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Bildquelle: Zusammenstellung “TheRepublic“

Nachhilfe für konservative Warmduscher

28. Januar 2022
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Das Ziel der Ampelregierung ist gesteckt: Deutschland wird einfach wegtransformiert. Die akzelerationistische These, dass eine Zuspitzung der Verhältnisse einem schleichenden, CDU-moderierten Niedergang vorzuziehen sei, hatte im Vorfeld der Regierungsbildung einen gewissen Reiz. Der ausgehandelte Koalitionsvertrag dürfte in dieser Hinsicht kaum Wünsche offen lassen.

Feministische Aussenpolitik, barrierefreie Einwanderung und eine definitorische Klärung von Clankriminalität – betrachtet man den von der zukünftigen Koalition abgesteckten Rahmen, wird einem plötzlich bewusst, dass man die erste Phase des Plans, also die, in der alles den Bach runter geht, bevor es wieder bergauf gehen kann, erst einmal aushalten muss.

Konservativ geht auch “cool“, Kids!

Olaf Scholz wurde im Wahlkampf der SPD erfolgreich als maßvoller und besonnener Staatslenker alter Schule inszeniert. Die in dieser Weise mobilisierten Wähler dürften ihre Wahlentscheidung angesichts des im progressiven Taumel ausgehandelten Machwerks nun gründlich in Zweifel ziehen, ebenso wie die Wähler einer äusserst biegsamen FDP. Von einem Kulturwandel ist die Rede. Gemeint ist aber ein Kulturkampf, der mit härtesten Bandagen ausgefochten wird. Auf Christian Lindner kann man sich also schon mal nicht verlassen.

Wer aber sonst sollte sich der schicksalhaften Herkulesaufgabe stellen, den Linksruck – wenn er schon nicht verhindert werden kann – doch wenigstens wirkungsvoll zu bekämpfen? Da die dissidente Rechte, die – wie wir ja alle wissen – ausschließlich aus charakterlich verdorbenen Demagogen besteht, dafür nicht in Frage kommt, bleibt nur ein bislang unverdächtiger Akteur der politischen Bühne übrig: die liberalkonservative „bürgerliche Mitte“. An vorderster Front steht somit die mehr oder weniger CDU-nahe Kampagnenagentur „The Republic“, die vom verlorenen Posten aus den Sturmangriff anführen möchte.

Diesem Vorhaben ist natürlich Glück zu wünschen, aber dennoch sollten im Vorfeld etwaige Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden, die den Erfolg der Operation „Linksruck bekämpfen“ gefährden könnten. Es folgt also ein Versuch, den Nebel zu lichten und die Verhältnisse zu klären, was sich glücklicherweise nicht allzu schwierig gestaltet. Das erste und einzige zu beseitigende Missverständnis lautet: Dein Feind ist nicht dein Freund, mit allen sich daraus ergebenden Implikationen!

Waidmanns Heil!

Es mutet seltsam an, darauf hinweisen zu müssen, aber es ist unerlässlich, den politischen Gegner als das wahrzunehmen, was er ist: ein Antagonist in einem Kampf um Macht und nicht als Verbündeten in einer behaglich bürgerlichen Einheitsfront gegen virtuelle Faschisten. Hat man die Feindbestimmung vorgenommen, folgt daraus, dass man sich den Spielregeln des Gegners nicht unterwirft und sich unter keinen Umständen von dessen moralischem Verdikt abhängig macht. Instinkte dieser Art scheinen in der Spätphase der konsensorientierten, deliberativen Demokratie etwas eingeschlafen zu sein, und allein der in diesem Zusammenhang anachronistisch wirkende Begriff „Feind“, der hier im Sinne Carl Schmitts gebraucht wird, reicht aus, um ein diffuses Unbehagen zu erzeugen.

