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Meine Abrechnung mit der FDP

5. Oktober 2020
in 8 min lesen

Den viel zitierten Spruch, nachdem wer in jungen Jahren nicht links war, kein Herz habe, kann ich mir nicht zu eigen machen, denn meine politische Grundausrichtung war immer schon eine liberal-patriotische. Bereits mit 12 Jahren hatte ich ein ausgeprägtes Interesse an Politik und schaute regelmäßig Tagesschau und las Zeitung.

Ein besonderes Highlight war die damals im ÖRR von 1989 bis 1992 ausgestrahlte Sendung Hurra Deutschland (findet man noch auf Youtube), in welcher Politiker und Granden aus Sport, Kunst und Kultur in Sketchen dargestellt von Gummipuppen parodiert wurden. Mit derber Satire wurde hier in einer Weise nach oben getreten, die in den linientreuen Medien heute längst undenkbar geworden ist. Die Serie war meines Wissens sehr erfolgreich, warum sie letztendlich abgesetzt wurde, interessiert mich bis heute brennend – daß es auf Druck der Politik hin geschah ist bis heute meine einzig plausible Hypothese.

Als Technikfreak kam für mich eine Laufbahn als Politiker jedoch nie in Frage und so beobachtete ich den Politzirkus aufmerksam während ich mich meiner Karriere widmete. Die meisten Sympathien hatte ich immer für die FDP, vor allem, wegen dem Schwerpunkt auf das Thema Bildung, Haushaltsdisziplin und individuelle Freiheit. Einen ideologische Grundierung, wie etwa den Libertarismus hatte ich zu dieser Zeit noch nicht, ich empfand es damals aber schon als unfair, in welchem Maße die Bürger mit Steuern belastet wurden und auf der anderen Seite auch noch erhebliche Staatsschulden angehäuft wurden.

In der Tiefe habe ich mich mit der Programmatik der FDP erst im Jahre 2009 auseinandergesetzt, in dem auch der 17. Bundestag gewählt wurde. Westerwelle war mein Mann, er war rhetorisch versiert und formulierte pointiert; so sagte er z. B. in einem Interview, er sei „entsetzt über den Linksrutsch der CDU“ – daß sich diese Entwicklung nach seinem Tode unvermindert fortsetzen würde, hätte er wohl für unwahrscheinlich erachtet. Ein gutes Ergebnis lag in der Luft und so kam es dann auch; mit 14,6 % holte Westerwelle das bis heute mit Abstand beste Ergebnis für die Partei. Es reichte für die Union und die FDP zum vielleicht letzten „bewährten“ Tandem CDU/ FDP und das entgegen fast aller Prognosen in den Monaten vor der Wahl.

Ich war entsprechend euphorisiert, schien es doch so, als würden die Deutschen zumindest teilweise meine Ansicht teilen, daß die FDP einfach die bessere CDU ist und nicht nur programmatisch standhafter, sondern auch besseres Personal anzubieten hatte und insgesamt einfach das geringste Übel am Markt der politischen Parteien darstellte. Kritisch betrachtete ich lediglich, daß Westerwelle den Außenminister gab, in der er die im Wahlkampf gesetzten Themen nur bedingt weiterspinnen konnte. Die FDP sank nach diesem Erfolg in der Wählergunst jedoch und ein Grund dafür war sicher das von den Medien hochgejazzte Thema der „Steuergeschenke für die Hotellerie“, daß bisher keine nachfolgende Regierung zurückgenommen hat.

Man versuchte immerhin mit einer offensiven Rhetorik gegenzusteuern und da kam die Diskussion um die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze gerade recht. Westerwelle sah hierin eine schwere Missachtung der Leistungsgerechtigkeit und beschrieb die Situation anschaulich mit „spätrömischer Dekadenz“ und „Wer arbeitet, darf nicht mehr und mehr zum Deppen der Nation gemacht werden“, da es wohl Szenarien gab, in denen Hartz-IV-Bezieher netto mehr bekommen konnten als arbeitende Menschen. Das mediale Trommelfeuer, welches infolgedessen auf Ihn darnieder ging, weichte leider auch den parteiinternen Rückhalt auf und dazu kam dann noch Friendly-Fire.

Er gab dem Druck schließlich nach und verzichtete auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz. Philipp Rösler setzte sich sodann bei der Wahl zum neuen Parteivorsitz gegen Christian Lindner durch, was für mich eine große Enttäuschung war, da ich wusste, daß hier der völlig falsche Mann ins Amt gehoben wurde; viel zu brav, charisma-befreit und rhetorisch eher ein Kleinkaliber. Personalien wir Rösler und Brüderle in Kombination mit einer CDU, die den Koalitionspartner am langen Arm verhungern ließ, verbesserten die Situation freilich nicht. Als dann im Jahre 2011 ein japanisches Atomkraftwerk infolge eines Tsunamis havarierte kann man die Reaktion der Regierung als kleinen Vorgeschmack auf die Maßnahmen zur Eindämmung der „Corona-Pandemie“ begreifen.

