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Spaltet sich hier der Libertarismus? Freier Markt oder selbständiger Bürger

28. April 2020
in 3 min lesen

Wenn die Krise vorbei ist, werden zahlreich Fitnessstudios schließen, oder zumindest einige Filialen zumachen, sich verkleinern oder Mitarbeiter entlassen müssen. Das hat einen einfachen Grund: Wegen des “Shutdowns” der Wirtschaft mussten auch die “Muckibuden” schließen, was zu einem Abwanderungsprozess der Kundschaft führte. Neben dem enormen wirtschaftlichen Schaden durch Umsatzeinbußen, bauten über Nacht tausende sportverrückte Hantelkrieger sich ein heimisches Fitnessstudio.

Online ist so ziemlich alles ausverkauft, was nur im Entferntesten etwas mit Gewichten, Hantelstangen, Klimmzugvorrichtungen oder Bankdrück-Bänken zu tun hat. Selbst bei den Springseilen gibt es Engpässe. Lieferzeiten bis zu einem Monat. Lediglich Gewichte zwischen 1 und 2 kg sind noch vorrätig. Die waren aufgrund der unendlichen Verfügbarkeit von vollen Sprudelflaschen ohnehin ein Ladenhüter.

Deutschland trainiert zu Hause. Die einen professioneller als die anderen. Was allerdings noch anstrengender als die Homegym-Trainingspläne sind, die quasi als neue Marktlücke über Nacht explodierten, sind die Rädchen in meinem Kopf. Zum ersten Mal ist der Begriff “Libertarismus” nicht in sich geschlossen und ich stehe vor zwei Interpretationsweisen.

Was heißt eigentlich Libertarismus? Wenn man 100 Libertäre fragt, bekommt man 100 Antworten. Ganz weit vorne steht aber immer die Abwesenheit oder Reduktion des Staates. Dicht gefolgt vom “Freien Markt”, der als Leitprizip bestimmt, wie Menschen zusammenleben. Besonders wichtig ist auch das Eigentum, ob am Ertrag der eigenen Arbeit oder am eigenen Körper. Sehr viele Libertäre fordern auch die Selbstständigkeit des mündigen Bürgers und die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen und eigene Entscheidungen zu treffen.

Im Falle unseres Fitnesstudios komme ich gedanklich an einen Scheideweg zwischen zwei libertären Prinzipien. Zum einen ist das Angebot der Fitnesstudios ein Paradebeispiel des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage: Menschen wollen Sport machen und beauftragen sozusagen externe Dienstleister, die ihnen ihren Wunsch ermöglichen.

Auf der anderen Seite wird durch diese enorme Auslagerung vom Sport der Mensch hilflos gegenüber etwaiger Probleme, seien es staatlich verordnete Shutdowns, Währungskrisen, Kriege, Krankheiten und zuletzt scheiternde Unternehmen. In den 80er und 90ern, als der “Körperkult” expandierte, flogen in jedem guten Haushalt irgendwelche Gewichte im Keller rum. Es hingen Klimmzugstangen in Heizungsräumen und Yogamatten lagen in der Ecke. Selbst die unsportlichsten Menschen hatten zumindest diesen merkwürdigen Bauchmuskeltrainer, der einem beim Einrollen des Oberkörpers helfen sollte.

Das ist in den letzten Jahrzehnten weniger geworden. Die Anzahl der Fitnesstudio-Mitglieder hingegen ist explodiert. In den letzten 17 Jahren hat sich der Umsatz verdreifacht! Fast 12 Millionen Deutsche sind Mitglieder in einer “Muckibude”, egal ob zum Laufen, Fahrradfahren, Gewichtestemmen oder den zahlreichen Kursangeboten. Die Zahl der “Homegyms” hat sich dementsprechen massiv reduziert. Die Dienstleistung Sport wurde zum “Experten” ausgegliedert – sie ist besser – wer hat schon 40 verschiedene Geräte im Keller stehen? – und auch günstiger geworden, wenn man Anschaffungskosten und Platzkosten eines eigenen privaten “Homegyms” entgegenrechnet.

