Damit mich auch in Zukunft noch unzählige Westpakete erreichen, komme ich nun zum großen Finale dieses Dreiteilers. Es ist Ostersonntag und bevor irgendwas passiert wird sich der Bademantel angezogen und mit dem Kickekörbchen in der Hand in den Garten gegangen, um Ostereier zu suchen. Doch wovon rede ich hier schon wieder?
Aber der Reihe nach: Es ist Karfreitag. Der Partykeller ist dekoriert, der Kuchen steht bereit, Schnittchen sind geschmiert und sämtliches Zubehör zum Ostereiermalen steht auf dem Tisch. Es ist Tradition, dass die Ostereier, die man zu Ostern verschenkt und oder suchen muss, mit verschiedenen Symbolen verziert und in Farbe gelegt werden.
Doch wie geht das? Es gibt verschiedene Techniken, um aus dem Hühnerei, ein Osterei zu erschaffen. Zum einen gibt es die Wachsreservetechnik (Batiktechnik). Dazu wird im Wechsel Wachs auf das Ei aufgetragen und mit verschiedenen Farben gefärbt. Wohl die aufwendigste, aber auch die schönste Technik. Wichtig ist die optische Darstellung von Ornamenten. Dies gelingt durch die Wiederholung von Formen. Außerdem muss alles akkurat und symmetrisch sein, um ein ausgewogenes Muster herzustellen.
Zum anderen gibt es die Wachsbossiertechnik. Dabei wird auf das nackte Ei verschiedenfarbiges Wachs aufgetupft. Dieses Wachs verbleibt für immer auf der Schale. Für die Kratz- und Ätztechniken, die wir ebenfalls anwenden können, brauchen wir hingegen kein Wachs. Hierbei werden Muster in die dunkel gefärbte Eierschale geritzt beziehungsweise wird Säure mit einer Stahlfeder auf das Ei aufgetragen. Generell werden die letzten beiden Techniken nur noch sehr selten angewendet, da sie nur noch von Einzelnen beherrscht werden.
Ich kenne es noch von meinem Opa, dass man die Eier mittels Zwiebelsud einfärben konnte. Dazu wurden Zwiebelschalen, zusammen mit Rinde, Erlenkätzchen, Getreidehalmen und sonstigen natürlichen Materialien, die auf dem Hof zu finden waren, ausgekocht. Dann legte er zarte Blütenblätter und kleine Federn auf die Eierschale und umwickelte diese dann ganz fest mit einem Stofftuch. Die vorbereiteten Eier wurden für einige Stunden in dem Sud eingelegt. Im Anschluss herausgenommen, abgespült und fertig waren die rot-braun gefärbten Ostereier mit hübschen Mustern von Blättern und Federn. Die Wachsreservetechnik hat sich zu meiner Lieblingstechnik entwickelt, was dem Umstand geschuldet sein mag, dass mir diese vorrangig beigebracht wurde.
Aber wie genau geht das? Arbeitsgrundlage bilden, wer hätte es gedacht, Eier. Dabei können Hühner-, Gänse- oder auch Straußeneier verwendet werden. Wobei letztere sich eher für die Wachsbossiertechnik eignen.
Des Weiteren benötigt man Bienenwachs und normales Wachs, im Verhältnis 2:1. Die verschiedenen Wachse werden miteinander vermengt, in einem Löffel erhitzt und mittels Federkiel und Stecknadeln, welche zuvor in Holzstifte gesteckt wurden, aufgetragen. Den alten Alulöffel knickt man am Stiel ab und positioniert ihn entweder in einem mit Sand befüllten Gefäß oder man baut kleine Vorrichtungen aus Holzklötzen. Doch egal, wozu man sich entscheidet, Kerzen sind unabdingbar. Ist die erste Runde Wachs aufgetragen, geht es ans Färben. Dazu benötigt man Eiermalfarbe, heißes/warmes Wasser (40°C) und Essig. Diese Zutaten mischt man, wie auf der Verpackung angegeben, miteinander. Dazu sollte man einen alten Kochtopf nutzen. Und wenn ich sage alt, dann meine ich alt und nicht das neue Topfset für 700 Euro. Wer also den Frieden zu Ostern bewahren will, sollte diesen Rat befolgen.
