Plötzlich für das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen freiwillig zahlen? Was wie eine Amtshandlung einer AfD-Regierung klingt, gibt es bereits – aber mit einem Haken. Mit ARD Plus und ZDF select bieten die beiden großen Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Teile ihrer Inhalte im Abomodell zum Streamen an. Für jeweils 4,99 Euro im Monat kann man dort Inhalte anschauen, die in den jeweiligen ARD- und ZDF-Mediatheken nicht mehr verfügbar sind. Und da kommen wir zum Haken: Bei dem freiwilligen Bezahlmodell handelt es sich lediglich um ein zusätzliches Angebot. Die Zwangsabgabe der monatlichen 18,36 Euro bleibt bestehen. Wer will, kann dann zusätzlich noch mal bis zu 9,98 Euro monatlich an die Öffentlich-Rechtlichen zahlen. Aber warum eigentlich?
Bei ARD Plus macht man es sich einfach und schiebt die Verantwortung auf die Politik. Weil der Medienstaatsvertrag der Länder für die Inhalte der Öffentlich-Rechtlichen in ihrer Mediathek nach Ausstrahlung nur eine gewisse Veröffentlichungsdauer vorsehe, könne man viel nachgefragte „Tatort“-Folgen und andere Klassiker einfach nicht im Rahmen des über den Rundfunkbeitrag zwangsweise finanzierten Modells anbieten. Damit solle sichergestellt werden, dass die Öffentlich-Rechtlichen keine zu große Konkurrenz gegenüber den privaten Streaminganbietern würden. Außerdem habe man die Lizenzen zu beachten, die bei eingekauften Produktionen nach einer gewissen Zeit ablaufen.
So dürften tagesaktuelle Großereignisse wie Bundesligaspiele nur sieben Tage lang in der Mediathek abrufbar sein, fiktionale Inhalte bis zu zwölf Monate, Informationssendungen bis zu zwei Jahre und Kulturdokumentationen bis zu fünf Jahre. Der viel beworbene „Tatort“ wird also zunächst von den Zwangsabgaben der deutschen Haushalte finanziert, im Fernsehen und der Mediathek ausgestrahlt und bleibt dort ein Jahr lang abrufbar. Ab dann kann er nur noch über das Zusatzangebot ARD Plus kostenpflichtig abgerufen werden. Zahlt der Bürger dann erneut für bereits durch ihn finanzierte Angebote?
Die Verantwortlichen weisen diesen Vorwurf zurück. Immerhin müsse die ARD Plus GmbH die Lizenzen zur Bereitstellung in der Mediathek von der ARD kaufen und gebe somit die entstehenden Kosten nur an den Endkunden weiter. Außerdem müsse man ältere Folgen erst aufwendig digitalisieren und habe Kosten für die Bereitstellung der Server. Aber warum verlangt die ARD überhaupt Lizenzgebühren? Welcher Teil der im Zusammenhang mit ARD Plus beworbenen alten „Tatort“-Folgen gehört denn nicht den Öffentlich-Rechtlichen und damit eigentlich den Zwangsbeitragszahlern?
Während die Verantwortlichen beim Rundfunk den Schwarzen Peter also der Politik und dem Medienstaatsvertrag zuschieben, regte sich auch auf politischer Ebene Kritik an dem Bezahlmodell. Nordrhein-Westfalens Medienminister Liminski kündigte an, das Thema auf der Sitzung der Rundfunkkommission der Länder zur Sprache zu bringen. Geändert hat sich seitdem nichts.
Und warum auch? Schließlich haben die Öffentlich-Rechtlichen selbst kein Interesse an einer Reform des Medienstaatsvertrags. Denn würde der Gesetzgeber die Möglichkeit einer dauerhaften Bereitstellung der Inhalte in der öffentlichen Mediathek vorschreiben, würde den Rundfunkhäusern eine zusätzliche Einnahmequelle entgehen. Dabei ist diese doch so praktisch, um unter Umgehung der lästigen Debatte um die Erhöhung der Zwangsabgabe dennoch nicht einsparen zu müssen. Und auch seitens der Politik dürfte man über dieses Ventil froh sein. Zumindest würde das die Untätigkeit auf diesem Feld erklären.
Dabei wäre längst eine Reform des Medienstaatsvertrags nötig. So ist einfach nicht verständlich, wie es sein kann, dass wir als Zwangsbeitragszahler zwar das gesamte Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanzieren müssen, uns gleichzeitig aber nicht die Lizenzen gehören und die von uns bezahlten Produktionen nur für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung stehen sollen und wir für das Abrufen älterer Folgen erneut zur Kasse gebeten werden.
Allzu zufrieden scheinen die „Glücklichen“ unter uns, die sich neben der Zwangsabgabe noch ein zusätzliches ARD-Plus-Abonnement leisten können, schließlich auch nicht zu sein. So hat das Angebot bei Amazon (dort kann man es neben der Prime-Mitgliedschaft als Channel hinzubuchen) und im App Store (dort als eigene ARD-Plus-App) eine durchschnittliche Bewertung von etwas über zwei von fünf Sternen. Interessant wäre ein solches Bewertungssystem mal für den zwangsfinanzierten Teil des öffentlich-rechtlichen Medienangebots.
Eins muss man den Rundfunkhäusern aber lassen: Sie haben gute Anwälte und scheinen sich für nichts zu schade. Anders ist nicht zu erklären, dass sie ihre – von unseren Geldern finanzierten – Lizenzen an ihre Tochterfirma verkaufen, die diese dann kommerziell verwendet und uns damit doch erneut zur Kasse bittet. Aber alles natürlich nur wegen des Wettbewerbs und weil es das Gesetz so vorsieht. An anderen Stellen scheint man es bei den Öffentlich-Rechtlichen dann aber nicht mehr so genau mit dem Gesetz zu nehmen; zum Beispiel bei der Verpflichtung zur Meinungsvielfalt. Mit der lässt sich schließlich auch kein überhöhtes Intendantengehalt bezahlen.
Eine Idee ganz im Sinne der rotGrünen: Der schafende Michel der das alles schon bezahlt hat (egal ob er will oder nicht) soll nun ein zweites Mal freiwillig blechen.
Mal sehen ob es bei „freiwillig“ bleibt oder ob da mittelfristig eine „Internetgebühr“ ähnlich den GEMA und VGWort-Gebühren auf Tonträgerrohlinge, Scanner und ähnliche Arbeitsmaterialien, erfunden wird.