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Sind Videospiele Zeitverschwendung?

7. März 2024

„FIFA“ ist ein Orkus, der Zeit verschlingt. Dank der Steam-Bibliothek verrät er einem im Anschluss sogar, wie viel: Knapp 1.000 Stunden habe ich wohl in der vergangenen Ausgabe des Fußball-Simulators versenkt, bis sie von der aktuellen abgelöst wurde, auch wenn diese Angabe mit Vorsicht zu genießen ist: Gezählt wurde die gesamte Zeit, die „FIFA“ als Anwendung offen war, auch wenn ich währenddessen etwas ganz anderes am Computer gemacht habe. Das wahre Monument erbaut man den vergeudeten Stunden mit dem Team, das man sich auf die Dauer mit der Ingame-Währung zusammenkauft. Hier reibt einem ein Spiel wie „FIFA“ den Verlust der Lebenszeit sogar noch endgültiger unter die Nase, als es etwa der Fall wäre, hätte man seine Zeit mit dem Stapeln echter Sammelkarten von Profispielern verbracht: Mit Erscheinen des neuen Teils wird das alte Team auf einen Schlag wertlos, man rührt es nie wieder an, bis irgendwann dann auch die Server abgeschaltet werden und man nicht einmal mehr die Möglichkeit dazu hätte.

Die Fertigkeiten, die man dabei geschärft hat, sind einzig dazu gut, sich im nächsten Teil ein noch besseres Team aufbauen zu können – bis dann wiederum der nächste um die Ecke kommt. Auch geistig holt man sich dabei nahezu keine Anregung ab. Das inhaltlich interessanteste an „FIFA“ ist die sukzessive Häufung der Regenbogensymbolik seit den frühen 2010-ern. Wobei: Im aktuellen Teil haben sie mit der Mischung männlicher und weiblicher Spieler im Ultimate-Team-Modus, in dem man sich besagte eigene Mannschaft aufbaut, ein neues Niveau des Irrsinns erreicht, insbesondere, da die Frauen natürlich in allen Belangen mit männlichen Superstars mithalten können, anstatt wie in der echten Welt auf Drittliga-Niveau zu spielen. Dass es für diese Erkenntnis 1.000 Stunden Experimentierzeit gebraucht hätte, wage ich allerdings zu bezweifeln. Interessant wird, ob irgendwann die im echten Fußball inzwischen omnipräsente Rassismus-Thematik Einzug in „FIFA“ hält, allerdings nicht, wie mittlerweile schon Usus, auf riesigen „No Racism“-Bannern und Trikots, sondern in Form von Spielabbrüchen, weil ein schwarzer Spieler Affenlaute gehört haben will. Die Rassismus-Schwalbe, deren Erfolgsquote steigt, je dunkler die Haut des sie einsetzenden Spielers ist, könnte der ganzen Chose in der Tat noch mal eine neue Dimension geben.

Eine weitere Qualität, mit der speziell mein „FIFA“-Konsum nicht aufwarten kann, ist das Produzieren von Erinnerungen. Das wird vor allem daran liegen, dass ich „FIFA“, anders als Shooter wie damals „Battlefield 4“ oder „Rainbow Six Siege“, stets alleine zocke. Es mag schwul und kitschig klingen, aber wenn ich so in meinen bleibenden Videospiel-Erinnerungen krame, fällt recht schnell auf, dass das „mit wem“ in diesen im Nachhinein betrachtet entscheidender war als das „was“. Denke ich etwa an „Battlefield 4“, dann kommt direkt eine Fülle lebhafter Rückblenden in mir hoch, die meisten davon zusammen mit einem Kumpel aus der Schulzeit, den einige von Euch vielleicht noch als „Salomon Rothschild“ kennen. Dass diese teils viel länger zurückliegenden wahnwitzigen Momente immer noch in Bild und Farbe in meinem Oberstübchen gespeichert sind, liegt nicht daran, dass es solche bei „FIFA“ nicht gab, im Gegenteil – sie verblassen nur viel schneller. Und so bleibt von 100 Stunden „Worms Clan Wars“, einem zwei Gigabyte großen rundenbasierten 2D-Spiel, in dem man mit Panzerfäusten und Granaten auf gegnerische Regenwürmer schießt, am Ende mehr hängen, das einen heute noch zum Schmunzeln bringen könnte, als von drei „FIFA“-Teilen und sechs „PES“-Ausgaben.

Ein beliebtes Normie-Meme, das einen die so zerronnenen Stunden mit einem Lächeln betrachten lassen will, lautet wie folgt: „Zeit, deren Verschwendung man genossen hat, ist keine verschwendete Zeit.“ Ich würde dem entgegensetzen: Es ist nicht die verschwendeteste Zeit, es geht schlimmer. Es kommt vor, dass man die Entscheidung, ob man einen Zeitraum mit etwas Produktivem oder mit launiger Zeitverschwendung füllen möchte, verschleppt und am Ende damit verschwendet hat, mit seinem Gewissen zu ringen, was weder produktiv noch launig ist. Es geht aber natürlich sogar noch schlimmer: Man verschwendet seine Zeit mit etwas, das einem Schaden zufügt. Auch dieser Gedanke hat ein Normie-Meme zutage gefördert, das darauf abzielt, das schlechte Gewissen beim stundenlangen Daddeln ruhigzustellen: „Anderer Leute Kinder sind Heroinjunkies oder Kriminelle, meine Eltern sollten stolz auf mich sein!“, war einmal auf einem „9GAG“-Post nebst Comicfigur im Gamingsessel zu lesen, die Tausende Likes bekommen hatte. Ja, sicher, schlimmer geht’s immer. Aber es geht eben auch viel besser. Das bedeutet nicht, dass man sich für jede Partie „FIFA“ oder sein jeweiliges Äquivalent der angenehmen Zeitverplemperung selbst geißeln sollte wie der Albino in „The Da Vinci Code“, aber die Grundrichtung von gutem und schlechtem Zeitvertreib muss klar sein, wie bei gesundem und ungesundem Essen. Mehr Worms wagen.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."


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