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Reden wir über Kapitalismus – Das Lied von der Meyer Werft

16. September 2024
in 2 min lesen

Zwei Weltkriege, zwei Währungsschnitte und eine sozialistische Diktatur haben in der deutschen Unternehmensgeschichte ihre Spuren hinterlassen. Und doch gibt es sie noch: jene Traditionsunternehmen, deren Entstehung und Aufstieg untrennbar mit dem Schicksal unserer Nation verknüpft sind. Dort, in den Produktionshallen und Büros, an den Fließbändern und Reißbrettern entfalteten sich über Generationen jene Eigenschaften, die uns Deutsche in der ganzen Welt auszeichnen: Fleiß, Innovationskraft, Organisationstalent, die Freude beim Anblick des reibungslosen Ineinandergreifens der Elemente. Unsere Kultur ist eine Kultur der Arbeit, wovon nicht nur die zahllosen tradierten Berufsbilder Zeugnis geben, sondern auch die regelrecht mystische Ergriffenheit unserer Geistesgrößen beim Anblick konkreter Produktionsprozesse. Es war Schiller, der dem faszinierenden Handwerk der Glockengießer mit seinem „Lied von der Glocke“ ein ewiges Denkmal setzte und dabei jenen Sinnspruch prägte, der in einem besseren Deutschland über der Tür eines jeden Bürgerhauses stehen könnte:

„Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis; Ehrt den König seine Würde, Ehret uns der Hände Fleiß.“

Kommen wir von hier aus zur Meyer Werft: 1795 in Papenburg von Willm Rolf Meyer gegründet, baut die Werft seit über 200 Jahren Schiffe, oder um es konkreter zu fassen: Seit 1795 gibt die Werft den Menschen der Umgebung Arbeit, Auskommen und Sinn, seit 1795 grübeln die hellsten Köpfe des Unternehmens über Konstruktionsplänen, während die starken Hände zunächst aus Holz, später dann aus Stahl die immer gewaltigeren Schiffsrümpfe erschaffen. Seit einigen Jahrzehnten hat sich die Meyer Werft auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert – sie entging damit der Krise des Frachtschiffsbaus, der ab den 1970ern zum großen Werftensterben führte.

Die Auftragsbücher der Meyer Werft sind voll, nach dem Einbruch durch Corona verzeichnet die weltweite Nachfrage nach touristischen Schifffahrten einen neuen Rekord. Weil während der Pandemie viele Schiffe abgewrackt wurden, ist die Ausgangslage für das deutsche Traditionsunternehmen eigentlich gut. Eigentlich. Die durch die Regierung ins Horrende getriebenen Energiepreise machen aber landauf, landab den Unternehmen einen Strich durch die Kalkulationen. So verwundert es nicht, dass auch die Meyer Werft ein enormes Finanzierungsproblem hat, weil die Produktionskosten aufgrund der verteuerten Energie enorm angestiegen sind. Raum für Nachverhandlung mit den Auftraggebern der Schiffe besteht quasi nicht, zudem werden etwa 80 Prozent des Preises erst bei Übergabe des Schiffes beglichen. Daraus ist für die Meyer-Werft die absurde Situation entstanden, dass sie trotz glänzender Marktaussichten von den aufzubringenden Vorleistungen erdrückt wird.

Absurd ist auch die Tatsache, dass die sozialistische Landesregierung von Niedersachsen viel dafür getan hat, den eigenen Wirtschaftsstandort so unattraktiv wie möglich zu machen: So bezog die Meyer Werft ihren Strom von den Atomkraftwerken Emsland und Grohnde – beide fielen dem energetischen Nero-Befehl der Regierung Merkel zum Opfer. Niedersachsens Landesregierungen stellten sich nicht gegen diesen Kurs, sondern forcierte ihn sogar noch.

Jetzt werden der deutsche Staat und das Land Niedersachsen die Meyer Werft übernehmen. Den Betriebsrat freut die Verstaatlichung, hier wäscht nach der Übernahme durch den Staat sowieso eine Hand die andere. Brisant wird es aber in Sachen Wettbewerbsverzerrung. Die ist nämlich nicht nur auf nationaler Ebene offensichtlich, sondern wird auch innerhalb Europas noch für viel Aufsehen sorgen. So prognostiziert „Tichys Einblick“:

„EU-Kenner glauben, dass das von der Ampel geplante Paket in Brüssel so nicht durchzubekommen ist. Zumal Deutschland häufig genug andere EU-Länder vor den Kopf gestoßen hat. So sind die auch von den massiven Hilfen für Chipansiedlungen von Intel und TSMC in Dresden und Magdeburg genervt. Es wird nicht ohne Abstriche gehen, das könnte wiederum die Pleite der Meyer Werft hervorrufen.

Der Gelackmeierte ist am Ende nicht nur die Familie Meyer, deren über Generationen betriebenes Lebenswerk nun sozusagen enteignet wurde, sondern auch die Beschäftigten der Werft. Ihnen allen sollte dieser Tage ein leicht abgewandelter Sinnspruch des Glockenlieds präsent sein:

„Wo Staatsbeamte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten.“

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

5 Comments

  1. Friedrich Fechter

    Die echte Person!

    Der Autor Friedrich Fechter handelt als echte Person und ist nachweislich kein Bot
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    sagt:

    Die Rentabilität des Schiffbaus hängt in erheblichem Maße von der Verfügbarkeit günstiger Energie ab, zumal diese ja auch den Preis der Vorprodukte wie Stahl beeinflusst.

  2. .TS.

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    sagt:

    @Hartmut: Dann sind das aber mangels standortbedingter Konkurrenzfähigkeit auch keine „glänzenden Marktaussichten“ wie im Text geschrieben wird.

    Zumal eine Werft deutlich weniger von den Energiekosten abhängt als z.B. Glas, Stahl- und Nichteisenmetallproduktion oder die chemische Industrie.

    Dafür umso mehr von den Lohnkosten die vor allem durch die Nebenkosten hochgetrieben werden: Dieser Mißstand fing aber schon lange vor der Energieendeagenda an.

  3. Hartmut

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    sagt:

    Hat der Author doch beschrieben: An der Energieversorgung liegt es. Selbst die mauermordenden DDR Sozialisten wußten wenigstens, daß Energie die Grundlage für Wohlstand ist. Unsere verwöhnten Grünsozialisten in den etablierten Parteien, die nie im Leben einen produktiv nützlichen Handschlag taten, träumen vermutlich wieder von Segelschiffen. Aber selbst diese würden sie vermutlich auf jedes verfügbare Riff zusteuern…

  4. Paul

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    sagt:

    @TS: Überregulation und Energiepreisexplosion werden den Standort in den Ruin getrieben haben. Anders als bei einer Tech-Bude oder einer Auto-Montagelinie, die eh alle 3-4 Jahre neu konfiguriert wird, kann die Produktionsstätte einer Werft mit Trockendock, riesigen Montagehallen usw. nicht einfach an einen attraktiveren Standort wechseln, sondern ist auf Gedeih und Verderb den Kapriolen der Politik ausgeliefert.

  5. .TS.

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    sagt:

    Wenn die Aussichten für die Werft so rosig aussehen müßten die Investoren der Finanzwelt doch geradezu Schlange stehen um sich ein Stück vom Kuchen zu sichern. Wo liegt der Haken an der Sache?

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