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Neurechte Aufbrüche. Eine Kritik

28. Juni 2021
in 7 min lesen

Von Theo Redlich

Vorab: Dieser Text ist nicht als Angriff auf Patrioten zu verstehen, die seit Jahren ihr Gesicht für die Sache hinhalten und dadurch mit Outings, Angriffen und gesellschaftlicher Ächtung leben müssen. Im Gegenteil. Sie haben unter Inkaufnahme massiver Nachteile eine sichtbare, wenn auch schmale Schneise geschlagen, die uns vieles lehrt und sicherlich auch eine gewisse gesellschaftliche Wirkung erzielen konnte. Es muss auch in der Rechten möglich sein, die eigenen Vordenker und Strategen konstruktiv zu kritisieren. Auch jahrelanger Aktivismus kann anfällig für Betriebsblindheit sein.

Foto von Rachel Claire von Pexels

Es war 2015, als eine patriotische Welle durch das Land schwappte. Kritische Menschen fanden sich landauf landab zusammen, bildeten Strukturen, gingen auf die Straße, während die AfD ihre politischen Gegner verbal vor sich hertrieb. Viel wurde nun schon in einschlägigen rechten Kreisen, Blogs und Zeitschriften über die Ursachen der aktuellen Stagnation, wenn nicht gar Rezession des rechten Lagers debattiert – und viel Richtiges wurde gesagt.

Es wurden die berechtigten Fragen gestellt, ob man nicht gar „systemstabilisierend“ sei, ob ein „weiter so“ zielführend oder ob das Agieren mit „offenem Visier“ in der aktuellen Situation sinnvoll erscheint. Die folgenden Anmerkungen sollen ein konstruktiver Debattenbeitrag sein und Denkanstöße liefern:

1.) In der Ruhe liegt die Kraft

Aktivismus ist wichtig. Die Arbeit des politischen Vorfelds ist wichtig und hat uns um 2016 herum großartige „Landgewinne“ eingespielt. Es sind schnelllebige Zeiten und eine Anpassung an diese, fällt nicht immer leicht. Was vor 5 Jahren wirkungsvoll war, ist es möglicherweise heute nicht mehr. Diese Frage muss sich jeder politische Mensch und Aktivist immer stellen.

Eine Aktion nur um ihrer selbst willen, zur Befriedigung des eigenen Narzissmus oder als Lebenszeichen für die eigene Gemeinschaft hat keinen politischen Wert. Sie ruft jedoch in jedem Fall Repression hervor und gefährdet das eigene Personal. Dem Aktivisten ist eine erhöhte „Thymos-Spannung“ eigen, die ihn zu ständigem Tatendrang anhält.

Kritisieren möchte ich eine Art „Krisenhopping“, das in jeder noch so absurden Menschenansammlung Verbündete sieht und beinahe verzweifelt nach Anschluss an diese sucht. Der politische Kompass bleibt dabei zu oft in der Tasche oder wird nach kurzer Zeit auf dem Altar der Kompromisse gleich ganz geopfert.

Die missglückte und in Teilen aufgeregte Anschlusssuche an Corona-Demos hat gezeigt, wie wenig gewinnbringend dies für unser Lager ist. Im Nachhinein betrachtet hatte dies lediglich das Risiko der Demoralisierung, Spaltung und Verwässerung des eigenen Lagers. Man muss den Zeiten ins Auge sehen und dabei klar und nüchtern erkennen, dass die Hochzeiten patriotischer Mobilisierung vorerst vorbei sind.

Es gleicht einer Jagd nach Fata Morganen, in jedem Aufwallen vorübergehender gesellschaftlicher Konflikte das Potential eines rechten Umbruchs zu wittern. Die immer wieder bemühte „schweigende Mehrheit“ existiert nicht. Mehr Selbstbewusstsein und inneres Ruhen und eine genauere Analyse würden helfen, gegen einen drohenden Krisen-Burnout.

Die Distanzeritis im eigenen Lager ist immer noch groß genug und ein Beharren auf parteipolitischem Einfluss hat stark spaltende Wirkung. Natürlich wäre es schön, die AfD in unserem Sinne zu beeinflussen und zeitgleich müssen wir uns die Frage stellen, ob wir es damit unserem Gegner nicht zu einfach machen, diese als komplett „rechtsextremistisch“ zu etikettieren.