Wirrer Aktionismus, wie das „Muratorium“, bei dem die sieben ältesten Meiler für drei Monate abgeschaltet werden mussten und im Nachgang der Beschluss zum stufenweisen Komplettausstieg aus der Atomkraft. Eine unrühmliche Figur hat dabei der damalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner gemacht, versuchte er doch die Union mit der Forderung eines sofortigen Atomausstiegs auch noch zu überbieten – das habe ich erst bei der Recherche zu diesem Artikel erfahren. Die FDP erlebte dann zur Bundestagswahl im Jahre 2013 Ihre eigene Kernschmelze und zwar zurecht. Aus meiner Sicht war das teilweise unmögliche Personal die Hauptursache dafür, da man das aber öffentlich wohl nicht aussprechen wollte bzw. konnte, brach man es auf die Formel „wir haben nicht geliefert“ herunter.

Die Medien und Konkurrenzparteien hingegen begründeten die Abwahl mit einer überholten Programmatik. Wäre man nicht eingeknickt und hätte stattdessen auf personelle Kontinuität mir einem Westerwelle gesetzt und weiterhin die Probleme klar benannt, wer weiß was man hätte erreichen können. Trotzdem fühlte ich eine intrinsische Motivation die Partei in dieser Situation aktiv zu unterstützen und wurde Mitglied; fürchtete ich doch, daß Deutschland ohne eine liberale Kraft noch schneller in den Sozialismus abzurutschen würde und ich sah durchaus das Potential für einen Wiedereinzug mit Lindner, eben weil das Problem eher das Personal und nicht die Programmatik war. Ich hielt damals noch etwas auf ihn, da ich einige gute Kolumnen aus seiner Feder im Focus-Magazin gelesen hatte.

Ich habe eine gewisse Affinität zu Menschen mit naturwissenschaftlichen Background und da es in der Ortsgruppe hiervon einige gab, fand ich auch schnell Anschluss. Es gab auch durchaus Mitglieder, welche eine ähnliche Hitliste der drängenden Problemen in diesem Land hatten. Da gab es z. B. den Vater eines Jungen, der in einer Brennpunktgrundschule der einzige Muttersprachler war; Sein Vater hatte keine Hemmungen zu erklären, daß dies für ihn ein unmöglicher Zustand sei. Oder bei einem Stammtisch zum Thema Islam, als ein Teilnehmer, sehr tiefgründig aus der Literatur von Akif Pirincci und Seyran Ateş über diverse Probleme der Religion des Friedens referierte. Derartiges Problembewusstsein fand sich jedoch ausschließlich bei der Basis und praktisch nicht bei der Führung.

Bis zum EU-Wahlkampf 2014 wurde ich zum Delegierten und mein Gefühl in der richtigen Partei zu sein bekam auf einem Parteitag einen ersten Dämpfer. Insbesondere die Julis (Junge Liberale) stimmten Lobgesänge auf die inhärenten Errungenschaften der EU an, wie etwa den Jahrzehnte währenden Frieden in Europa, und vergaßen dabei offensichtlich die diversen Konflikte auf dem Balkan. Auch die etablierten machten es nicht viel besser – eine auch damals schon überfällige Fundamentalkritik blieb aus, man arbeitete sich an Details ab. Das Jahr 2015 rückte dann mit der Wucht einer Abrissbirne das Thema Migration in den Fokus und meine damalige Partei machte hier zu Anfang keine schlechte Figur, es wurde auf die Einhaltung bestehender Gesetze gepocht, man wollte einen Untersuchungsausschuss zur Grenzöffnung und die eigene Programmatik ging wenigstens in die richtige Richtung.

Ich habe heute noch einen Flyer, der an Wahlständen verteilt wurde, der die möglichen We
ge, die ein Asylverfahren nach FDP-Programmatik nehmen konnte, aufzeigt und der beinhaltet auch Abschiebungen. Man hätte das Thema aus meiner Sicht zwar viel schärfer auch in der Öffentlichkeit verbalisieren müssen – die Programmatik gab das her – aber immerhin stellte die FDP hier eine Opposition dar, wenn auch schwächer als die AfD. Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte die FDP dann mit 10.7 % ein respektables Ergebnis, welches aus meiner Sicht zu einem Gutteil auf die Kritik an der Migrationspolitik und der Personalie Lindner zurückzuführen war. Die mögliche Koalition mit CDU und den Grünen platzen zu lassen war richtig – es konnte nach der bereits erwähnten Aushungerungstaktik von Merkel in der letzten Koalition mit der FDP keine Zusammenarbeit mehr mit dieser Person geben.

