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Namensnennung: Bundesarchiv, Bild 183-R06610 / CC-BY-SA 3.0

Alles Gute, Oswald!

29. Mai 2020
in 3 min lesen

Heute, am 29. Mai, vor 140 Jahren wurde Oswald Spengler geboren. Spengler war so etwas wie der Urvater einer deutschen Kulturkritik und damit auch ein Urvater der konservativen Revolution der 1920er und 30er Jahre. Fast jeder der großen Denker, sei es Arthur Moeller, Ernst Jünger, Edgar Julius Jung arbeitet sich am Großmeister des Kulturpessismus ab. So hat Spengler mit seiner Zwangsläufigkeit des Kulturuntergangs indirekt den Grundstock für das Konservativ-revolutionäre gelegt. Auch Friedrich Hielscher, so erinnere ich mich zumindest dunkel an seine Aufzeichnungen, besuchte Spengler mehrmals in München. Nachträglich beschrieb er den Denker physiognomisch wie intellektuell als eine Mischung aus römischem Ratsherren (obere Hälfte des Gesichs) und mongolischem Schlächter (untere Hälfte des Gesichts). Optisch sehr treffen, intellektuell kann ich es nicht beurteilen.

Verständlich ist die Reaktion der jüngeren Konservativen auf Spenglers Analyse: Wenn dir jemand Älteres sagt, dass bald alles vorbei ist, sieht man das als junger Denker nicht ein. Man will restaurieren, renovieren, reagieren, erhalten – einfach alles machen, damit die wirkmächtige Analyse eines kulturellen Verfallsprozesses nicht eintritt. Und wirkmächtig ist die Analyse Spenglers. Wer ein paar Wochen Zeit hat, kann sich das Opus Magnum “Der Untergang des Abendlandes” mit über 1000 Seiten gerne zu Gemüte führen. Ich bin nicht durchgekommen – wie die wenigsten, die über Spengler reden… Spengler selbst wurde angeblich der dramatische Titel von seinem Verleger aufgezwungen. Er selbst hat eigentlich eine nüchteren Kulturgeschichte verfasst, die mit einem unvorstellbaren Wissen aufwartet. Ich kenne kein Buch, dass mehr beinhaltet: Mathematik, Philosophie, Kunst, Geschichte, ein unfassbarer Wissensschatz mit scharfen Augen seziert.

Erinnern kann ich mich aber noch an zwei Widersprüche – bei hunderten Zustimmungen – die ich mit Spenglers Analyse hatte. Zum einen sieht er den Höhepunkt einer Zivilisation in einer Ausformung der Staatlichkeit, die allumfassende Kontrolle innehat. Dass danach der Verfall eintritt, ist keine unglückliche Entwicklung sondern zwingende Konsequenz. Insofern würde ich den Höhepunkt einer Kultur früher ansiedeln. Der Verfall hat schon mit der Ausformung eines bürokratischen Apparates eingesetzt. Das ändert heute freilich wenig. Selbst der optimistische Konservative muss eingestehen: Wir sind weiter über dem Verfallsdatum, als ein vergessenes Schulbrot in den Sommerferien.

Besonders bemerkenswert und sprachgewaltig empfand ich bei der damaligen Lektüre die Bezeichnungen für „Kulturkreise“ (die auch von Samuel Huntington später aufgegriffen wurden) Spengler unterteilt in drei Gruppen:

Die Antike bezeichnet er als apollinisch-dionysisch, benannt nach Apoll und Dionysos. Stellt man sich beispielsweise die mykenische Kultur in der frühen Antike vor, ist das zutreffend. Das zeitlose Leben in „unschuldiger“ Vorzeit über Jahrhundert hinweg. Zwischen Familie, Feier, Kult und Göttern.

Der Orient hingegen sei eine magische Kultur, die immer im Zwiespalt zwischen göttlicher Macht und unvollkommenem Leben verharrt. Auch der Islam ist in dieser Sicht eine magische Religion, wohingegen das Christentum schon fast rational daherkommt. „Inshalla“ – so Gott will – ist eines dieser implantierten Ungewissheiten. Aber auch die tiefere Spiritualität sowie ihre fast vergessene Extremausformung der Sufi deutet auf magische Derwische hin, die im Land der Wüsten wohnen. Ein Anhänger des Sufismus mag so spirituell wie ein Benediktiner sein. Trotzdem ist er etwas vollkommen anderes, magisches. Aber auch im fernen Osten verhält es sich ähnlich. Götter und Dämonen schwingen durch den Äther.

Kommen wir zum Westen, dem Spengler faustischen Charakter zuschreibt. Als ich das Buch vor sechs Jahren las, wusste ich noch nicht über die Bedeutung des Faustischen. Irgendwas mit Faust von Goethe. Mittlerweile verstehe ich es besser: Ich lebe in einer Kultur der Hinterfragung, der Überwindung, der Neuerfindung, des Entdeckertums, des weiter-Gehens, der Sehnsucht weit-zu-reichen, des Perfektionierens. Davon ist nach 100 Jahren Abstieg immer noch viel zu spüren.

Der Abendländer – und insbesondere der Deutsche – gibt sich nicht selten zufrieden, lässt eben fünfe nicht gerade sein. „Stimmt doch gar nicht“, denkst du vielleicht. „Der mittlere Dienst mit sicherem Job und Frau und Kind sind doch alles, was der Deutsche heute will?“ Dann verweise ich immer auf den Rasen dieser Person, deren Grashalme mit dem neuen Supergerät gestutzt und beinahe in Reih und Glied gebracht wurden. Selbst die Kaffeemaschine muss optimal arbeiten – oder sie wird ausgetauscht. Mehr dazu findet ihr auf unseren YT-Kanal über die „Deutsche Freiheit“.

Ja, das alles ist eine Abart des Faustischen, aber es ist unsere Art. Der Deutsche und Abendländer will weiter, schneller, besser effizienter. Manche sehen das „faustische“ auch als Übersetzung für das „ins Unendliche streben“. Und genau da könnte womöglich ein Fehler in Spenglers Denken liegen: Was ist eigentlich, wenn sich der faustische Mensch über Spenglers Theorie und damit seinen eigenen Untergang hinwegsetzt? Die Chancen sind gering, aber sie sind da.

Was aber sicher ist: Spengler schrieb eines der beeindruckendsten Bücher der Neuzeit, das das Denken aller deutschen Konservativen nachhaltig prägte – im Guten wie im Schlechten!

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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