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Nachtritt statt Nachruf – Der Mord an Shinzo Abe und das deutsche Medienecho

14. Juli 2022
in 5 min lesen

Von Joshua Salewski

Er folgt der Wissenschaft, krempelt den Ärmel hoch. Er hält Waffenverbotsschilder für „sinnvoll“, ebenso die Corona-Maßnahmen, obschon es dafür keine Evidenz gibt. Geht’s gegen Putin, schnallt er den Gürtel enger. Pazifist ist er UND für Waffenlieferungen. Ja, damals, das erste Buch von Richard David Precht, das war schon was… Er erinnert sich: Der Stabilo-Textmarker, fast aufgebraucht – so viele geniale Passagen gab’s da (die er per WhatsApp verschickte, an Soziologie-Studentinnen; aber sie lassen ihn nicht ran, sondern rufen nur an, wenn der Computer oder das Auto streikt). Easy Rider, born to be baerbocked, der Marlboro Man minus Marlboro, das Bier ohne Alk. Auf dem (Lasten-)Rad trägt er lieber Maske statt Helm. Aber die Durchlüftung des Hauptes will nichts nützen – der Idiot weiß niemals, dass er ein Idiot ist. Sonst wär er ja keiner!

In der Synapsenwüste des deutschen Wokisten bleibt für die banale Erkenntnis kein Platz: Das Einzige, was Waffengesetze bzw. -verbote jemals bewirkten, ist, dass rechtschaffene Bürger entwaffnet und gegenüber anderen wehrlos sind. Indessen Kriminelle und Psychopathen (wozu ich ausdrücklich auch unsere Politkaste zähle) sich freudig weiter bewaffnen. Schließlich wäre der Kriminelle – nomen est omen – ja kein Krimineller, wenn er sich an die Gesetze hielte. Captain Obvious, bitte übernehmen Sie! Merkste selbst, ne?

Am 8. Juli 2022 wurde Shinzo Abe, der Ex-Premierminister Japans, auf einer Wahlkampfveranstaltung angeschossen und dabei tödlich verletzt. Zwar hat Japan ein generelles Waffenverbot, von dem nur die Polizei ausgenommen ist. Und allein ein Probeschuss ins Leere kann mit Haft bis zu drei Jahren bestraft werden. Nicht allerdings die Nutzung eines 3D-Druckers. Laut forensischer Einschätzung der Nihon University bastelte der Täter sich die Waffe daheim zusammen. Im Grunde könne das jeder, ein halber Tag würde reichen – so man sich nicht gänzlich dumm anstellt. Indes die Bodyguards des altgedienten Politikers wohl weder Zeit noch Mittel hatten, um den angeblich anti-religiös motivierten Angriff zu vereiteln. Das Attentat auf Abe zeigt also, wofür selbst die strengsten Waffengesetze gut sind – nämlich für ’n Arsch.

Durch „stern“ lesen soll Nippon genesen

Derweil die anständigsten unter den deutschen Qualitätsmedien (tagesschau, stern und Handelsblatt) die Gelegenheit beim Schopfe packten und noch in der Schlagzeile zu Shinzo Abes Tod auf seine „rechte“ Gesinnung hinwiesen. Richtig und wichtig, nicht wahr? Damit der gemeine, „antifaschistisch“ geneigte Leser auch weiß, dass es im Grunde den Richtigen traf. Die Beschreibung, dass Abe auf offener Straße niedergestreckt wurde, und nicht etwa einer überdachten, ist Investigativjournalismus, wie wir ihn lieben. Allerdings vermissen wir den sonst üblichen Zusatz, dass der Betroffene zudem „umstritten“™ war!

Praktisch … Obendrein taugt der Fall als Warnung an hiesige Rechtspopulisten: Und willst du kein Linker sein, fliegt 1 Kugel dir in Fresse rein. Auch die Frankfurter Rundschau schafft es offenbar nur unter höchster humanistischer Anstrengung, dass die Schadenfreude zwischen den Zeilen bloß mitschwingt und nicht gleich Trampolin springt: „Shinzo Abe hat Japan lange regiert und nach rechts gerückt. Nun ist er offenbar ausgerechnet (!) einem ehemaligen Armeeangehörigen zum Opfer gefallen.“

Wobei „ausgerechnet“ hier bitte mit „selbst schuld“ zu übersetzen ist. Die Feministin Veronika Kracher (taz) würde wohl anmerken: „Dass Abe abgeknallt wurde, ist übrigens die konsequente Durchführung von #NazisRaus.“ (Vgl. ihren Tweet zum „Antifa“-Angriff auf den AfD-Politiker Frank Magnitz, Januar 2019.)

Von Soja-Boys und Krokodilstränen

Dass sich gerade in Deutschland immer mehr Jugendliche für Japan begeistern, darunter auch Klima-, Kobold- und Klebstoff-Kommunisten, ist einigermaßen kurios. Denn die ehemalige Achsenmacht ist seit jeher eine (erz)konservative, streng hierarchische und bisweilen xenophobe Gesellschaft, oder anders formuliert: Höcke und Kalbitz dürften sich dort vermutlich anhören, dass sie linksgrün versiffte Soja-Boys wären. Vor diesem Hintergrund darf man dann auch die roboterhaft abgespulten Kondolenzen, unter anderem und ausgerechnet von Angela Merkel, als Krokodilstränen auffassen: Würde die deutsche Polit-Intelligenzija nämlich so was wie Prinzipientreue kennen, so müsste sie den japanischen Parlamentarismus nämlich als menschenfeindliche, „ultrarechte Nazi- und Schwurbler-Veranstaltung“ bezeichnen. Und ihre Phrasen in die Tweetosphäre blasen, dass Mord ja sicherlich keine Lösung sei, ABER so was eben passiere, wenn Rechte den „Nährboden für Hass und Hetze“™ bereiten. Doch allgemein passiert „so was“ in Japan ja eben gerade nicht: „Todesfälle durch Schusswaffengewalt liegen in dem 125-Millionen-Einwohner-Land jedes Jahr [nur] im einstelligen Bereich.“ (Bild-Zeitung, 9. Juli 2022)

