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Peter Jülich, CC BY-SA 4.0, Wikicommons

Staatsstreich – Gerade nochmal gut gegangen

9. Dezember 2022
in 3 min lesen

Wir sind unseren Sicherheitsorganen zu großem Dank verpflichtet. Wir alle waren in größter Gefahr. Zum richtigen Zeitpunkt, sozusagen in letzter Minute, wurde ein Staatsstreich durch sogenannte Reichsbürger vereitelt. 3000 Polizisten haben bundesweit an 150 Orten Razzien durchgeführt. Dabei wurden etwa 50 Waffen – darunter eine (!) scharfe Schusswaffe – entdeckt, 25 Personen festgenommen – bei 19 wurde der Haftbefehl richterlich bestätigt.

Dem Volk wird in martialischer Sprache Angst gemacht, gleichzeitig schwingt sich unser Nanny-Staat zum großen Beschützer auf. Aber Moment einmal, irgendetwas stinkt hier. Wovon soll abgelenkt werden, wer oder was soll in Wahrheit bekämpft werden?

Zunächst, die Art und Weise der Darstellung in der Öffentlichkeit ist zutiefst verwerflich und eines Rechtsstaates unwürdig. Die Presse wird vorab informiert um die Razzien und Festnahmen wirksam ins Bild zu setzen. Seht alle her, wie wehrhaft und konsequent wir sind. Die Verdächtigen – für die bis zu einem Richterspruch immer noch die Unschuldsvermutung gilt – werden öffentlichkeitswirksam vorgeführt und bereits vor der Anhörung durch einen Haftrichter, medial und sozial vernichtet. Journalisten und Presse gebärden sich wie Hyänen, die Beschuldigten werden regelrecht vorgeführt. Fehlte nur noch, dass man sie in Käfigen durch die Straßen zieht, auf dass das Volk sie bespucke, wie einst bei den Jakobinern.

Anm. d. Red.: Kolumnist Finkelstein hat die ganze Affäre in einem sehenswerten Beitrag thematisiert.

Noch vor wenigen Tagen sah sich das staatstragende Personal gezwungen, einen besonders grausamen – aber ansonsten fast alltäglichen Fall – von Migrantenkriminalität zu beschweigen oder sachte einzuordnen. Bitte keine Politisierung, wenn ein importierter Eritreer – dem in der Logik von Innenministerin Faeser die deutsche Staatsbürgerschaft nicht schnell genug verliehen werden kann – ein Mädchen auf Schulweg ermordet, ein anderes verletzt. Davon ist jetzt keine Rede mehr!

Stattdessen ganz großes Kino. Wie muss ich mir den angeblich verhinderten Putsch eigentlich vorstellen? Kapern die nun nur noch 19 Verhafteten eine Kaserne, beschlagnahmen die letzten drei fahrtüchtigen Panzer und fahren zum Bundestagsgebäude oder Kanzleramt und verhaften die Regierung? Überhaupt, 19 Versprengte, im Schnitt pro Bundesland einer, zum großen Teil davon auch noch Rentner und leicht Adipöse verüben in Deutschland einen Staatsstreich – mir fehlt dazu jegliche Phantasie. Ähnliche Geschichten gab es bereits – zum Beispiel die sieben Sachsen mit dem Luftgewehr. Überhaupt, welche Waffen hat man denn gefunden? Illegale Waffen waren wohl nicht dabei, die Presse hätte es längst genüsslich breitgetreten. Wie viele „richtige“ Waffen waren es denn? Oder zählen Luftdruckwaffen und Schreckschusswaffen gleich mit? Mit Verlaub, ernst nehmen kann ich diese Inszenierung nicht.



Der Staat und Angst vor den Reichsbürgern. Wer es glaubt. Eine spinnerte Truppe, die bei bierseliger Stimmung in irgendeinem Hinterzimmer schon einmal die Posten im neuen Staat verteilt, ist also eine Gefahr für den gesamten Staat? Eine Gruppierung, die der Meinung ist, aufgrund juristischer Spitzfindigkeiten das Staatsgebilde der BRD in Frage stellen zu müssen – nun ja, kann man machen. Und angesichts der hysterischen Reaktionen könnte man fast zur Überzeugung kommen, da wäre etwas dran. Eins haben die Reichsbürger aber dabei nicht bedacht: die Macht des Faktischen. Es ist müßig. Dass Deutschland ein Vasallenstaat ist, das wissen wir alle – spätestens seit Brzezinskis Buch „Die einzige Weltmacht“. Und Recht hin oder her – Recht setzt am Ende der, der über die Mittel zur Durchsetzung verfügt.

Aber lassen wir das. Die Inszenierung einer Staatsstreichgefahr zielt auf etwas anderes ab. Ich bin fest davon überzeugt, wäre nicht ein prominentes Mitglied der AfD unter den Verdächtigen – das Ganze hätte viel leiser stattgefunden. So aber ist es ein gefundenes Fressen. Gibt es doch so die Möglichkeit, diese Partei weiter zu diskreditieren. Hier passt es zeitlich. In Berlin ist ab Januar Wahlkampf, die AfD muss deutlich unter 10 Prozent gedrückt werden. Im Herbst zwei Landtagswahlen – bis dahin lassen sich die ersten Prozesse gegen die jetzt Verhafteten genüsslich ausbreiten. Danach Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern – bis dahin muss die AfD final erledigt werden.

Insbesondere in Thüringen müsste sonst, aufgrund der gleichzeitigen Stärke der Linken, sprichwörtlich die Einheitspartei 2.0 – von CDU bis Linke – gegründet werden, um die AfD zu verhindern. 30 Prozent und mehr sind dort, zumindest jetzt, für die AfD vorstellbar. Eine Landesregierung mit der AfD, vielleicht noch mit Ministerämtern für Bildung (Ländersache) und Inneres (Landesamt für Verfassungsschutz)? Der Supergau, unvorstellbar. Und genau deshalb muss rechtzeitig vorgesorgt werden. Die Anfänge sind gemacht.

Udo Holm

Glücklicher Privatier und Hobbyschreiber mit grimmigem Humor und zunehmender Altersmilde. Geboren im grünen Herzen Deutschlands als Grün noch die Farbe der Blätter und nicht die Beschreibung eines Geisteszustandes war. Als guter Beobachter erkennt er seine Schweine am Gang und lässt sich nichts mehr vom Pferd erzählen. Lebt in Berlin und schreibt im "Spiegelsaal".

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