alten Farben, mit denen sich nach wie vor der Großteil der Nation identifiziert, aggressiv für sich zu vereinnahmen und den Gegner dazu zu zwingen, seine innerlich längst vollzogene Distanzierung zur alten Gesellschaft, zu Schwarz-Rot-Gold, explizit zu machen – genau wie letzten Juni im Stolzmonat geschehen. Ratet doch mal, in welchem Monat die EM stattfinden wird?

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."


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