Bezeichnungen wie „Cucks“ und „Liberale“ sollten vor allem in eigenen Lager mit Bedacht verwandt werden. Gleichzeitig diesen Keil zu treiben während man von Einheit spricht, ist ebenso heuchlerisch, wie ein Bundessprecher, der Parteitage für seine eigene Machtpolitik nutzt.

Mehr Ausgewogenheit und Überlegtheit statt Gepolter und Stammtischparolen. Eine Protestpartei hat kein langes Leben. Glaubwürdigkeit und Integrität gewinnt man nur durch eigene Positionen – und die haben wir!

2.) Verbrannt und verpokert

2015 warf sich eine Phalanx junger, entschlossener Menschen in die Bresche für die Zukunft Europas. Diese Idealisten haben dafür seitdem einen hohen Preis bezahlt und werden erst nach vielen Jahren der Zurückhaltung zurück in ein bürgerliches Leben finden können. Um Missverständnisse zu vermeiden: Das war es wert. Es braucht Männer die in einer Schlacht vorangehen, ungewiss ob dessen Ausgang.

In der Rückschau müssen wir jedoch bilanzieren, dass ein derartiger Verschleiß von Mensch und Material für das eigene Lager nicht nachhaltig ist. Die Jugend ist jedoch für eine nachhaltige gesellschaftliche Veränderung essentiell. Leider mangelt es dem patriotischen Lager jedoch genau daran. Oder: der Zeitgeist hat die Jugend fest im Griff. Die wenigen jungen, motivierten Menschen, die sich unserer Sache annehmen sind daher Glücksfälle und entsprechend zu behandeln.

Sie für wenig attraktive Aktionen zu verheizen oder sie für ein paar Klicks zum „Gesicht zeigen“ zu drängen, führt in der Folge zu Outings, gesellschaftlicher Ächtung und Bedrohung. Zurückgezogen und geächtet fristen diese, unsere Leute nun in zweiter und dritter Reihe ein prekäres Dasein. Dass dies so ist, sagt viel über unsere Gesellschaft aber mit diesem Faktum müssen wir umgehen. Die erfolgreichste Jugendbewegung der Neuen Rechten hat gesellschaftlich ihre Unschuld aus den Anfangsjahren verloren, auch durch taktische Fehler.

Dass Recherchen und Presse die politischen Laufbahnen der Aktivisten durchleuchten würden, hätte klar sein müssen. Ebenso, dass man sich nicht zu plumpen Gewalttaten vor der eigenen Haustür hinreißen lässt. Dass ihr auch noch ein offenbar geistig verwirrter Massenmörder Geld spendete, dürfte wohl der Sargdeckel für diese junge aber dennoch verbrauchte Widerstandbewegung bedeutet haben.

Sie besitzt für uns metapolitisch keinerlei positive Aura mehr. Alles was sie anfasst, verbrennt vor unseren Augen. Jedes zunächst noch so anschlussfähige Topos wird nach Kontakt mit ihr medial in der Luft zerfetzt. Dasselbe gilt für Personen. Die Kosten zur Unterhaltung dieser Struktur sind deutlich höher als ihr derzeitiger Gewinn. Die Verleumdungs- und Zensurwellen haben ganze Arbeit geleistet, bekamen aber auch immer wieder Futter geliefert.

Etwas weniger Endzeitstimmung, Angstrhetorik und Verbissenheit hätten auch hier gut getan und manchmal sollte man eben doch aufhören, wenn es am Schönsten ist. Ähnlich wie dies im Bereich der aktiven Fußballfanszene mit Gruppen geschieht, wäre ein klarer, mit einer feierlichen Auflösungserklärung versehener Schnitt spätestens nach der blockierten Demo in Halle 2019 konsequent gewesen.

Auch auf die Gefahr hin, etwas zu früh aufgegeben zu haben, wäre dieser jugendhafte Aufbruch in ehrendem Gedenken geblieben, anstatt sich, wie nun geschehen hoffnungslos und in Bedeutungslosigkeit zu verlieren. Manchmal muss das Ego für die Sache zurückstehen, auch wenn das Sterbenlassen eines eigenen Projektes nie einfach ist. Dies gilt auch für Popup-Bewegungen wie den Gelbwesten oder Querdenkern.

