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Tutu in Taipei

19. Januar 2022
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Am zweiten Weihnachtsfeiertag letzten Jahres verstarb in Kapstadt der charismatische südafrikanische Geistliche und Apartheidgegner Desmond Tutu, langjähriger Weggefährte Nelson Mandelas, ohne Frage einer der wichtigsten westlichen Säulenheiligen.

Schon vor seinem Ableben waren mir bei einem Spaziergang durch die Nachbarschaft in Taipei sein Porträt, sein Foto und vor allem ein Zitat von ihm auf einem Baustellenzaun aufgefallen.

Du hier?

„Ich bin nicht daran interessiert, Krümel des Mitgefühls aufzuheben, die jemand vom Tisch fegt, der sich für meinen Herren hält. Ich will das ganze Menü meiner Rechte.“ Alles ist Teil eines Aushangs über Menschenrechte der in einer pompös titulierten „Freiheitsgasse“ gelegenen Mittelschule, nach der die nahe Metrostation benannt wurde.

Ebenfalls dort vertreten sind Mahatma Gandhi, indischer Held des antibritischen Freiheitskampfes, sowie die amerikanischen Bürgerrechtler Rosa Parks, bekannt für ihre Busepisode, und Martin Luther King Jr., mittlerweile zum Halbgott erklärter progressiver Pfarrer. Alle vier betonen die wichtige Rolle, die die Freiheit für sie spielt(e). Diese sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten haben gewiss ihre jeweiligen geschichtlichen Verdienste. Sie als Vorbilder für die heutige taiwanesische Jugend zu präsentieren erscheint mir trotzdem nicht nur unpassend, sondern bedenklich.

In einer trotz aller beeindruckenden technischen Fortschritte immer noch stark konfuzianisch geprägten Gesellschaft wirken unrealistische, wenn nicht sogar abstruse linke Vorstellungen noch deplatzierter als anderswo. Es werden genauso wie in Westeuropa und Nordamerika unerfüllbare Sehnsüchte geweckt, traditionelle Werte geopfert und die Beziehungen zwischen den Generationen vergiftet. In einem Umfeld, das Individualismus nach wie vor eher verachtet als fördert, und der als „Benehmen“ übersetzte Begriff 禮貌 (limao) letztendlich nur die einzig akzeptablen gesellschaftlichen Verhaltensnormen definiert, sind die Folgen verheerend.

Die nach und nach immer gewalttätiger gewordenen Demonstrationen in Hongkong 2019–2020 waren zumindest teilweise von jungen Leuten getragen, die aufgrund importierter halbgarer Konzepte völlig den Bezug zur Realität verloren hatten. Die jetzige taiwanesische Regierung unter Präsidentin Tsai Ing-wen von der Demokratisch-Fortschrittlichen Partei (DPP) forciert immer mehr eine kulturelle Umwälzung.

Taiwanesischer Kulturmarxismus

Die Abkehr von den chinesischen Wurzeln Taiwans, die sich in Sprache, Sitten und Gebräuchen sowie der Ess-und Trinkkultur widerspiegeln, und die Förderung einer künstlichen Identität samt Nationalismus aus der Retorte, besorgen mich inzwischen mehr als regelmäßige militärische Drohgebärden aus Peking. Die kulturmarxistische Dekadenz hat mittlerweile auch auf Formosa in Form von „geschlechterneutralen“ Toiletten Einzug gehalten. Es werden Grundschüler offen mit Schwulenpropaganda indoktriniert und Jungen aufgefordert, in Röcken zum Unterricht zu kommen, um tradierte Rollenkonzepte zu hinterfragen, usw.

Ein befreundeter Zahnarzt, der 2016 mit Überzeugung die DPP gewählt hatte, zeigte sich nur zwei Jahre später entsetzt: seine damals achtjährige Tochter teilte ihm plötzlich mit, dass die Lehrerin empfohlen hatte, nicht mehr „Mama“ und „Papa“ zu sagen. Ein ausländischer Familienvater berichtete mir unlängst, dass die im englischen Lehrmaterial für seinen Nachwuchs als Frau bezeichnete Person nicht (mehr) als solche zu erkennen war.

Als erstes Land in Asien wurde 2019 in Taiwan die Homosexuellenehe gesetzlich verankert – nach einer Volksbefragung gegen den Willen einer breiten Mehrheit. Freiheit als hohes Gut wegen ihrer selbst einzufordern, und dann damit die Grundfeste des Zusammenlebens zu erschüttern, scheint demnach ein Problem zu sein, das sich nun sogar in Taiwan manifestiert.

Gastautor

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