Hat man alles zusammengesammelt, die Eier mit Wachsmustern verziert, gefärbt und trocknen gelassen, folgt das Abwachsen. Dies beschreibt den Vorgang, bei dem mithilfe eines erwärmten Tuchs das Wachs vom Ei entfernt wird.
Um die Tücher gleichmäßig zu erwärmen, bietet sich ein gesetzter Küchenherd hervorragend an. Man reibt das Tuch über den heißen Herd und streicht dann damit vorsichtig über das gefärbte Ei. Das Wachs schmilzt und haftet am Tuch. Dieser Vorgang wird so lang wiederholt, bis die Oberfläche des Eies vollständig vom Wachs befreit ist. Traditionell werden die Eier im Anschluss mit einem Stück Speckschwarte abgerieben.
Natürlich haben die Farben und Symbole ihre ganz eigenen Bedeutungen: Rot steht für Liebe, Kraft und Auferstehung. Außerdem spiegelt sie das Blut Jesu wider. Gelb verkörpert die Sonne, Lebensfreude und Licht. Grüne Ostereier repräsentieren Hoffnung und das ewige Leben. Auch orangene Eier stehen für Hoffnung und Neubeginn. Blau steht für Ruhe und Gelassenheit. Reichtum und Wohlstand werden durch die Farbe Lila verkörpert. Rosa bedeutet einen Neuanfang und guten Lebenswandel. Auch die Farben Braun und Schwarz sind nicht untypisch. Braun steht für Naturverbundenheit, Erfahrung und Bodenständigkeit. Schwarz verkörpert Tradition und Beständigkeit. Bunte Muster auf schwarz gefärbten Eiern sind sowieso die absolute Königsklasse.
Das Sonnenrad, welches in der Mitte alle Strahlen durch einen Punkt verbindet, verspricht Wachstum, Entfaltung, Gesundheit und Glück. Dreieck, auch Wolfszahn genannt, steht für die Dreifaltigkeit und auch für das Bündnis aus Vater, Mutter, Kind. Zudem symbolisiert es Schutz. Werden die Dreiecke übereinandergesetzt verstärkt das den Schutz. Ebenfalls können dadurch die Elemente Wasser, Erde und Luft zum Ausdruck gebracht werden. Kleine Dreiecke, die zu Bienenwabe zusammengesetzt werden, stehen für Fleiß und Neuanfang. Setzt man einen Punkt in die Mitte der Wabe, werden Fruchtbarkeit, gute Ernte und Wohlstand zum Ausdruck gebracht. Die Blüte verkörpert Wachstum und Entfaltung und kann ebenso für die Familie stehen, wie das Dreieck.
Das Kreuz, bestehend aus vier Dreiecken, sieht aus, wie ein eisernes Kreuz, ist ein Zeichen des Glaubens. Es ist auch möglich, Zweige, Strahlenbündel oder Herzen mit Wachs aufzutragen. Zweige stehen hierbei für das ewige Leben. Alle Wissbegierigen können das hier noch einmal ganz genau nachlesen.
Generell sind runde und in sich geschlossene Muster zu wählen, da diese die Kraft der einzelnen Symbole schützend umschließen. Doch egal, wie man sich entscheidet, es lassen sich einzigartige Kreationen aus den unzähligen Kombinationen von Mustern und Farben herstellen.
Sind die Eier verziert, werden sie am Ostersonntag versteckt und gesucht. Sowohl im eigenen Garten, als auch bei den Paten zu Hause. Ich für meinen Teil hatte vier Paten und war deshalb, seit meinem ersten Lebensjahr, zusammen mit meinen Eltern am Ostersonntag und Ostermontag unterwegs, um „nach den Eiern zu gehen“. Auf Sorbisch „po jejka chodźić“.
Aber was hat es damit auf sich? Das Ei an sich steht für das Leben und Fruchtbarkeit. Die christliche Kirche sieht im Ei ein Ostersymbol. Und um wieder auf Jesus zu sprechen zu kommen, werden Parallelen zwischen seiner Auferstehung und dem Schlüpfen aus einem Ei gezogen. Von außen scheint es leblos zu sein, nichts regt sich, wie die Sicht auf den Stein von dem Grabe Christus. Doch ist der Stein einmal weggeschoben, die Schale aufgebrochen, so wird Leben hervorgebracht.
