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Thüringen kommt nicht zur Ruhe

29. Juni 2023
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Was für ein Wochenende das war! Am letzten Sonntag des Stolzmonats verabschiedet sich dieser mit einem Paukenschlag aus dem kleinen fränkisch-thüringischen Landkreis Sonneberg, in welchem zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Mann der AfD zum Landrat gewählt wurde. Für die Leser, die entweder nicht aus der BRD kommen oder sich sonst nicht mit dem Verwaltungssystem dieses Staates auseinandergesetzt haben: Der Landrat ist der höchste Beamte eines Landkreises, der den entsprechenden Kreis nach außen hin repräsentiert. Mit Robert Sesselmann besetzt die AfD damit das erste Exekutivamt, das höherrangig als das des Bürgermeisters ist.

Der Landkreis Sonneberg ist an sich nur ein recht kleiner Landkreis – gerade 56.000 Menschen leben hier –, im fränkischen Teil Thüringens gelegen; und das Amt des Landrates ist nun auch nicht mit viel Macht gefüllt. Aber die Symbolwirkung der Wahl Sesselmanns sollte nicht unterschätzt werden: Sowohl für das konservative Lager als auch für den linksliberalen Mainstream war sie eine neue Stufe der Entstigmatisierung der Partei in den Köpfen der „normalen Menschen“. Für uns ein kleiner realer, aber großer symbolischer Sieg, da die AfD nun das erste Amt auf der nächsthöheren Stufe erringen konnte – und dann auch noch in Thüringen, wo der Landeschef eine der polarisierendsten, aber auch schillerndsten Figuren der deutschen Parteienlandschaft ist. Für den Gegner war die Wahl ein Schock, ein Dammbruch.

Die Reaktionen waren teils heftig – viele Linke sahen schon Massenabschiebungen (die einige von ihnen selbst beträfen), gewisse Lager und die faschistische Diktatur vor ihrem geistigen Auge. Das Vierte Reich ist wohl gerade in der Auferstehung. Die Tränen der Erbärmlichkeit flossen in großen Strömen für einen Landkreis, den die meisten von den linken Fatzken vor einer Woche noch verzweifelt auf der Landkarte gesucht hätten. Offenbar nehmen sie ihre Losung „Wehret den Anfängen“ ernst, denn obwohl Amt und Landkreis kaum Auswirkungen auf die Bundespolitik haben dürften, bedeutet der Sieg in Sonneberg den Schritt in die richtige Richtung.

Neben den eigentlichen Reaktionen sind auch die Schuldzuweisungen des Establishments äußerst interessant: Die Linken (also die, die nicht nur für uns, sondern auch für den Normie links sind) gaben der CDU die Schuld an der Misere: Diese befeuere unter Friedrich Merz – diesem harten Hund! – den Kulturkampf gegen das Gendern und Migranten (weil er mal „Paschas“ bei Lanz gesagt hat!) und spiele damit dem Rechtsruck in die Hände. Denn am Ende, so sagt man sich bei den Grünen und der SPD, wähle man doch nicht das Feigenblatt, sondern das Original. Die Merz-Union, die „Konservativen“ also, geben der Ampelregierung und ihrer desaströsen Politik die Schuld. Es gehe wohl um Heizungen oder so was, heißt es. Und ums Gendern natürlich auch – was ja okay wäre, solange niemand gezwungen wird, selbstverständlich! Die Union ist ja schließlich eine demokratische Rechtsstaatspartei für Recht und Ordnung, jawohl!


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Das Beste an der ganzen Sache ist: Beide Möchtegern-Gegner haben mit ihren Schuldzuweisungen irgendwo recht, wenn auch unabsichtlich. Die Linken, wenn sie sagen, der konservative Wähler wähle lieber das Original, die AfD, als die Merz-CDU: Es stimmt, einige aus dem Volk spüren sehr wohl, dass die CDU die ganze harte Kante gegen Migration, Gendern und anderen linken Wahn nur vorspielt, um verzweifelt ein paar Stimmen abzugreifen. Man scheint doch nicht vergessen zu haben, wer die Politik vor 2021/22 nicht nur mitgetragen, sondern auch angeführt hat und wer dies auf Landesebene immer noch tut. Wenn ich also das Land in konservativer Hinsicht ändern möchte, wieso sollte ich jene Partei wählen, die jeden einzelnen ihrer konservativen Standpunkte in den letzten 10 bis 15 Jahren verraten hat? Und natürlich trägt auch die Regierung Scholz zur Stimmung im Lande bei, da hat die CDU recht, nur scheint das Wahlvolk langsam zu spüren, dass Merz, trotz aller „Pascha“-Tiraden in den Talkshows, nichts an der Situation großartig ändern kann beziehungsweise ändern will.

Noch ist Sesselmann übrigens kein offizieller Landrat. Warum? Weil das thüringische Innenministerium, fest in der Hand der rot-rot-grünen Minderheitsregierung Bodo Ramelows, mit dem AfD-Mann erst mal einen „Demokratiecheck“ machen möchte, wie es das Redaktionsnetzwerk Deutschland formuliert. Ein Landrat müsse laut Thüringer Kommunalwahlgesetz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung treu ergeben sein, und dass müsse man bei der bösen AfD erst mal überprüfen. Dass das reine Schikane ist, hervorgerufen unter anderem durch das gekränkte Ego des Ramelow-Kabinetts, sollte klar sein. Man wird nicht müde werden, der AfD möglichst viele Steine in den Weg zu legen. Solche behördlichen Spielereien sind erst der Anfang, die Winde werden rauer. Wie sie wohl reagieren, wenn die AfD im nächsten Jahr stärkste Kraft bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen würde, wodurch ein Ministerpräsident Björn Höcke infrage käme?

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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