Mein Unmut über die Gesamtsituation und vor allem die Regierung wurde ob der anhaltend gesinnungsethisch bestimmten Migrationspolitik und der Tatsache, daß ich als Staatsbürger mittlerweile die zweithöchste Steuerbelastung weltweit genießen durfte, immer größer. Geradezu grotesk wirkte es da für mich, daß unser Bundestagsabgeordneter auf Stammtischen der Basis immer wieder das Konzept der Service Opposition schmackhaft zu machen versuchte. Mit dieser von der Bundestagsfraktion ersonnenen Strategie, wollte man sich von der Konkurrenz durch eine konstruktive Haltung abheben, die selbst das Umschreiben und Vorformulieren von Anträgen für die Regierung beinhaltet und natürlich auf allzu scharfe Kritik verzichtet. Ein absehbarer Nachteil dieser Strategie ist wohl die schwindende Erkennbarkeit beim Wähler und das in Zeiten in denen die Abweichung zwischen Regierungspolitik und Liberalen Grundsätzen stetig wachsen.

Den nächsten Kratzer bekam für mich das Image der FDP dann als 2019 das Europäische Parlament die Resolution Fundamental rights of people of African descent in Europe verabschiedete – eine weitere Manifestation der identitätslinken Läuterungsagenda, nur eben verabschiedet von einer hochstehenden politischen Institution. Durch eine interne Anfrage erfuhr ich dann, daß die FDP (als Teil der liberalen ALDE-Fraktion) diese Resolution ebenfalls unterstützte. Daraufhin stellte ich einige kritische Fragen, auf die man mir antwortete, daß dies Vergangenheitsbewältigung sei und man nicht sagen könne, warum die damalige Fraktion dies unterstützte und man das auch nicht herausfinden kann – zu dem Zeitpunkt hatte sich die Fraktion nach der Europawahl gerade personell neu aufgestellt. Die Frage, ob man mit der aktuellen Fraktion wieder so abstimmen würde, konnte man nicht beantworten.

Der Schlusspunkt für mich war dann die Wahl in Thüringen zu Anfang des Jahres, ich teilte der Partei meinen Austritt noch am selben Tag mit, an dem Kemmerich umfiel oder dazu gezwungen wurde. Politik ist der Wille zur Macht und wenn man das nicht beherzigt, dann braucht man sie nicht zu betreiben und somit war die FDP für mich keine Partei mehr. Meine Begründung stieß in der Ortsgruppe durchaus auf Verständnis, wenn man sich aber die offizielle Kommunikation der Partei auf Bundesebene anschaut, ist diese von jämmerlichen Mantren der Läuterung geprägt. Natürlich wären die Erfolgsaussichten einer FDP geführten Minderheitsregierung überschaubar gewesen, aber man hätte es einfach probieren können, mit der riesigen Chance sich als Mediator profilieren zu können.

Den letzten Denkzettel vom Wähler gab es bei der Kommunalwahl in NRW und die kleine Twitterumfrage dieser FDPlerin gibt eine nachvollziehbare Erklärung, woran es denn gelegen haben könnte: Man könnte mal eine Umfrage machen, um Licht ins Dunkel zu bringen: FDP-Ergebnis NRW – woran lags? 🤔#nurzumSpaß #KommunalwahlNRW #KommunalwahlenNRW #Kommunalwahl2020

Die Führung hat anscheinend den Kontakt zur Basis verloren, was sich unter anderem an der Agitation gegen Roland Tichy von Personen, wie Alexander von Lambsdorff zeigt:

…gegen den und sein Magazin er auch schon 2018 gehetzt hat – ein Magazin in dem sein Parteifreund MdB Frank Schäffler Beiträge veröffentlicht:

Die Posse um die Personalie Teuteburg habe ich mir nicht angeschaut, da es mich nicht mehr interessiert.

Retrospektiv betrachtet war der Austritt das einzig Richtige, es fühlt sich an, wie eine unnötige Last, die in Teilstücken mit jedem weiteren Fauxpas der Partei von mir abgefallen ist. Ich bin kein Untergangsprophet und es kann gut sein, daß die Partei die kommenden Wahlen übersteht und mit 5 – 6% weiterdümpelt, das endgültige Aus ist aber durchaus auch im Bereich des Möglichen. Für die Noch-Mitglieder habe ich für letzteres Szenario noch eine Wermutstropfen parat: Liberal gesinnte Menschen können durch ihr inhärentes Verständnis von Märkten und der Erkenntnis, daß der Markt immer recht hat, wohl am besten mit einem Exitus aus der politischen Relevanz abfinden und diesen als das zu begreifen, was er ist – kreative Zerstörung.

Daniel Meyer

Baujahr 1979, war, seitdem er denken kann, ein politischer Mensch, der ohne große Schwankungen in seiner Ausrichtung auskam und sich heute als patriotisch-libertär einordnet. Für einige Jahre hatte er in der FDP eine parteipolitische Behausung, die er jedoch aufgrund der Baufälligkeit der Baracke verlassen musste. Meyer ist Technik-Freak, was ihm in seiner beruflichen Laufbahn zu einer gutbürgerlichen Existenz verhalf. Wenn er nicht arbeitet, ist er zuvörderst Familienvater und betätigt sich gerne sportlich. Grundlage seines Erfolgs muss das Mana sein, welches er aus seiner ethnokulturellen Identität zieht.

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