Kickls Weg nach oben

9. Januar 2025
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Kickl will Kanzler. 100 Tage nach der Nationalratswahl in Österreich ist der Versuch, eine Verliererkoalition aus ÖVP (≈CDU), SPÖ (≈SPD) und NEOS (≈FDP) zu bilden, gescheitert. Hatte der österreichische Bundespräsident Van der Bellen dem Wahlgewinner FPÖ (≈AfD) zunächst den Auftrag zur Regierungsbildung verweigert, betraute er FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl nun genau damit. Wie Kickl sich entschieden hat, was diese Entscheidung mit einem populären Meme zu tun hat und welche Mahnung wir im neuen Jahr beherzigen sollten.

 In Österreich wird der Bundespräsident nicht nur direkt vom Volk gewählt – statt wie in Deutschland von einer Bundesversammlung –, dem Amt wohnen in der Alpenrepublik zudem deutlich mehr Befugnisse inne. So obliegt es dem Bundespräsidenten nach einer Wahl, den Kanzler zu bestimmen. Dabei muss dieser nicht wie in Deutschland im Anschluss vom Parlament gewählt werden. Wen der Bundespräsident auswählt, der ist Kanzler.

In der österreichischen Parlamentsgeschichte hat sich etabliert, dass der Präsident den Kandidaten der in den Wahlen stärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt und zum Kanzler ernennt. Doch nicht ohne Ausnahmen; wie auch dieses Mal. Aus der Wahl am 29. September 2024 ging Kickls FPÖ als Wahlsieger mit 29 Prozent der Stimmen hervor. Van der Bellen beauftragte daraufhin nicht Kickl, sondern Karl Nehammer – Chef der mit 27 Prozent zweitstärksten Partei ÖVP – mit der Regierungsbildung.

100 Tage später wissen wir, dass dieses Experiment Van der Bellens gescheitert ist. Trotz regelmäßiger Berichte, man habe bereits Fortschritte bei der Bildung einer Regierungskoalition erreicht, erteilten die NEOS nun einer gemeinsamen Koalition mit ÖVP und SPÖ eine Absage. Der Versuch einer Verliererkoalition ohne Einbindung des Wahlsiegers FPÖ war misslungen. Karl Nehammer trat vom Amt des Bundeskanzlers zurück, und Bundespräsident Van der Bellen erteilte Herbert Kickl nach einem gemeinsamen Gespräch den Auftrag der Regierungsbildung.

Dass Kickl diesen Auftrag annimmt, war jedoch gar nicht so selbstverständlich, wie man zuerst meinen könnte. Immerhin stünde die FPÖ bei jetzigen Neuwahlen deutlich besser da. Würde Kickl die Regierungsbildung verneinen und Neuwahlen heraufbeschwören, wäre der Abstand zu den anderen Parteien noch größer. Doch der FPÖ-Obmann hat sich gegen Neuwahlen und für das Regieren entschieden. Nicht – wie Medien zuvor berichteten – weil das Kanzleramt seit jeher sein Kindheitstraum war, sondern weil er dem österreichischen Volk zeitnah eine handlungsfähige Regierung bereitstellen möchte, wie er in seiner Presseerklärung ausführte. Seine nahende Amtszeit stellt er dabei unter das Motto: „Österreich ehrlich regieren“.

Damit entschied sich Kickl für den harten Weg. Er begründete die Entscheidung mit der Erziehung durch seine Eltern und dem Bergsteigen. In einer Seilschaft am Berg muss man sich aufeinander verlassen können und eine gewisse Härte gegen sich und seine Kollegen aushalten können. Diese Härte bewies er nun gegen sich selbst, denn der Weg für ihn dürfte sehr anstrengend werden.

Damit kommen wir zu einem Meme, welches sich zunehmender Popularität erfreut. Gute Zeiten schaffen schwache Männer, schaffen schlechte Zeiten, schaffen starke Männer, schaffen gute Zeiten. Aktuell befinden wir uns in schlechten Zeiten.

Wurde den älteren Generationen noch Wohlstand durch Leistung versprochen, sehen sich die jüngeren Generationen einer Realität gegenüber, in der von Wohlstand noch geträumt, aber dieser zunehmend schwerer erreicht werden kann. Der Staat verschuldet sich immer weiter und ist dennoch nicht in der Lage, Renten-, Sozial- und Gesundheitssystem auf einem Stand zu halten, wie wir ihn gewohnt sind.

Die Antwort auf diese schlechten Zeiten können also nur starke Männer sein, die bereit sind, den schwierigen Weg zu gehen. Und genau diesen hat Kickl mit der Entscheidung, regieren zu wollen, gewählt. Immerhin birgt dieser Weg für ihn und die FPÖ einige Risiken. So ist auch unter einer FPÖ-Regierung erst mal nicht mit einem wirtschaftlichen Aufschwung zu rechnen. Das liegt an den Spätfolgen der Politik von Kickls Vorgängern. Zeitlich werden diese Verschlechterungen aber in Kickls Amtszeit fallen, und die etablierten Medien werden diesen Umstand nur zu gerne dem FPÖ-Obmann in die Schuhe schieben. Einfacher wäre es hier gewiss, auf Neuwahlen und eventuell eine starke Oppositionsrolle zu setzen, um von den negativen Auswirkungen der Vorgängerpolitik zu profitieren, statt für sie einstehen zu müssen. Positiv ändern würde sich dadurch jedoch wahrscheinlich lediglich das Wahlergebnis der FPÖ, nicht aber die Lage des Landes. Das scheint Kickl verstanden zu haben, und er ist bereit, diesen steinigen Weg der Regierungsverantwortung gehen zu wollen.

Denn das ist schließlich der einzige Weg, wie sich etwas ändern, etwas verbessern kann. Die Wähler haben dieses Verständnis mit ihrer Wahlentscheidung deutlich gemacht, und Kickl folgt ihnen mit seinem Entschluss. Er will gute Zeiten und muss dafür stark sein. Diese Erkenntnis kann uns in diesem und den folgenden Jahren als Mahnung dienen. Gute Zeiten entstehen genauso wenig aus sich heraus wie starke Männer. Wir müssen wie in einer Seilschaft am Berg hart zu uns selbst und unseren Mitstreitern sein. Nur dann werden wir in die Lage versetzt, etwas zum Guten verändern zu können; in Österreich ebenso wie in Deutschland.

Felix A. Cassel

Die rechtsphilosophischen Ideen Carl Schmitts sind für den Bonner Jurastudenten genau so wichtig wie sein Zweitname - auch wenn die Redaktion ihn zur Abkürzung zwingt. Anders als Schmitt schreibt er aber nicht „zu Juristen und für Juristen“, sondern übersetzt richterliche Entscheidungen der "BRD im Endstadium" für den einfachen Bürger - ein typischer "Rechts-populist" also.

1 Comment Leave a Reply

  1. Mit starken Männern ist in dem meme kein starker Führer gemeint, sondern starke Männer in der Breite der Bevölkerung.

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