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Zum Tag der Deutschen Einheit

3. Oktober 2024
in 3 min lesen

Das Land Nordrhein-Westfalen und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) veröffentlichten in den sozialen Medien Beiträge zum Tag der Deutschen Einheit. Das an sich wäre keinen Kommentar wert, wenn da nicht einiges falschgelaufen wäre. Anlass genug, die Beiträge sowie den Tag der Deutschen Einheit etwas genauer zu beleuchten. Zuerst fällt auf, dass es zum Zeitpunkt des Beitrags gar nicht der Tag der Deutschen Einheit sein kann. Schließlich wurde der Beitrag am Morgen des 2. Oktober hochgeladen und dürfte den Abend des 1. Oktober zeigen; zwei Tage vor dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. Immerhin schreibt das „land.nrw“, Ministerpräsident Wüst (CDU) sei „zum Tag der Deutschen Einheit“ beim Empfang der Deutschen Botschaft in London gewesen und nicht „am Tag der Deutschen Einheit“. Etwas merkwürdig wirkt das Ganze aber schon.

Übrigens: Der Tag der deutschen Einheit wurde das erste Mal 1954 gefeiert. Damals noch mit kleinem „d“ geschrieben und am 17. Juni abgehalten, gedachte man damit in der Bundesrepublik der gewaltsamen Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR ein Jahr zuvor. Doch das „Symbol der deutschen Einheit in Freiheit“ sollte nicht lange währen. Zwar erhob Bundespräsident Heinrich Lübke den 17. Juni noch 1963 zum „Nationalen Gedenktag des Deutschen Volkes“, jedoch fand bereits ab 1968 keine offizielle Gedenkstunde mehr im Deutschen Bundestag statt. Mit fortschreitender Dauer verlor man die Hoffnung, die Teilung Deutschlands zu überwinden. Bis sie dank der Kraft des Volkes dann doch überwunden wurde. So feiern wir seit dem 3. Oktober 1990 den Tag der Deutschen Einheit in Erinnerung an den Beitritt des ehemaligen DDR-Gebiets zur Bundesrepublik – nun mit einem großen „D“ für ein größeres Deutschland.

Doch nicht nur im Datum scheint der Ministerpräsident etwas danebenzuliegen. Wüst schwärmt davon, dass das Bundesland Nordrhein-Westfalen vor 78 Jahren „auf Initiative von Großbritannien, gestützt durch das Vertrauen der europäischen Partner“ gegründet worden sei. Was bei dem CDUler schon fast romantisch klingt, hat einen gänzlich anderen Hintergrund. Natürlich hat Großbritannien die „Initiative“ ergriffen, Nordrhein-Westfalen im Jahre 1946 aus den Provinzen Rheinland und Westfalen zu gründen. Der Bereich lag schließlich in seiner Besatzungszone. Getrieben dürfte die Gründung NRWs aber weniger von romantischen Vorstellungen gewesen sein als vielmehr von realpolitischen Erwägungen.

Im anschwellenden Ost-West-Konflikt mussten die Briten schnell handeln, um eine mögliche Vierteilung des Ruhrgebiets auf alle Besatzungsmächte zu verhindern. Denn wie schon nach dem Ersten Weltkrieg war das Ruhrgebiet aufgrund der hier angesiedelten Schwerindustrie von großem politischem Interesse. Die Gründung Nordrhein-Westfalens 1946 sollte hier Fakten schaffen. Die Zwangsheirat von Westfalen und dem Rheinland diente dabei nicht nur dem Zweck, die Industrie des Ruhrgebiets mit dem agrarischen Hinterland zu verbinden, sondern sollte auch eine britische Pufferzone schaffen, die den anderen Besatzungsmächten den Zugang zum Ruhrgebiet versperrte. Unterstützt wurden die Briten dabei durch die Amerikaner, die ebenfalls ein Interesse an einem großen Bundesland als Gegenstück zu einer kommunistischen Zentralregierung hatten.

„Vertrauen“, wie es Wüst schreibt, dürfte dabei keine Rolle gespielt haben; das Gegenteil dürfte der Fall gewesen sein. So wie sich die Besatzungsmächte gegenseitig misstrauten, so vertrauten sie den Deutschen nicht. In Bezug auf das Ruhrgebiet galt es für sie, ein Wiedererstarken Deutschlands durch die Nutzung seiner eigenen Industrie zu verhindern. Und ein Mitspracherecht hatten die Deutschen bei der Aufteilung ihrer Nation auch nicht. Wenn der Ministerpräsident für seinen Beitrag mit Muffins mit NRW-Wappen einen Anknüpfungspunkt für die deutsch-britische Freundschaft sucht, kann er vielerorts fündig werden. Aber an dieser Stelle hat er sich vergriffen.

Denn die deutsche Einheit wurde nicht – wie Wüst meint – durch die „‚Freundship‘ & das Vertrauen unserer europäischen Partner“ ermöglicht. Dies veranschaulicht ein Satz sehr deutlich, mit dem die britische Premierministerin Margaret Thatcher 1989 ihren Botschafter in Bonn maßregelte: Es sei „klar, dass – was auch immer ihre formale Position sei – Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion grundsätzlich gegen die deutsche Wiedervereinigung“ seien. Freundship und Vertrauen? Fehlanzeige!

Aber das ist nicht schlimm. Nicht alles muss ein Akt von Freundschaft und der Zusammenarbeit von Staaten sein. Man kann die Dinge auch einfach beschreiben, wie sie waren. Und das gelang in diesem Fall dem damaligen außenpolitischen Berater Thatchers, Charles Powell, deutlich besser als NRWs amtierendem Ministerpräsidenten. So schrieb Powell 1990 an Thatcher:

„Ihr Augenblick ist gekommen; die Deutschen nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand.“

Felix A. Cassel

Die Rechtsphilosophischen Ideen Carl Schmitts sind für den Bonner Jurastudenten genau so wichtig wie sein Zweitname - auch wenn die Redaktion ihn zur Abkürzung zwingt. Anders als Schmitt schreibt er aber nicht „zu Juristen und für Juristen“, sondern übersetzt richterliche Entscheidungen der "BRD im Endstadium" für den einfachen Bürger - ein typischer "Rechts-populist" also.

1 Comment

  1. Realpolitisch ging es bei der großen Verwaltungseinheit auch darum, die roten Massen in der Industrieregion durch Verbindung mit der konservativen Landbevölkerung in den angrenzenden Regionen einzuhegen.

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