Dunkel
Hell
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In die Pilze

25. Oktober 2022
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Es wird endlich wieder kalt in Deutschland. Mag nun ein heißer Wut-Winter bevorstehen oder nicht. Kalt wird es auf alle Fälle. Wohl dem, der einen Kachelofen und einen gesetzten Küchenherd hat. Und noch besser, wenn man den Schuppen bis unters Dach mit Holz vollgepackt hat und weiß, wie man Feuer ohne Flüssiganzünder entfacht. Also – alle Männer, die sich irgendwie angesprochen fühlen: Raus! Holz hacken, aber hurtig.

Derweil kümmern sich die Frauen um das Anlegen der Vorräte, innerhalb des Hauses. All das, was das ganze Jahr über gesät, gehegt, gepflegt und gegossen wurde, ist inzwischen reif zur Ernte. Äpfel, Quitten, Pflaumen, Holunderbeeren und Kürbisse und, und, und,… Doch abgesehen, von all den Dingen, die im Obstgarten und auf dem Acker gewachsen sind, gibt es da noch etwas ganz besonderes, draußen im Wald.

Der Herbst ist endlich wieder da. Die bezauberndste aller Jahreszeiten. Das Moos grünt, schöner als je zuvor, die Blätter färben sich, die Sonntage sind sonnig und der liebe Gott meint es dieser Tage sehr gut mit uns. Denn keine zwei Meter im Walde stehen sie, einer neben dem anderen. Pilze! Und nicht nur die normalen Butter- und Semmelpilze. Nein. Maronen, Steinpilze, Pfifferlinge und Krause Glucke. Alle sind sie da. Es scheint wie verzaubert. Achtsam setze ich einen Schritt vor den anderen, um nicht auf einen Pilz zu treten. Zart federt das Moos unter den Füßen und eine Glückseligkeit macht sich breit. Da die „besseren“ Pilze dieses Jahr wachsen, als gäbe es keinen Morgen mehr, lässt man die Butterpilze Butterpilze sein und prüft vor dem Sammeln vorsichtig, um welchen Pilz es sich handelt. Denn was nützt ein Korb voller Butterpilze, wenn um die Ecke drei Körbe Steinpilze auf einen warten?



Ich bin schon früher gern mit „in die Pilze“ gegangen, wie man bei uns sagt. Das machte solch einen Spaß. Ähnlich wie die Ostereiersuche. Nur mit dem Unterschied, dass das, was dort vor einem aus dem Boden sprießt, einfach dort gewachsen ist und nicht platziert wurde. Die Pilze sind in allen erdenklichen Farben, Formen und Größen auffindbar. Auch Fliegenpilze schießen aus dem Boden. Magisch, mystisch – formatieren sie sich zu Kreisen, eingebettet in lichteren Waldstücken. Herzlichen Willkommen im ostdeutschen Zauberwald!

Nach einer Stunde ist der riesige Korb voll. Wir wechseln in das angrenzende Waldstück, um zu schauen, was dort aus dem Boden schießt. Auch dort reiht sich einer an den anderen. Es gleicht einem endlos langen Buffet. Noch immer überwältigt von der großen Ausbeute, geht es wieder zurück nach Hause. Ich will eigentlich im Wald bleiben und weiter sammeln, aber irgendwer muss die zehn Pfund ja auch verarbeiten.

Ich sitze in der Küche, putze die Pilze und zu meiner Überraschung sind diese auch nicht madig. Was ist da los? So etwas hatte ich zuletzt vor zehn, zwölf Jahren erlebt. Reiche Ernte, die weder angefressen noch von Schädlingen durchbohrt ist. Ich zerbreche mir jedoch nicht weiter meinen Kopf darüber. Lieber schneide ich die Pilze in dünne Scheiben und legte sie zum trocken in die Sonne. Ein paar wandern direkt, mit einer ordentlichen Portion Butter, in die Pfanne und anschließend auf die Stulle.

Es ist herrlich. Diese Fülle. Wer schon einmal Pilze getrocknet hat, weiß, dass nach dem Trocknen nicht viel übrigbleibt. (Bloß gut, noch ein Grund, um wieder sammeln zu gehen.) Ich fülle die trockenen Pilze in Gläser und beschriftete sie. Ab gehts in die Vorratskammer. Zum Apfelmus, dem Quittengelee, dem fermentierten Gemüse, den Kartoffeln und Nüssen, dem Holunderbeersaft, den Linsen und sauren Gurken.

Von mir aus kann der Winter kommen!

Klara Fall

Irgendwo im ostdeutschen Hinterland versucht sie zwischen Waldspaziergängen und Mopedschrauberei, den Sinn des Lebens zu finden. Wenn das mal nicht ganz glückt, wird der Kummer in Bier ertränkt und rumphilosophiert, während im Hintergrund die besten Hits der 80er laufen. Natürlich immer mit dem Ziel vor Augen am nächsten Katersonntag einen neuen Artikel zu schreiben.

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