Bezahlt haben die Menschen den Preis mit ihrer Selbständigkeit. Tausende erwachsene Menschen sind aktuell nicht mehr richtig in der Lage dazu, sich fit zu halten. Nur weil die Tore der Fitnesstudios im Nachbarort geschlossen bleiben. So viel zum ersten Widerspruch: Wir sind abhängige und unselbstständige Menschen geworden, die – ähnlich bei Reparaturen an Haus, Auto und Garten – direkt zum Experten laufen müssen, da sie keine Ahnung haben, wie sie sich selbst helfen. Das gleiche beim Zweiradmechaniker:

Ein Freund hat Probleme mit der Schaltung. Der nächste freie Termin ist im August. Das Ding selbst reparieren? Das traut sich mit unserem Halb- bis Nullwissen niemand so recht. Vor zwanzig Jahren wäre das anders gewesen. Ja, wir sind unselbstständig geworden. Dafür sind wir günstigeren Marktprinzipien gefolgt: Unser gutes Recht.

Aber hat nicht die Politik dieses Problem (Corona-Shutdown) erst verursacht und das Zusammenspiel aus privatem Konsumenten und Dienstleister gestört?

Der Hinweis vieler Staatsgegner, dass der Shutdown aktuell staatlich verursacht ist, ist richtig. Auf der anderen Seite ist die “Krisenlosigkeit” der vergangenen Jahrzehnte aufgrund der Niedrigzinspolitik ebenfalls staatlich verursacht. Mit Hilfe massiver sozialistischer Markteingriffe hat man jegliche Bereinigungsprozesse, jegliche Kriselchen, jegliche Marktrülpser unterdrückt. Markt ist immer Reibung. Und wenn man einen 24-Monate-Vertrag abgeschlossen hat und das eigene Fitnesstudio meldet Insolvenz an, gleitet der Blick vielleicht doch zu den Kleinanzeigen mit den gebrauchten Gewichten, um sich zukünftig selbst auszustatten. Der Markt ist der absolute Narturzustand, basierend auf einem hochkomplexen Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage. Die Natur ist aber auch immer eines: risikoreich.

Dadurch, dass die letzten Jahrzehnte jedes Risiko ausgeblendet wurde, sind die Fähigkeiten des Individuums weiter zurückgegangen. Die Inselbegabungen wurden ausgeprägter, die Dienstleistungen mehr und mehr. Das Eigentum nahm auf paradoxe Art und Weise gleichzeitig zu und ab: Wir kumulierten Geld, gleichzeitig reduzierten wir Rohrzangen, Schweißgeräte, Kochgeschirr, Holzöfen, Klettergerüste im eigenen Garten, Obstbäume, Tafelsilber, wertvolle Möbel, besagte Hantelscheiben und vor allem eines: Das Wissen, auch in Notlagen mit der Situation klarzukommen.

Ich möchte keineswegs den “freien Markt” verteufeln. Ganz im Gegenteil. Er ist die einzige funktionierende und moralisch einwandfreie Ordnung. Jeder soll selbst entscheiden wie, wann und wie oft er externe Hilfe heranziehen möchte und niemand soll ihn daran hindern oder sogar Unsummen von Steuern abpressen. Allerdings kommt es mir doch vor, dass die Corona-Krise eines gezeigt hat: In der Welt gibt es zwei Arten von Libertarismus: Den “Freien-Markt-Libertarismus” und den „Eigentum- und Selbstbestimmungslibertarismus”. Beides sind extrem häufig deckungsgleich, aber doch nicht immer.

Die Extremform der ersten Variante ist der Purist, der mit Mac-Book in einer klinisch-reinen Stadtwohnung wohnt, und 5000 Euro im Monat verdient. Davon beauftragt er Experten, sei es im Restaurant oder im Reisebüro. Der zweite Typ ist derjenige, der in seinem Haus mit Garten eigentlich alles hat – auch Gerümpel, dass er selten braucht. Er macht das meiste selbst, spart dadurch auch monetäres Geld, erhält aber suboptimalere Ergebnisse und verliert Zeit.

Beides sind libertäre Typen. Die Zukunft wird zeigen, welcher an Attraktivität gewinnt.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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