Taiwan, laut der 1947 in Nanking beschlossenen Verfassung immer noch die Republik China, in den Zeiten des Kalten Krieges als „Nationalchina“ bekannt oder laut damaliger Eigendarstellung das „Freie China“, feiert jeweils am 10. Oktober seinen Nationalfeiertag.
Im Regierungsviertel Taipeis mit Präsidialamt, Außenministerium und dem staatlichen Gästehaus für ausländische Besucher ist festlich geflaggt und auch 2021 fand wieder eine Militärparade statt, inklusive Raketen.
10. Oktober – Tag der Xinhai-Revolution
Da seit 2016 die Progressiven unter der erklärten Merkel-Bewunderin Präsidentin Tsai Ing-wen wieder an der Macht sind, fällt dieses früher beeindruckende Spektakel mittlerweile zunehmend multikulturell aus. Erinnert wird an den 1911 erfolgten Sturz der letzten kaiserlichen (übrigens von sinisierten Mandschus gegründeten) Qing-Dynastie und die am 1. Januar 1912 erfolgte Ausrufung der ersten Republik in Asien.
Generalissimus Chiang Kai-shek (1887-1975) und seine Mannen, Ende 1949 nach dem endgültig verlorenen Bürgerkrieg vor Mao Tse-tung (1893-1976) und seinen kommunistischen Schergen (ursprünglich nur provisorisch) auf die Insel geflohen, sahen sich als legitime Erben von Staatsgründer Sun Yat-sen (1866-1925). Dieses Konzept ist aber nicht unumstritten, denn von 1895 bis 1945 war Taiwan als japanische Kolonie fester Bestandteil Nippons und hatte mit den dramatischen Ereignissen auf dem chinesischen Festland kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts rein gar nichts zu tun.
200.000 Taiwanesen, darunter auch zahlreiche Ureinwohner malaiisch- polynesischen Ursprungs, wurden im 2. Weltkrieg eingezogen, um im Pazifik und in China zu kämpfen. Fast 30.000 ließen ihr Leben für den Tenno, darunter der ältere Bruder des früheren Präsidenten Lee Teng-hui (1923-2020), der 1945 als Marineinfanterist auf den Philippinen fiel. Ihm wird im Yasakuni-Schrein in Tokyo gedacht.
Durch die jahrzehntelange Alleinherrschaft der Kuomintang (KMT), die bis zur Demokratisierung Taiwans in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihren Anspruch auf die Rückeroberung ganz Chinas nie aufgab, hat sich dieser herbstliche Feiertag etabliert. Die roten Mandarine in Peking ihrerseits bestehen nach wie vor auf einer „Wiedervereinigung“ und betrachten Taiwan lediglich als abtrünnige Provinz, die in den Schoß des Mutterlandes zurückgeführt muss.
Der Griff des Drachen
Xi Jinping, seit 2018 der neue „Große Steuermann“ auf Lebenszeit, droht einigermaßen regelmäßig mit Gewalt, um dieses für ihn und seine vielen Gesinnungsgenossen nicht verhandelbare Ziel zu erreichen. Erst kürzlich erklärte der chinesische Präsident, dass es unbedingt dazu kommen würde und warnte wieder mal vor ausländischer Einmischung in eine rein innerchinesische Angelegenheit. Seit letzter Woche haben fast 150 seiner Flugzeuge den taiwanesischen Luftraum verletzt.
Die stetig wachsende wirtschaftliche und politische Macht Chinas wird durch den rapiden Niedergang des Westens weiter begünstigt. Man tritt zunehmend forscher auf, wie zuletzt die amerikanisch-chinesischen Verhandlungen in Alaska gezeigt haben.
Seit ihrer Gründung vor 72 Jahren war es für die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen mit der kommunistischen Volksrepublik stets Voraussetzung, diese mit Taiwan abzubrechen. Das alte Formosa hat dementsprechend international einen sehr schweren Stand: gerade 15 kleine, meist arme Länder (Belize, Guatemala, Haiti, Honduras, die Marschall-Inseln, Nicaragua, Nauru, Palau, Paraguay, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Tuvalu sowie der Vatikan) erkennen heutzutage Taiwans Souveränität noch an.
Wie viel eigenständiger Staat ist damit auf Dauer zu machen?