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Krieg gegen Plastik

10. Mai 2022
in 3 min lesen

Niemand mag Plastik. Es ist ein zutiefst unästhetisches Material. Warum das so ist? Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Dass Holz als „natürliches“ Material von den meisten Menschen als schön angesehen wird, liegt irgendwie auf der Hand. Aber auch „künstliche“ Dinge aus Metall, also eindeutig durch den Menschen erschaffen oder veredelt, können ästhetisch sein. Niemand kann mir erzählen, dass er sich an einem Lamborghini stört, weil er nicht aus Holz ist, oder das handgeschmiedete Rapier aus dem 18. Jahrhundert von sich weist, weil es ein „Kunstprodukt“ ist.

Warum man Materialien oder Dinge ästhetisch oder hässlich findet, ist nach meiner Überzeugung eine Mischung aus subjektivem und objektivem Empfinden. Natürlich gibt es so etwas wie „Geschmack“ und „persönliche Vorlieben“ – nichtsdestotrotz gibt es auch objektive Gesetze über Ästhetik und Wertigkeit. Nicht für jeden ist ein Lamborghini ein Traumauto oder sind griechische Skulpturen das Maß aller Dinge. Dennoch wird es wohl niemanden geben, der die beiden genannten Beispiele als hässlich einstufen würde.

Seit einigen Wochen habe ich den Krieg gegen Kunststoff aufgenommen. Mein langfristiger Stabsplan ist es, mein Heim kunststofffrei werden zu lassen – was natürlich niemals möglich sein wird, da ich sonst Handy, Laptop, Backofen und diverse Küchengeräte ebenfalls entsorgen und mich auf den Entwicklungsstand des 19. Jahrhunderts zurückbefördern müsste. Allerdings habe ich mich in letzter Zeit verstärkt auf die Pirsch begeben und unter den kritischen Augen meiner Mitbewohnerin diverse Plastikdinge aussortiert. Beispielsweise habe ich so eine Küchenschere in den Müll geworfen und stattdessen diese Küchenschere gekauft. Klar, 28 Euro für eine Küchenschere wirkt auf den ersten Blick wie viel Geld, aber seitdem erfreue ich mich regelmäßig am Solinger Stahl in meiner Schublade – und dem Gedanken, dass ich bis an mein Lebensende die gleiche Schere benutzen werde. Und seien wir doch mal ehrlich: Kein geistig normaler Mensch kann hinsichtlich ästhetischer Maßstäbe die erste gegenüber der zweiten Schere bevorzugen.

Das gleiche beim „Kneipchen“ oder „Kneip“, wie man im Südwesten sagt. Dabei handelt es sich nicht um das hauseigene Wassertretbecken, sondern um das hochdeutsche „Schälmesser“. (Wie heißt das Kneipchen bei Ihnen?) Plastik raus – Messer mit schickem Holzgriff rein. Drei Stück für gerade einmal 15 Euro von einem deutschen Hersteller. Da lacht das Plastikhasser-Herz, und man unterstützt die heimische Wirtschaft. Munter geht es weiter mit der großen Rühr- und Knetschüssel. Im Angesicht des lilafarbenen und angeblichenen Dünnplastikbottichs frage ich mich, ob ich die letzten Jahre hinterm Mond gelebt habe. Jetzt gibt’s Salatwaschungen in einer Metallschüssel – auch nur für ein paar Euronen mehr.

Mein Traum ist ein Heim, in dem das meiste aus Holz oder Metall ist – und nur das Nötigste aus Plastik. Beim Plastik zeigt sich die Doppelköpfigkeit des Fortschritts. Ein eigentlich geniales Material, ohne das die Wirtschaft und der technische Fortschritt weit zurückfielen – aber das „falsch“ verwendet einfach nur gammlig, billig und so hässlich wirkt, dass sich Roger Scruton im Grab umdrehen würde.

Dabei darf der emotionalisierte Konservative nicht einen weiteren Aspekt vergessen: Durch effizientere Produktionsmethoden, mehr Rohstoffgewinnung und Recycling ist es auch möglich geworden, für wenig Geld an absolut wertige Metall- oder Holzprodukte zu kommen. Ein Fakt, den man sich stets ins Bewusstsein rufen sollte: Für eine sauscharfe und unkaputtbare Metallschere hätte man vor 200 Jahren sicherlich noch einen Monatslohn gezahlt.

Normalerweise habe ich schnell irgendwelche fixen Theorien bei der Hand. Warum ich – oder eben man – Plastik aber so sehr hasse? Keine Ahnung. Weil es sich merkwürdig anfühlt? Eher nicht – am Laptop oder der Kaffeemaschine stört man sich auch nicht. Weil es „billig“ schreit? Möglicherweise, aber es gibt auch billiges Holz und Metall – und man stört sich auch nicht so recht am Gebrauchsgegenstand der Plastikflasche.

Vielleicht hasse ich auch nur ganz bestimmtes Plastik, das man gar nicht so leicht kategorisieren kann. Dieses Nippes-Plastik, das man beim Tanken geschenkt bekommt. Das immer mindestens zwei grelle Neonfarben vorweist. Bei dem man noch die „Gussnaht“ erkennt. Das im Ein-Euro-Laden neben der Kasse hängt. Eben das Plastik, das beim RTL-Nachmittagsprogramm auf dem Fliesentisch liegt.

Mein Feldzug geht weiter, was mitunter absurde Blüten trägt. Eine Fliegenklatsche ohne Plastik? Gibt’s nicht? Gibt’s ja wohl! Fliegen sind noch nie so edel gestorben. Knapp hinter Plastik kommen in meiner Abneigungsskala übrigens diese feisten, widerwärtigen Stubenfliegen, die es neuerdings viel häufiger gibt. Aber dazu nächste Woche mehr.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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