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Noch einmal Dresden

23. Februar 2023
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Wir müssen, wie jedes Jahr im Februar, wieder über Dresden reden. Ja, ich weiß: Eigentlich komme ich hierfür eine Woche zu spät, denn die Bombennächte über dem einstigen Florenz an den Elbufern ereigneten sich bereits am 13. und 14. Februar. Und außerdem wollte ich ohnehin gar nicht über dieses Thema schreiben. Doch schon am Gedenktag selbst überkamen mich einige Gedanken zum Umgang mit der Zerbombung Dresdens und deutscher Städte allgemein im Zweiten Weltkrieg. Wie geht richtiges Gedenken? Ab wann wird es unwürdiger Kitsch?

Auslöser dafür war ein Besuch der Stadt mit Freunden anlässlich des Gedenkkonzertes in der Semperoper am 13. Februar. Mit der Aufführung der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach samt anschließender applausloser Schweigeminute fand ein, wie ich fand, würdiges Gedenken der Zerstörung statt. Was mir beim Hin- und Rückweg vom Bahnhof zur Oper aber auffiel: Es war durchaus ruhig, ja, merkwürdig ruhig in der Stadt. Klar, es gab hier und da Reden und Demos, aber von großer Unruhe war nichts zu spüren. Beim Spaziergang zurück zum Bahnhof – wir machten einen kleinen Umweg zur Frauenkirche – waren hauptsächlich „Normies“ unterwegs, also unpolitische Leute, die Kerzen entzündeten und still der Opfer gedachten.

Hauptsächlich, wie gesagt, denn es gab Ausnahmen: Am Altmarkt wurden meine Freunde und ich Zeuge, wie eine Gruppe junger Linksradikaler eben jene „Normies“ mit „Nazis raus!“ und ähnlichen Parolen beschimpfte. Es kam zu einem kurzen Wortgefecht, und so schnell das verbale Duell zwischen Zoomer-Zecken und Boomer-Sachsen eröffnet wurde, so schnell war es auch wieder vorbei. Tja, so schnell sich die Linken auch aus dem Staub machten, in mir wurde die Weißglut für einen kurzen Moment entfacht. Keinen Respekt vor nichts haben sie! Gut, ist ja nichts Neues unter der Sonne, dass Linke kein Benehmen oder gar Anstand haben, aber dieser kurze Vorfall brachte mich zum Nachsinnen über den Umgang mit den Bombardierungen und dem Gedenken daran.

Dazu wäre erst mal festzustellen, wie man nicht mit der Zerstörung umgehen sollte. Tja, denn im (weiter gefassten) rechten Lager gibt es genug Leute, die die Bombennächte von Dresden dazu nutzen, sich in nicht minder peinlicher Weise, wie Linke es gerne tun, in der Opferrolle zu suhlen. Damit wir uns vorneweg nicht falsch verstehen: Natürlich waren die Zivilisten in Dresden Opfer einer militärisch völlig sinnfreien Aktion, einer Machtdemonstration, eines Racheaktes – Dresden, dessen militärische Anlagen nicht das Hauptziel der Royal Air Force waren, ist ja kein Einzelfall; Städte wie Pforzheim, Hamburg oder Köln wurden ja auf ähnliche Weise eingeäschert. Aber sich derart auf den Boden zu werfen, um sich unschuldig als Opfer darzustellen – ist das der tatsächlichen Opfer würdig? Ich denke nicht.


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Das Suhlen im Opferschlamm überlassen wir mal besser den Linken. Hinzu kommt, dass aus dieser Motivation heraus – sich möglichst lämmlich in den Staub zu werfen – gerade unter den Boomern das Übertreiben der Opferzahl besonders beliebt ist: Jeder, der von sechsstelligen Zahlen spricht, macht sich selbst unglaubwürdig. Die historischen Aufarbeitungen sind eindeutig, und auch die Behörden des Dritten Reiches kamen (anfangs) auf nicht mehr als die heute offiziellen circa 25.000 Opfer.

Hinzu kommt noch, dass gerne zweifelhafte Zitate alliierter Befehlshaber verbreitet werden. Besonders beliebt: „Ich will keine Vorschläge hören, wie wir kriegswichtige Ziele im Umland von Dresden zerstören können; ich will Vorschläge hören, wie wir 600.000 Flüchtlinge aus Breslau in Dresden braten können“, welches dem ollen Churchill zugeschrieben wird. Sie sehen, lieber Leser, ich habe für diesen degenerierten Aristokraten ebenfalls nicht viel übrig, das darf aber trotzdem keine Entschuldigung dafür sein, ihm unbelegte Zitate in den Mund zu legen. Es ist nicht nur in gewisser Weise ehrverletzend, sondern man macht sich auch noch lächerlich.

Mir selbst gehen die Diskussionen um Opferzahlen ohnehin auf den Geist. Ich muss gestehen: Mich interessieren sie nicht. Mir sind die menschlichen Opfer fast egal, so harsch das klingen mag. Was ich der Royal Air Force wie der Luftwaffe – „unsere“ Leute haben sich da ebenfalls alles andere als mit Ruhm bekleckert; man denke nur an Warschau, Rotterdam und Coventry – besonders übel nehme, ist die bewusste und unumkehrbare Zerstörung europäischen Kulturguts. Das ist ein wahres Verbrechen gegen das Erbe des Geists der abendländischen Zivilisation. Nicht nur die Frauenkirche in Dresden, die Potsdamer Garnisonkirche oder die Kathedrale von Coventry gingen ein, sondern auch der Charme der unzähligen Fachwerkhäuser, der Glanz der frühneuzeitlichen Patrizierhäuser oder der Stuck der Gründerzeitbauten, die allesamt in den Städten Europas den gierigen Flammen des modernen Krieges zum Opfer fielen.

Deshalb: Ein würdiges Gedenken wäre nicht nur angemessene Stille nach guter geistlicher Musik, wie sie am 13. Februar in der Semperoper zu hören war, sondern auch das Verschönern unserer Städte, das Heilen der Wunden. Wie gut es uns allen doch täte, wenn wir in Dresden die Strecke vom Hauptbahnhof zur Altstadt zu Fuß bewältigten und dabei in der Prager Straße keine Betonwüste begaffen müssten, sondern reizenden Altbau? Tja, das wäre zumindest ein Anfang…

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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