Eier verzierte man seit dem Spätmittelalter auf die unterschiedlichste Art und Weise, dies war jedoch von Region zu Region unterschiedlich. Erst seit dem 17. Jahrhundert wurden die Eier zu Ostern verschenkt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Paten, die einem zur eigenen Taufe zugesprochen werden. Sie geben zu Ostern alle Wünsche, mittels der Symbolik auf dem Ei, an jedes ihrer Patenkinder weiter. Die Wünsche und die durch das Ei übertragene Kraft, sowie Harmonie und Schönheit, gehen durch den Verzehr auf das Kind über. So will es der Glaube. Im Normalfall gibt es drei Eier. Diese stehen für Glück, Gesundheit und Gottes Segen. Dazu ein Kleidungsstück, wie Socken oder ein Teil einer sorbischen Tracht und andere nützliche Gegenstände. Zusätzlich dazu erhält das Patenkind eine Patensemmel oder auch Ostersemmel genannt. So die Bezeichnung für einen klassischen Hefezopf.
Diese sollte ungefähr so groß sein, wie das Patenkind und das ist kein Witz. Je wohlhabender, desto größer. Da konnte die Semmel schon mal bis zu einem Meter lang sein. Es war früher auch üblich, die Kinder zu Ostern neu einzukleiden. So gingen diese dann ihre, wie wir es nennen, Kicke, bei den Paten holen. Diese wurde im Kickekörbchen gesammelt. Ein kleiner Weidenkorb, welcher meist extra für das Patenkind angefertigt und beim ersten Ostereiersuchen übergeben wurde. Dieses Körbchen hegt und pflegt man sein Leben lang. Es gilt quasi als Berechtigungsschein, an Ostern etwas suchen zu dürfen. Wer bei seinen Paten ohne Körbchen ankam, der durfte sich entweder was anhören oder wieder zurück nach Hause marschieren, um es zu holen.
Meine Realität sah so aus, dass ich pro Pate, bis zu zehn Eier bekam, dazu Geld, Spielzeug und eine LKW-Ladung Süßigkeiten. Teile einer sorbischen Tracht erhielt ich leider nie, was mich bis heute wirklich traurig stimmt. Denn ich wäre gern zu Ostern herumgelaufen, wie meine sorbische Oma es früher einmal tat. Im Jahr der Konfirmation, im Alter von 14, ging man dann ein letztes Mal Kicke holen und verabschiedete sich sinnbildlich von seinen Paten.
Was lernen wir daraus:
Erstens: Das Leben steht immer über dem Tod. Nichts ist endlich und alles ist ein ewiger Kreislauf. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Daher ist das Ei bestens geeignet, um diese Ansicht zu repräsentieren. Außerdem ist es immer wieder schön, zusammen mit der Familie und Freunden diesen Brauch zu pflegen. Ich hoffe, dass auch ich bald die Rolle der Patentante übernehmen werde und mich mindestens genauso gut um mein Patenkind kümmern kann, wie es bei mir der Fall war. Sorbisch lernen wäre auch nicht schlecht, doch dafür hat es bis jetzt noch nicht gereicht.
Zweitens: Wer es bis jetzt noch nicht mitgeschnitten hat – hier in der Region gilt Ostern als DAS Fest schlechthin. Das größte des Jahres. Und neben den von mir aufgezählten Bräuchen gibt es noch viele andere, wie Osterwasser holen, Ostersingen oder Osterreiten. Aber das hätte den Rahmen gesprengt. Und da ich, wie oben erwähnt, noch weitere Westpakete erhalten möchte, kann ich nur noch eines raten: Sollten sie, lieber Leser in die Versuchung kommen, die schönste Gegend Ostdeutschland zu besuchen – machen sie sich auf etwas gefasst. Hier ist es weitaus herrlicher, als so manch einer zu wissen vermag.
In diesem Sinne: Frohe Ostern – Wjesołe jutry.