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Heinrich XIII. – Die Rückkehr des Königs?

8. Dezember 2022

Es war eine durchaus knappe Sache, doch wir können aufatmen: Die Verteidiger des besten Deutschlands aller Zeiten haben die Neuauflage des Kapp-, nein, des Hitler-Putsches gerade so vereiteln können. Wir sind wieder sicher! Also, natürlich nicht vor mit Messern bewaffneten Eritreern – seit Neuestem zählt zur gelungenen Integration, sich auch als Türke von Goldstücken das Leben verkürzen zu lassen –, sondern vor mit Telegram bewaffneten Boomern. Gott sei Dank! Doch was ist geschehen?

Gestern, am 7. Dezember 2022, führten 3.000 Beamte der Bundespolizei in den frühen Morgenstunden Razzien bei circa 50 Personen durch, die im Verdacht stehen, einen Staatsstreich geplant zu haben mit dem Ziel, den deutschen Staat nach Vorbild des Kaiserreiches von 1871 umzuformen. Da angeblich auch ehemalige Soldaten mit eigenen Waffen an den Planungen beteiligt gewesen sein sollen, lag für die Planer und Vollstrecker des Großeinsatzes die Dringlichkeit desselben auf der Hand.

Der Kopf der Putschisten ist laut offiziellen Angaben Heinrich XIII. Prinz Reuß, ein Ingenieur aus Frankfurt und Spross des thüringischen Adelsgeschlechtes Reuß, welches bis 1918 zwei kleine Fürstentümer in Ostthüringen regierte. Laut „Tagesschau“ sei er spätestens seit 2019 Mitglied der „Reichsbürger“-Szene, so behaupte er etwa, „dass die Bundesrepublik kein souveräner Staat sei, sondern nach wie vor von den Alliierten kontrolliert werde“ – was für eine freche Behauptung aber auch; wie souverän dieses Land ist, weiß man ja spätestens seit dem Bau und der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines. Auf seinem Jagdschloss traf sich der glücklose Prinz Heinrich wohl regelmäßig mit seinen Mitverschwörern, um dort den großen Umsturz zu planen. Die Kreise der „Verräter“ ziehen sich bis in die AfD hinein: So wurde die Richterin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann ebenfalls festgenommen. Wäre der Putsch gelungen, wäre sie Justizministerin unter dem Regenten Heinrich geworden.

So ist die momentane, oder besser: die angebliche Faktenlage. Denn was an den Vorwürfen wirklich dran ist, lässt sich gewiss noch nicht sagen; davon mal abgesehen, dass diese ganze Sache gewaltig in den Himmel stinkt. Will man uns wirklich glauben machen, dass eine kleine Gruppe von Boomern (wie gesagt, die Rede ist von 50 (!) Verschwörern; zum Vergleich: Beim gescheiterten Putsch in der Türkei 2016 waren über 8.000 Soldaten beteiligt) einen Staatsstreich durchziehen könnte? Mehr als lächerlich! Allein die Frage, auf welche Machtbasis sie den Umsturz hätten stützen können, macht deutlich, wie unwahrscheinlich die erfolgreiche Umsetzung eines solchen ist: Denn dazu bräuchte man gute Kontakte zum Militär und zu Trägern des Beamtenapparats, sofern man diesen nicht gewaltsam an sich reißen möchte. Und selbst wenn sie einen Bürgerkrieg oder Ähnliches in Kauf genommen hätten, worüber kommunizieren? Über Telegram-Gruppen?

Ähnlich wie bei den Berichten über die Anti-Lockdown-Proteste in China vergangene Woche stellt sich auch hier wieder die Frage: Warum, und warum jetzt? Die Sache stinkt wie gesagt förmlich nach Falscher Flagge. Man kennt es aus allerlei totalitären Systemen: Eine angeblich gefährliche Fundamentalopposition erdenkt sich die Propaganda, um die Volksmassen gegen den gemeinsamen Feind zusammenstehen zu lassen. Hier wird das nicht großartig anders sein. Es gibt auch noch keine konkreten Aussagen der angeblichen Verschwörer; wer weiß überhaupt, wie viele von ihnen V-Männer des Inlandsgeheimdienstes sind?



Dass der Staat seine eigenen Leute gerne mal hochnimmt (beziehungsweise sich seine eigenen Feinde auch mal selber schafft), ist ja seit den Ereignissen um den NSU oder die NPD kein Geheimnis mehr. Zudem bieten solche Sachen eine großartige Ablenkung vom eigenen Versagen. Wenige Tage vor dem angeblichen Putsch etwa ereignete sich das Verbrechen in Illerkirchberg, bei dem ein Migrant aus Eritrea auf zwei Schulmädchen einstach; eines von ihnen ist jetzt tot. Die Bluttat machte ordentlich Wellen in Medien, mehr als üblich. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Aufdeckung der Heinrich-Verschwörung vielmehr der sich im Aufschwung befindenden AfD schaden und von steigenden Lebensunterhaltskosten ablenken soll. Wenn man friert, muss man eben zusammenstehen, nicht?

Was heißt das also zusammengefasst? Wir haben es wohl mit einer riesigen Farce zu tun, einer False-Flag-Aktion, wie es sie lange nicht mehr gab. Das alles, um die rechte Opposition ins falsche Licht zu rücken, um Propaganda zu machen. Dass man da irgendwelche Rentner heranziehen muss, die wohl eher in Telegram-Gruppen als im echten Leben ihren Dampf ablassen würden, wirkt dabei besonders durchschaubar. Offenbar haben die Eliten in diesem Land den Blick zur Realität insoweit verloren, als sie wirklich glauben, dass diese Leute in der Lage seien, einen Staatsstreich durchzuziehen.

Und wer immer noch nicht von meiner Theorie überzeugt ist, der sei gefragt: Hast du jemals etwas von Prinz Heinrich XIII. gehört? Mir jedenfalls – und ich kann behaupten, mich in der konservativen Szene zumindest grob auszukennen – ist der Name gestern (also am Mittwoch, dem 07.12.2022) zum ersten Mal begegnet. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll: ein Umsturz, bei dem der Rädelsführer nicht mal den vermeintlich zugeneigten Leuten bekannt ist…

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…


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