Der Mord an Ex-Premierminister Abe ist also insofern außergewöhnlich, als Japan nach Liechtenstein und Monaco die weltweit niedrigste Tötungsrate hat. Dies dürfte einerseits der buddhistisch-shintoistischen Tradition geschuldet sein, welche Solidarität und Hilfsbereitschaft unter den Menschen gebietet. (Wobei „Solidarität“ hier nicht mit jener westlichen Begriffspervertierung zu verwechseln ist, bei der man sich das gute Gewissen und den Beifall seiner Mitmenschen durch gratismutige Facebook-Parolen er„hashtagt“… oder mit jenem Phänomen, dass man die Gruppe der schützenswerten „Vulnerablen“ erst mit Ausrufung einer halluzinierten Pandemie entdeckt haben will.) Andererseits ist anzunehmen, dass auch die strikte Migrationspolitik zur hohen inneren Sicherheit Japans beiträgt. In Tokio, Osaka oder Kobe nächtens von einer „Fachkraft“ angetanzt, abgezogen, abgeknallt oder gemessert zu werden – das ist so wahrscheinlich wie ein kluger Satz aus dem Mund des Könnte-Kanzlers Scholz.

Zwar regte die UNO bereits 2000 in einem Strategiepapier an, dass das geburtenschwache Japan (neben Deutschland und Italien) jedes Jahr mehrere Hunderttausend Migranten aufnehmen solle und betitelte diese Agenda unverhohlen als „Replacement Migration“. Was übersetzt übrigens nichts anderes als „Umvolkung“ bedeutet. (Aber das ist ja wieder „Verschwörungstheorie“™, gell?) Doch die Japaner sind ein stures wie stolzes, auf Souveränität erpichtes Volk, das sich seinen „Way of Life“ nicht durch das westliche Handbuch neosozialistischer Mental-Diarrhö diktieren lässt. Und schon gar nicht, nachdem sich 1945 zwei US-Atombömbchen in die Großstädte Hiroshima und Nagasaki „verirrten“ und dort etwa ein Drittel der Bevölkerung dezimierten (der humanitäre WerteWesten™ hat nun mal Tradition).

Anschließend sahen Zensurgesetze der Amerikaner vor, dass die Atombombenabwürfe in japanischen Medien nicht erwähnt werden durften. Indes Journalisten und Künstler kreative Wege fanden, um das Verbot zu umgehen: Als Metapher für das nationale Trauma ersann Tomoyuki Tanaka die bis heute populäre Filmechse „Godzilla“, geboren aus den Trümmern radioaktiver Verwüstung. Auch der Multimillionen teure Kinohit „Akira“ (1988) griff das Motiv des „Phönix aus der Asche“ auf, präsentierte sich in sündhaft cooler Blade-Runner-Ästhetik und etablierte den Anime im Westen. Die Cyberpunk-Dystopie von Katsuhiro Otomo verquickte den nietzscheanischen Übermensch-Topos und transhumanistische Elemente mit der Kritik am Szientismus und spielte mit der japanischen (Ur)angst vorm Fremden. Ein korporatistisches Terrorregime, das auch vor genmanipulativen Zwangseingriffen an Kindern nicht haltmacht, weckt den Widerstand jugendlicher Biker-Gangs. Déjà-vu? Ganz recht, quasi Querdenker versus Lauterbach, der Film – bloß mit Motor- statt Lastenrädern.

Wiederum warf der SciFi-Anime „Ghost in the Shell“ bereits einige Jahre vor „The Matrix“ die Fragen auf: Wie und woraus konstituiert sich unsere sogenannte Realität?; Was ist das Menschliche, was „die Seele“, wenn wir unsere (physisch-biologischen) Grenzen zusehends überwinden und kognitive Prozesse auslagern?

No Country for Party- und Eventszene

Die bis 1972 währende Besatzungszeit war den Japanern „buntes Multikulti“ genug: Allein in der Präfektur Okinawa sind 350 Fälle von Sexualverbrechen durch die alliierten Siegermächte dokumentiert (Stand 2016).⁵ Entsprechend mag es kaum verwundern, dass die Inselnation das europäische Bessermensch-Diktum „Refugees welcome“ eher mit einem lakonischen „Nee, lass mal stecken“ quittiert.

Japan erkennt nur ein Prozent aller Asylgesuche an. Im Jahr 2020 waren es 47 (sic!) Zuwanderer, die eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo Migranten nach dem Motto „Kuckuck, hier bin ich“ verfahren, müssen Bewerber in Japan die Gefährdung ihres Lebens in ihrer Heimat konkret nachweisen. Ja, man läge nicht gänzlich daneben, wenn man sagte: Japan, das ist der feuchte Traum des Ethnopluralisten – AfDhausen, nur mit Sushi und Sake.

Gastautor

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