Jenen erweist man einen Bärendienst, wenn man dort als bekannter rechter Influencer oder Aktivist auftaucht und sich dort produziert. Diverse Journalisten und selbsternannte Recherchezirkel greifen diese Steilvorlage zu gerne auf und können diesen Bewegungen ihren Nazi-Stempel genüsslich aufdrücken. Themen verbrennen unter unserer Hand.

In selbstherrlicher Arroganz werden Themen gekapert und an sich gerissen. Häufiger einfach erstmal das zarte Widerstandspflänzchen gedeihen lassen würde der Rechten gut stehen – auch um die eigene Glaubwürdigkeit zu wahren. Auf jede noch so abstruse und vorüberg
ehende „Widerstandsbewegung“ aufzuspringen, bindet nicht nur Kräfte und verbrennt eigenes Personal, es wirkt teilweise auch einfach albern, auch wenn der Bedarf nach Sichtbarkeit und Präsenz nachvollziehbar ist.

3.) Linksruck eigener Positionen und Ästhetik

Ähnliches gilt für Ausrichtung und Stilistik. Wer auch hier glaubt, man müsse dem hippen, globalistischen Schick nacheifern, um ein paar Jugendliche einzufangen, der irrt. Wenn wir uns derlei Annehmen, verändern wir nicht den Zeitgeist, sondern stärken ihn nur. Natürlich muss man auch digital Präsenz zeigen und eine professionelle Medienstrategie verflogen. Dies bedeutet jedoch nicht, Aktivismus mit Fotos und echte Metapolitik mit Klicks und „Followern“ zu verwechseln.

Es steht uns schlecht, wenn wir uns auf digitalen Aktivismus verlagern und uns in der eigenen Filterblase in die Tasche lügen. Die Klickzahlen patriotischer und rechter Formate sind sehr überschaubar und spätestens seit es „Hatespeech“ gibt, können wir so kaum neue Menschen gewinnen.

Das sprichwörtliche Schmoren im eigenen Saft ist die Konsequenz und fühlt sich zu oft zu gut an. Und manchmal wirkt es verzweifelt, wenn Rechte sich an Secondhand und Öko-Blogs versuchen. Dem Gegner nicht das Feld zu überlassen ist richtig, sich aber derartig zu verbiegen, nur um auch „grün“ und „sozial“ zu wirken, verwirrt manchmal auch die eigene Klientel.

Wenn wir von Kontrakultur sprechen, so meinen wir keine weitere beliebige Subkultur, sondern etwas Eigenes, grundlegend Konträres zum Bestehenden. Und dies geschieht ganz sicher nicht über zahllose Instagramprofile, Gangsterrap oder Poserfotos. An dieser Stelle müssen wir mittlerweile auch selbstkritisch über die Lifestyle-Rechte sprechen:

Memewar, nerdigen Computerspielen oder „Patriotischen Apps“ wird zu häufig eine Bedeutung beigemessen, die sie bewiesenermaßen nicht besitzen. Zu oft wirken derartige Projekte eher der Selbstvergewisserung des eigenen Aktivismus ohne dabei Kosten und Nutzen abzuwägen, ganz abgesehen von der Frage, ob das alles „Rechts“ ist.

Der Zweck heiligt eben doch nicht alle Mittel. Unüberwindbar scheint in diesem Zusammenhang auch die Kluft zwischen Kapitalismusbefürwortern und Solidarpatrioten inner- und außerhalb der Partei zu sein. Inwiefern die vielfachen Sympathien für eine bekannte Marxistin mit einer rechten Weltanschauung einhergehen, ob es an ihrer Ausstrahlung oder eigener Unzulänglichkeit liegt, erschließt sich mir nicht. Eine politische Machtoption ist dies jedoch nicht. Der Anschluss sollte natürlicherweise an das echte konservative Lager gesucht werden.

Vorab sollte man vorhandene Gräben zuschütten und die vielfach geforderte Einheit leben und nicht nur propagieren. Mehr Mut zum Eigenen und sich weniger vom woken Mainstream beeinflussen lassen. Rechts sein, heißt festhalten.



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