Deutlich wird das Dilemma an einer von „The Republic“ lancierten Kampagne, die „Radikalen Krawallmachern den Geldhahn zudrehen“ möchte. Untermalt wurde diese Forderung zunächst mit einem Foto von Annetta Kahane. Da IM Kahane aber fest im Sattel des Establishments sitzt und bei Kritik schnell der Antisemitismusvorwurf im Raum steht, verlegte man sich bei den angriffslustigen „Republikanern“ darauf, stattdessen einen havarierten Greenpeace-Aktivisten abzubilden.

Natürlich ist für alle Beteiligten das Risiko viel zu hoch als „Antisemit“ bezichtigt und damit verunmöglicht zu werden, weswegen dem Adler die Schwingen gestutzt wurden, noch bevor dieser zum Sturzflug ansetzen konnte. Diffamierungsvokabeln als reines Herrschaftsinstrument haben auch dem pseudokonservativen Establishment lange Jahre gute Dienste geleistet; die Betonung liegt auf „haben“ und „geleistet“. Willkommen in der Opposition! Höchste Zeit also, das Verhältnis zu solchen Methoden grundsätzlich zu überdenken.

Es kann nicht oft und nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, dass die Macht dieser moralisierenden, inhaltlich entkernten Anschuldigungen um jeden Preis gebrochen werden muss. Der Höhepunkt der politischen Unkultur ist nämlich genau dann erreicht, wenn der Vorsitzende der Christsozialen Union einen Liberalen in Fragen des Impfzwangs zum Schweigen bringen will, indem er darauf hinweist, dass das, „was Kubicki sagt, in die Rechtsaußen-Ecke geht“.

Souveränität statt Abhängigkeit

Der politische Kampf ist schmutzig. Haltlose Anschuldigungen, absichtliche Falsch- oder Missinterpretation, Doppelstandards und Kontaktschuld sind die Mittel der Wahl im Umgang mit dem politischen Gegner, weswegen die konservative Opposition der bürgerlichen Mitte – gemeint sind hier Menschen mit Prinzipien, nicht Profiteure des Systems – sich die Frage gefallen lassen muss, auf welche Restbestände von Fairness sie eigentlich zu hoffen wagt. In einer Zeit, in der jeder, der sich der totalen Entgrenzung der Welt in den Weg stellt, als zu beseitigendes Bleigewicht für progressiven Gesellschaftsumbau indentifiziert wird, scheint derartiger Optimismus wenig angebracht.

Für den gerade noch salonfähigen bürgerlichen Konservatismus und für jeden „gemäßigten“ AfDler, der der Meinung ist, sich fortwährend distanzieren zu müssen, ist die Zeit gekommen, aus der 80er-Jahre-Matrix herauszutreten und eine realitische Freund/Feindbestimmung auf der Höhe der Zeit vorzunehmen. Die Front im Jahr 2022 verläuft nicht zwischen einer herbeizitierten „Mitte“ und extremistischen Rändern, sondern zwischen der globalistischen Linken und einer protektionistischen Rechten.

Darauf aufbauend dürfte es nicht schwerfallen zu erkennen, wie grob fahrlässig und naiv es ist, sich dem Urteil und Sprachregime eines Gegners zu unterwerfen, der über Inhalt und Umfang diffamierender Begriffe beliebig verfügen kann.

Ein Schritt in die richtige Richtung für Thinktanks wie „Republik21“ oder „The Republic“ wäre es, sich die Worte Carl Schmitts in Erinnerung zu rufen: „Politisches Denken und politischer Instinkt bewähren sich also theoretisch und praktisch an der Fähigkeit, Freund und Feind zu unterscheiden. Die Höhepunkte der großen Politik sind zugleich die Augenblicke, in denen der Feind in konkreter Deutlichkeit als Feind erblickt wird.“

Liest man allerdings die neuen Artikel zur Causa Max Otte auf therepublic.de, offenbart sich das genaue Gegenteil. Von einem Bewusstseinswandel dieser Art ist man bei den „anständigen“ Republikanern noch Lichtjahre entfernt.

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