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Winnetou, Shakespeare und die Linken

1. September 2022
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Es ist mal wieder Zeit für Cancel Culture, Loide. Aktuell unter Beschuss genommen wird der edelste aller Apachen: Ihr getreuer Häuptling Winnetou soll am besten aus allen Bücher- und Filmregalen verschwinden, wenn es nach dem Willen unserer woken Freunde geht. Gestoßen wird sich vor allem an der Tatsache, dass Weiße überhaupt über Indianer schreiben, aber auch an dem Wort „Indianer“ selbst. Das sei nämlich rassistisch, kolonialis…, ach, ihr kennt den Rest eh schon. Das Wort ist auf jeden Fall böse, weil es unser Wort für die Ureinwohner (Nord-) Amerikas ist und damit eine Fremdbezeichnung für unterdrückte Völker. Nun sind Fremdbezeichnungen für irgendwelche Völker nicht ungewöhnlich; schon gar nicht, wenn diese von Hochkulturen für unterentwickeltere Völker geschaffen werden.

Die Germanen haben sich auch nie als „Germanen“ bezeichnet, sondern wurden von den Römern so genannt, die ja bekanntlich nicht immer die besten Absichten mit jenen „Germanen“ hatten. Die Hellenen jenseits des Ionischen Meeres haben sich auch nie als „Griechen“ (altgriechisch „Graikoí“ beziehungsweise auf Latein „Graeci“) bezeichnet, sondern nur diejenigen im Süden Italiens. Die Römer hat das aber wenig geschert: Sie übertrugen diesen Namen einfach auf alle anderen Stämme, Poleis und Völkerschaften, die so ähnlich sprachen wie die „Graeci“ – und somit heißen ihre Nachkommen bis heute bei uns „Griechen“. Aber gut, es geht den Linken darum nicht, weiß ich. Des Pudels Kern liegt woanders. Trotzdem ein lustiger „Fun Fact“ – wie die „coolen Kids“ von heute so zu sagen pflegen –, oder?

Zurück zu Winnetou: Was diese Posse selbst für linke Verhältnisse so unglaublich absurd macht, ist die Tatsache, dass Karl Mays Indianer-Bild selbst ziemlich links ist, zumindest links geprägt. Die Indianer in seinen Büchern entsprechen meistens dem Bild des „Edlen Wilden“, des von der Zivilisation (des weißen Mannes) nicht verdorbenen, im Einklang mit der Natur lebenden Ureinwohners. Böse Indianer sind meistens durch die Zivilisation korrumpiert worden und arbeiten mit den bösen Weißen zusammen. Entscheidend geprägt wurde das Bild des „Edlen Wilden“ durch den französischen Philosophen und Aufklärer Jean-Jacques Rousseau, der bis heute noch eine positive Bezugsperson eines jeden gebildeten Linken ist – während der Rechte in ihm meistens den Vater des Totalitarismus erkennt. Und mal wieder frisst die Revolution ihre eigenen Kinder und vertilgt mit Mays Opus magnum eines der bedeutendsten Werke in Europa, das den Indianer in ein positives Licht rückt.

Auch wenn in den „Winnetou“-Büchern und -Filmen viel Klischee mitschwingt – was nun mal unvermeidbar ist –, ist es doch erstaunlich, wie blind die Bilderstürmer sind. Sie beklagen sich über den unsensiblen Umgang mit der Verdrängung der Indianer – dabei ist das eines der Hauptthemen bei Winnetou! Kaum beleuchtet wird hingegen der grausame Umgang der Indianervölker untereinander, was wiederum nichts Ungewöhnliches war – wie alle angrenzenden Völker haben auch sie miteinander Krieg geführt.



Ebenfalls bezeichnend – und leider auch nicht ungewöhnlich – ist der Umgang der liberalkonservativen Presse mit dem Thema. Denn sie führt, wie so oft, eine Debatte mit den Linken, im Glauben, einen ehrlichen und „fair“ spielenden Gegner vor sich zu haben. Natürlich ist das eine völlige Fehleinschätzung ihrerseits, aber das wurde in den letzten Monaten immer wieder ausführlich besprochen. Die Debatte jedenfalls ist schon verloren – und zwar weil sie überhaupt erst geführt wurde. Mit dem Annehmen des Streits hat man dem Gegner – mal wieder – die Initiative überlassen. Winnetou ist da, er wird gelesen, er wird geschaut – und damit hat sich’s. Das Ziel der Linken sollte ja klar sein: die Zerstörung unserer Kultur. Und das ist keine Übertreibung, wie alle langsam mal begriffen haben sollten. Schauen wir etwa nach England: An den dortigen Universitäten werden Literaturklassiker aus allen möglichen – und lächerlichen – Gründen aussortiert.

Doch nicht nur die, auch moderne, eindeutig linke Literatur ist betroffen: „Colson Whiteheads Roman ‚Underground Railroad‘ (2016)“ etwa, wie der „Standard“ berichtet, ein Buch „über ein fantastisches System von unterirdischen Bahnverbindungen in den USA zu Zeiten der Sklaverei, über das Schwarze aus den Südstaaten in den Norden flüchten. Die Universität Essex hat das Werk wegen drastischer Darstellungen von Sklaverei dauerhaft von Leselisten entfernt.“ Und weiter: „August Strindbergs Stück Fräulein Julie hingegen findet sich nicht mehr in Kursen der Uni Sussex […], weil darin über Suizid gesprochen wird. Studierende sollen sich über emotionale Belastung beschwert haben. […] Charles Dickens und William Shakespeare sind ebenso von den Aktionen betroffen. Im Sommernachtstraum des Letztgenannten wurde von der Uni Aberdeen Klassismus ausgemacht. Auch Jane Austen, Charlotte Brontë und Agatha Christie haben Triggerwarnungen erhalten. Traditionellen Märchen geht es wegen Grausamkeit gegen Tiere an den Hals.“ Sie berauben uns unseres Gedächtnisses und vertilgen sich dabei auch noch selbst. Hoffentlich kommt Letzteres uns zugute, bevor es zu spät ist.

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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