Ich halte es für eine gute Entwicklung, wenn die AfD sich Gedanken über ihre Jugendorganisation macht, enger mit ihr zusammenarbeiten möchte und ein Interesse daran hat, möglichst viele junge Parteimitglieder zur Parteijugend zu bringen. Und was spricht dagegen, die konkrete Organisationsform der eigenen Parteijugend zu überdenken? Schließlich gibt es verschiedene Modelle der Zusammenarbeit zwischen Partei und Jugendorganisation; wie FDP, CDU und SPD zeigen.
Während es sich bei den Jungen Liberalen um eine von der FDP finanziell und organisatorisch völlig unabhängige Vorfeldorganisation handelt, die lediglich von der FDP anerkannt wird, ist die Beziehung zwischen der Jungen Union und der CDU schon enger. Hier findet man satzungstechnische Interdependenzen, JU-Vorstände müssen zeitgleich CDU-Mitglieder sein, gleichzeitig bewahrt sich die Jugendorganisation ein hohes Maß an Eigenständigkeit. So ist auch aktuell die Beziehung zwischen der Jungen Alternative und der AfD organisiert.
Doch wenn es nach dem AfD-Bundesvorstand geht, soll sich das bald ändern. Dort hat man einen Satzungsänderungsantrag beschlossen, mit dem man sich zukünftig an dem sogenannten „Juso-Modell“ orientieren möchte. Zumindest sofern der Antrag am Ende eine Zweidrittelmehrheit auf dem im Januar anstehenden Bundesparteitag erhält. Aber wie viel Juso-Modell steckt in den Änderungsbestrebungen der AfD-Spitze?
Zunächst einmal das Offensichtlichste: Alle Mitglieder der AfD unter 36 Jahren sollen demnach zukünftig automatisch Mitglieder der Jugendorganisation sein. Das scheint bei der SPD und den Jungsozialisten genauso geregelt zu sein. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied, und damit meine ich nicht die Frage, ob man bis 35 Jahren oder bis 36 Jahren noch Mitglied der Jugendorganisation ist.
In der SPD ist ausnahmslos jeder, der die gewählte Altersschwelle unterschreitet, Mitglied in der Jugendorganisation. Der AfD-Entwurf sieht hingegen eine Widerspruchsmöglichkeit vor. Hier wird man zwar auch automatisch Mitglied der Jugendorganisation, kann dem aber innerhalb einer Frist widersprechen. Das bedeutet, es könnte auch weiterhin junge AfDler geben, die nicht der parteieigenen Jugendorganisation angehören.
Und auch in die andere Richtung unterscheiden sich die Entwürfe. Bei den Jusos kann auch mitmachen, wer kein SPD-Mitglied ist. Da die Jugendorganisation als „Bindeglied“ zu Jugendlichen fungiert, ist die „Mitarbeit von Personen, die nicht Mitglieder der Partei sind, […] ausdrücklich erwünscht“. Der AfD-Entwurf hingegen knüpft die Mitgliedschaft in der Jugendorganisation an die Parteimitgliedschaft. Lediglich unter 16-Jährigen soll es möglich sein, nur in der Jugendorganisation Mitglied zu sein. Sind diese aber bis zu ihrem 17. Geburtstag keine Parteimitglieder, verlieren sie automatisch ihre Mitgliedschaft in der Jugendorganisation.
Was beiden Entwürfen – also dem „echten“ Juso-Modell und dem AfD-Juso-Modell – wieder gemeinsam ist, ist die Unterordnung der Jugendorganisation unter die Schiedsgerichtsbarkeit der Partei. So haben sich die Mitglieder der Jugend an die Satzungen und Statuten ihrer Mutterpartei zu halten und können sonst von ihr ausgeschlossen werden. Doch in der Frage der Mitbestimmungsrechte unterscheiden sich die Modelle wieder. Während die Jusos auf allen Parteitagen der SPD als Jugendorganisation Antrags-, Vorschlags- und Rederecht haben, gesteht der AfD-Entwurf solche Rechte nur dem Bundesvorsitzenden der Jugendorganisation und auch nur auf dem Bundesparteitag zu.
Bei der Betrachtung dieser Unterschiede drängt sich der Eindruck auf, dass man seitens der AfD-Spitze gerne den Vergleich zum Juso-Modell heranzieht, um Einschränkungen der eigenen Jugendorganisation zu begründen. Gleichzeitig scheint man nicht gewillt, der eigenen Jugend das Vertrauen entgegenzubringen und ihr wiederum die Rechte einzuräumen, die mit einer engeren Anbindung einhergehen.
Während für die SPD selbstverständlich ist, dass die Jusos „durch ihre Tätigkeit Einfluss auf die politische Willensbildung der Partei und des Vorstands“ nehmen, wirkt es beim AfD-Entwurf eher so, als habe man genau davor Angst. Jetzt könnte man ja einwenden, dass Weidel und Chrupalla damit recht hätten und diese Beschränkungen notwendige Konsequenz aus VS-Beobachtung und einem drohenden AfD-Verbot seien. Die stürmische Jugend müsse zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Partei beschränkt werden.
Doch gerade Linke zeigen die Lücke in diesem Narrativ auf. So wies die „ENDSTATION RECHTS.Bayern“ auf Twitter/X auf den Fakt hin, dass kein Urteil der Verwaltungsgerichte sagt, die AfD dürfe durch den Verfassungsschutz beobachtet werden, weil es die JA gebe. Vielmehr hat die JA keinen wesentlichen Anteil an der Einstufung der AfD, sondern folgt ihr lediglich in ihrem Schicksal der Überwachung durch die Regierungsbehörde.
Und auch die häufig angeführte Behauptung, das Innenministerium könne die JA als Verein einfach verbieten, hält einer genauen Überprüfung nicht stand. So leitete bereits das Verwaltungsgericht Köln die Antragsbefugnis der JA im Verfahren gegen die Einstufung durch den Verfassungsschutz unter anderem aus Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz her. Damit bestätigte das Gericht, dass es sich bei der Parteijugend der AfD bereits in der jetzigen Form nicht um einen einfachen Verein handelt, sondern ihr aus dem Parteiengrundrecht besonderer Schutz zusteht.
Bis zum Parteitag ist noch Zeit. Und die sollten Partei und Jugend nutzen, um einen Antrag abzustimmen, der die Organisation aufgrund von echten Argumenten, einem gegenseitigen Vertrauen und dem Bewusstsein, dass beide einander brauchen, regelt. Dann hätte er den Namen „Juso-Modell“ auch verdient. Aktuell ist er eher ein Beispiel dafür, dass nicht alles, was hinkt, ein Vergleich ist.
Es besteht die Gefahr, dass durch eine Eingliederung und „Domestizierung“ der JA das Notwendige Korrektiv fehlt um eine Anbiederung der Partei nach Links zu verhindern bzw. zu erschweren. Auf der anderen Seite, besteht natürlich aktuell immer die Gefahr, dass eine zu „stürmische“ JA die Mutterpartei in ein noch schlechteres Licht rücken kann. Allerdings halte ich angesichts der ohnehin bösartigen Berichterstattung ersteres für deutlich gefährlicher.
Am Ende kommt noch eine verkohte und zermerkelte Union 2.0 dabei raus. Dann kann man gleich bei der erfolglosen WertlosUnion bleiben.